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Am 3. Oktober 2013 kenterte vor Lampedusa ein Schiffskutter, 355 Flüchtlinge und Migranten verloren ihr Leben. Knapp eine Woche später ereignete sich ein ähnliches Bootsunglück, diesmal starben mehr als 200 Menschen. Der Schock saß tief in Europa. Auf höchster Polit-Ebene wurde diskutiert, wie solche Unglücke künftig verhindert werden können. Das Resultat: Italien startete die Operation Mare Nostrum, um Menschen zu retten und Schlepper aufzugreifen.

Dann kamen die großen Fluchtbewegungen 2015 und 2016, und vieles wurde anders. Merkels "Wir schaffen das", Sebastian Kurz’ angebliche Balkanrouten-Schließung, Röszke, Parndorf, Lesbos oder der EU-Türkei-Deal sind nur wenige Schlagwörter dafür, was sich seitdem alles getan hat. Nun, mehr als acht Jahre später, werden bei vielen Ereignissen maximal die Schultern gezuckt. Folter in libyschen Lagern? Illegale Pushbacks an der EU-Außengrenze? Heuer schon wieder mehr als 1.500 Tote im Mittelmeer? Vieles wird toleriert, nur um ja nicht an diesem Thema anzustreifen.

Und jetzt? Ein Bootsunglück mit 27 Toten im Ärmelkanal. Doch statt nichts zu tun, zeigen sich Frankreich und Großbritannien schockiert. Trotz aller Schuldzuweisungen wollen sie kooperieren und eine europäische Lösung erarbeiten.

Vielleicht ist es heiße Luft, vielleicht kommt wieder nichts heraus. Vielleicht endet alles sogar mit einem großen Streit. Aber es ist besser, als mit den Schultern zu zucken. (Kim Son Hoang, 25.11.2021)