Die Grünen Annalena Baerbock und Robert Habeck gehen als Minister für Äußeres und Klimaschutz in die Regierung.

Foto: imago / Mike Schmidt

Berlin – Kaum haben SPD, Grüne und FDP in Deutschland ihren Koalitionsvertrag präsentiert, steht ihnen schon die nächste Etappe auf dem Weg in die Ampelregierung bevor. Die Spitzen aller Parteien müssen nun die Zustimmung der Basis einholen. SPD und FDP wollen das bei Parteitagen am ersten Dezemberwochenende tun.

Am aufwendigsten wird es für die Grünen. Dort dürfen die 125.000 Mitglieder die Entscheidung fällen. Sie können in den nächsten zehn Tagen digital oder per Brief abstimmen. Stimmt eine einfache Mehrheit für den Vertrag, gilt er als angenommen. Ein Quorum gibt es nicht.

Gerangel um Ministerposten

Eigentlich hätte zu Beginn der Beratungen die Ministerliste der Grünen feststehen sollen. Fix war lange nur, dass Parteichef Robert Habeck ein Superministerium für Klima und Wirtschaft bekommt und dass seine Co-Chefin Annalena Baerbock Außenministerin wird. Dann hieß es am Donnerstagnachmittag, die Präsentation werde noch dauern. Schließlich wurde sie auf den Abend und dann auf den Freitag verschoben. Hintergrund war ein Machtkampf um das Landwirtschaftsministerium.

Für dieses hatte die Grünen-Spitze den ehemaligen Parteichef Cem Özdemir im Blick, einen Realo. Doch dagegen wehrte sich der linke Flügel, der Fraktionschef Anton Hofreiter favorisiert. Laut übereinstimmenden Medienberichten soll sich Özdemir durchgesetzt haben. Das gehe aus einem Schreiben von Bundesgeschäftsführer Michael Kellner an Parteimitglieder vom Donnerstagabend hervor.

Demnach bekommen die Parteilinken dafür drei andere Posten: Anne Spiegel, die bisherige Klimaministerin von Rheinland-Pfalz, wird demnach Familienministerin. Steffi Lemke solle Umweltschutzministerin werden, berichtet die "SZ". Ex-Parteichefin Claudia Roth werde Staatsministerin für Medien und Kultur im Kanzleramt. Habeck soll auch Vizekanzler werden.

Haken Umweltschutz

Unter den Grünen dürften auch die lautesten Kritiker des Koalitionsvertrags zu finden sein – auch wenn Habeck betont: "Wir sind auf einem 1,5-Grad-Pfad." Die Klimaschutzaktivisten von Fridays for Future erklären: "Der aktuelle Koalitionsvertrag allein reicht für die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze nicht aus. Mit ihren vorgelegten Maßnahmen entscheiden sich die drei Parteien bewusst für eine weitere Eskalation der Klimakrise."

Greenpeace ist zwar über den Ausbau der erneuerbaren Energien auf 80 Prozent bis 2030 erfreut, sieht aber zu wenig Klimaschutz beim Verkehr. Deutschland werde nicht schneller aus dem Verbrennungsmotor aussteigen als ohnehin von der EU geplant.

Verkehr als Problemfall

"Der Verkehr wird absehbar der Problemfall der Ampel beim Klimaschutz", sagt Greenpeace-Chef Martin Kaiser.

Das Verkehrsministerium, das in den vergangenen Jahren von Andreas Scheuer (CSU) geleitet worden war, ging bei den Koalitionsverhandlungen überraschend nicht an die Grünen, sondern an die Liberalen.

Dass die Verhandlungen nicht immer einfach waren, berichtete Grünen-Chefin Baerbock. "Wir hatten die Nase auch mal richtig voll, weil wir das Gefühl hatten, für den Klimaschutz sind nur die Grünen verantwortlich", sagte sie über die Koalitionsgespräche.

Nicht traurig ist Habeck angesichts der Übernahme des Finanzministeriums durch FDP-Chef Christian Lindner. Habeck hätte den Posten ja gern selbst gehabt. Nun aber erklärte er, das sei "völlig in Ordnung". Das Finanzministerium sei "im besten Fall ein Ermöglichungsministerium und im schlimmsten Fall ein Verhinderungsministerium".
Die FDP war die erste der Ampelparteien, die ihre komplette Kabinettsliste vorgelegt hat. Sie wird neben dem Finanzministerium noch drei Ressorts übernehmen.

Debatte über Gesundheit

Der parlamentarische FDP-Geschäftsführer Marco Buschmann wird Justizminister, der bisherige Generalsekretär Volker Wissing Verkehrsminister. Und die hessische FDP-Politikerin Bettina Stark-Watzinger soll an der Spitze des Bildungsministeriums stehen.

Etwas mehr Zeit lässt sich die SPD, die für die Besetzung des Gesundheitsministeriums zuständig ist. Sie will sich erst Anfang Dezember positionieren. Nicht klar war am Donnerstag, ob ein Gesundheitsminister Karl Lauterbach Chancen hat. Der künftige Kanzler Olaf Scholz (SPD) soll eine Frau für diesen Posten favorisieren. (Birgit Baumann aus Berlin, 25.11.2021)