Die "Konferenz zur Zukunft der Europäischen Union" – im Mai gestartet, um einen grundlegenden Reformprozess anzustoßen – ist in der Halbzeit. Nach vier Treffen von Vertretern der Regierungen, der Kommission in Brüssel, Parlamentariern und Bürgerforen liegen bisher aber nur wenig greifbare Ergebnisse auf dem Tisch.

Karoline Edtstadler sieht sich als "Pusherin" für "mehr Europa".
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Dennoch will die französische Regierung wie geplant bis zum Frühjahr konkrete Vorschläge für EU-Reformen realisieren. Das hat Europaminister Clément Beaune diese Woche klargemacht. Paris übernimmt ab 1. Jänner den EU-Vorsitz. Befürchtungen, dass die Ende April stattfindende Wahl des Staatspräsidenten den EU-Zug behindern könnten, wies Beaune zurück: Frankreich werde mit Hochdruck vom ersten bis zum letzten Tag, dem 30. Juni, für die europäische Sache arbeiten.

Befürchtungen, dass Präsident Emmanuel Macron ins Straucheln geraten könnte, haben bei vielen Zweifel aufkommen lassen. Eine Stichwahl der zwei Bestplatzierten aus dem ersten Wahlgang wird ohnehin als fast sicher angenommen. Es sieht sogar so aus, dass Macron, der seit Jahren auf EU-vertiefende Reformen drängte, aber bei Deutschland auflief, das Thema Europa ins Zentrum seines Wahlkampfes gegen starke Gegner aus dem radikal rechten Lager stellen wird. "Ich weiß nicht, ob die Wahl eine Auswirkung hat, aber ich gehe davon aus, dass Frankreich es ernst meint", sagte Europaministerin Karoline Edtstadler dem STANDARD.

Treffen mit der Ministerin

Kürzlich traf Edtstadler in Wien junge Menschen zwischen 16 und 30 aus dem ganzen Bundesgebiet, die in zehn Arbeitskreisen eine thematische Strukturierung ihrer Ideen vornahmen, was sie von Europa erwarten. Dies wird zusammengefasst beim nächsten Treffen auf europäischer Ebene eingebracht.

Die Teilnehmer kommen, wie sich zeigte, vor allem aus Jugendorganisationen, Schülervertretungen; es waren praktisch keine Vertreter von handwerklichen Berufen oder Bauern dabei. Das mag an der Art der Organisation solcher Bürgerforen liegen. Die Vermittlung des Themas Europa bleibt oft bei Schulen und Hochschulen hängen – oder bei "Jungpolitikern" von Vorfeldorganisationen der jeweiligen Parteien. Sabir Ansari, Chef der Bundesjugendvertretung, zeigt sich dennoch zufrieden: "Wir sind die erste Generation, für die die EU, in der Österreich EU-Mitglied ist, eine Selbstverständlichkeit ist." Menschen um die zwanzig kennten nichts anderes.

Dass die EU so wie bisher nicht weitermachen könne, ihre Entscheidungsstrukturen anpassen muss, wird oft betont. Die Frage ist: Wie? Manche Länder wollen zurück zu mehr nationaler Kompetenz, andere mehr Vergemeinschaftung im Rahmen der EU-Verträge. Die letzte Vertragsreform war 2009.

Die Zukunftskonferenz versucht neue Wege: Nicht nur professionelle Europapolitiker sollen den Ton vorgeben, sondern "die Bürger" – NGOs, Vereine, Jugendorganisationen. Zieldatum: Mai 2022.

Grenzüberschreitendes Denken

Bei den Teilnehmern im Sophiensaal zeigten sich zwei Tendenzen: Die Jungen setzen sehr stark auf grenzüberschreitende Lösungen. Und inhaltlich brennen ihnen weniger "klassische" Jugendthemen unter den Fingernägeln, sondern die großen Fragen unserer Zeit: Klimawandel, mehr Solidarität und Gerechtigkeit in Wirtschaft und Arbeit. Ein 1-2-3-Ticket für Europa wurde ebenso gefordert wie die EU-Kennzeichnung von Nachhaltigkeit in allen Bereichen. Ganz oben auf der Wunschliste steht auch: dass die Grenzen in Europa offen bleiben.

Überraschend stark beschäftigt die Jungen das Thema Demokratie und Mitsprache. Eine konkrete Forderung lautete: nicht nur mehr Teilnahme an politischen Prozessen, sondern auch "mehr Europa-Unterricht". Edtstadler zeigte sich erfreut über das pralle Bouquet der vielen Vorschläge, die nach Brüssel mitzunehmen sie versprach. Die Ministerin euphorisch zu der Hundertschaft der Teilnehmer: "Wenn jeder von uns zwanzig andere begeistert, ist schon viel passiert." (Thomas Mayer, 26.11.2021)