Es wird am Buchmarkt für kleine Verlage nicht einfacher, die Verleger Jochen Jung und Daniel Kampa (v. li.) stehen deshalb fortan unter einem gemeinsamen Schirm.

Foto: Anna Jung

Von einem "Kauf" spricht Daniel Kampa ungern, er sagt lieber "Zusammenarbeit mit finanzieller Verflechtung". Wie dem auch sei: Am Mittwoch wurde bekannt, dass der Schweizer Verleger den renommierten Salzburger Verlag Jung und Jung übernimmt. Vor 21 Jahren hat ihn Jochen Jung gestartet, nachdem er beim damals staatsnah geführten Residenz-Verlag genau am Tag seines 25-jährigen Dienstjubiläums wegen unterschiedlicher Auffassungen in Sachen literarischer Qualität unsanft "hinausgeschmissen" worden war. Seither hat er ihn geführt und geprägt, wenige Wochen vor seinem 80. Geburtstag gibt er ihn nun aus der Hand. "Schweren Herzens", sagt er. Verständlich.

Doch Tochter Anna Jung, die seit langem die Pressearbeit im Verlag innehat, wollte nicht in die Fußstapfen treten. "Mir war das damit verbundene Risiko, also die Selbstständigkeit, als Alleinerziehende, zu groß", sagt sie. Das "Verantwortungsgefühl" dem Verlag und seinen Autoren gegenüber habe sie aber auf die Idee gebracht, "nach einem Kooperationspartner oder einem Dach" zu suchen. Der Vorschlag, auf Daniel Kampa zuzugehen, stammt von ihr.

Erst hatte Jung sich noch nach größeren Verlagen umgeschaut. "Ich wollte den Verlag ja nicht verschenken, das muss sich jemand leisten können." Nun ist er aber "sehr glücklich" mit der Entscheidung. "Es wird so weitergehen, wie es bisher gegangen ist, mit mir vorn aber vielleicht nicht mehr gehen würde."

Individualität zählt

Grund für diese Zuversicht ist, dass Kampa nicht daran denkt, ins Programm von Jung und Jung einzugreifen. "Jeder behält sein Büro, seinen Stil, seine Mitarbeiter, sein Programm", sagt Kampa. Ihr individuelles Programm mache kleine literarische Verlage schließlich aus. Jung und Jung lebe davon, dass der Verlag seinen Sitz in Salzburg habe und ein österreichisch geprägtes Programm pflege. An beidem solle sich nichts ändern.

Was will er also mit dem Erwerb? Ein Blick auf die Strukturen des Buchmarkts lohnt. Seit Jahrzehnten findet eine Konzentration statt, es wird für kleine Verlage nicht einfacher. Das trifft Werbung, Herstellung wie auch Vertrieb. "Ein Verlag bedeutet viel Administration. Wenn kleine Verlage da zusammenarbeiten, ist das ein Vorteil angesichts von so vielen Büchern am Markt, wenig Fläche im Buchhandel und der Konkurrenz durch die großen Verlage", sagt Kampa. Man hätte auch ohne Kauf kooperieren können, er habe keinen Verlag zum Kauf gesucht. Was er aber immer suche, seien Möglichkeiten der Zusammenarbeit.

Was das konkret heißt? Etwa seien die Bücher von Jung und Jung in der Schweiz unterrepräsentiert. Als Verlag mit Sitz in Zürich falle es leichter, sie in der Schweiz besser zu verkaufen. Umgekehrt hofft er, dass Jung und Jung Kampa in Österreich vertrieblich hilft.

Zudem sei es für Buchhändler viel angenehmer, wenn sie bei einem einzigen Ansprechpartner, noch dazu vor Ort, Bücher von mehreren kleinen Verlagen bestellen könnten. "Wir gewinnen dadurch mehr Zeit, um Bücher zu machen; und sie, um Kunden zu beraten."

Kindheitstraum Verleger

Jung war zwölf Jahre alt, als er in einem Aufsatz schreiben musste, was er einmal werden will. Er erklärte, am liebsten würde er ein "Buchschreiber", traue sich das aber nicht zu – wohl aber, ein Kaufmann zu werden, der Bücher produziere. Nie habe er seither einen anderen Beruf gewollt, sagt er. Zuletzt brachte Jung und Jung in seinem kleinen, feinen Programm (u. a. mehrere Österreichische Buchpreise zeugen davon) jede Saison rund sieben Titel heraus. Dass es am Markt für die anspruchsvollen Bücher nicht einfacher geworden ist, hat Jung bemerkt: Handys, Streams, Genre, kinohaftes Erzählen. Es geht ihm deshalb unter Wahrung des Verlagsgeistes auch darum, den Verlag "in Hände von Leuten zu geben, die eine Vorstellung von Literatur haben, wie sie heute sein sollte". Jung werde den Verlag weiter begleiten, sagt Kampa dazu; er wolle sich nicht in den Weg stellen, sagt Jung.

Daniel Kampa (50) bringt das nötige Know-how mit. Bevor er 2018 seinen Verlag gegründet hat, war er bei Diogenes sowie Hoffmann und Campe. "Man sitzt dauernd in Sitzungen, das hasse ich." Er weiß, wie es bei den Großen läuft, und auch: "In kleinen Verlagen hat man größere Freiheit. Alles ist persönlicher. Ich habe alle unsere Bücher gelesen."

Leisten kann er sich diese Freiheit, weil Kampa neben anspruchsvoller Literatur auch Krimis führt. "Das ist keine nur strategische Entscheidung gewesen, ich bin ein leidenschaftlicher Krimileser. Aber es ist schwierig, nur mit hochliterarischen Titeln am Markt zu operieren." Mit Krimis könne man in den Handelsketten besser arbeiten. Kleine literarische Verlage bräuchten hingegen unbedingt den kleinen literarischen Buchhandel. "Gerät der unter Druck, sei es durch Ketten oder Corona, ist das bedrohlich. Zudem haben literarische Verlage immer von einer starken Backlist gelebt. Heute haben Händler aber keinen Platz mehr für ältere Bücher, der Fokus aufs Neue gräbt diesen Verlagen das Wasser ab."

Ärgerliche Verlagswechsel

"Er hat ja wirklich alles, weil er einen Verstand dafür hat, was ein Programm braucht, damit das Konto stimmt. Das ist ja nicht unwichtig", lobt Jung. Könnte man einen Verlag wie seinen heute noch erfolgreich gründen?

Der Zusammenschluss hilft vielleicht noch bei einem anderen Problem: dass österreichische Autoren, sobald der Erfolg einsetzt, zu großen deutschen Konkurrenten wechseln. "Das habe ich immer wieder hinnehmen müssen." War die Arbeit also frustrierend? "Im Großen und Ganzen nicht, weil immer genug Aufmerksamkeit für unsere Bücher da war, um weitermachen zu können. Das war das Entscheidende. Es ging mir nie darum, ein Vermögen anzusammeln, sondern darum, das zu machen, was ich unter die Leser bringen wollte." (Michael Wurmitzer, 26.11.2021)