Grafik: Der Standard

In den USA lagen ausgeklügelte Katastrophenpläne in den Schubladen, aber das Land bekam die Pandemie lange Zeit kaum in den Griff. Und auch Großbritannien traf das Coronavirus zunächst völlig unvorbereitet. Wie kann das sein? Schließlich kommen Pandemien immer und immer wieder vor, wie Niall Ferguson in seinem Buch Doom zeigt – auch in jüngerer Vergangenheit.

Niall Ferguson, "Doom". 28,95 Euro / 592 Seiten. DVA, 2021
Cover: DVA

Der Historiker warnt davor, bei der Frage der Verantwortung vorschnell auf die politischen Spitzen zu zeigen, obwohl es etwa im Fall der beiden englischsprachigen Länder so naheliegend erscheinen mag. Es sei nicht Aufgabe der Staatsspitzen, festzustellen, ob ihr Land von einer tödlichen Pandemie bedroht ist und, wenn ja, was dann zu tun ist. Dafür gibt es eigene Behörden, die auch die Regierungschefs informieren. Und eine Öffentlichkeit, die dem Tun der Regierung ein Stück weit Grenzen setzt.

Versagen der Akteure

Eine These des Buchs: Ereignisse wachsen sich dann zu Katastrophen aus, wenn institutionelle und gesellschaftliche Netzwerke das auch zulassen. Die auf dem Papier bestens auf die Pandemie vor bereiteten USA gaben eine fürchterliche Figur ab, weil zahlreiche Akteure versagten.

Der Präsident tat phasenweise einfach so, als sei die Pandemie ein Schnupfen, gleichzeitig war aber völlig unklar, welche Behörde beim Krisenmanagement das Sagen hatte. Einreiseverbote für Europa und China waren zwar zu spät und schlecht umgesetzt, gingen aber gesundheitspolitisch in die richtige Richtung. Ferguson erinnert allerdings daran, wie groß der mediale Gegenwind für solche Maßnahmen war.

In Doom geht es um mehr als die Corona-Pandemie, aber sie ist der Anlass für die tiefergreifende Auseinandersetzung mit Katastrophen. Seine These veranschaulicht Ferguson am Beispiel zahlreicher Katastrophen.

Hinter der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl steht institutionelles Versagen. Hinter der Explosion des Spaceshuttles "Challenger" auch. Und so weiter. Der Autor vermisst das Gemeinsame von Katastrophen – egal wie groß diese sind. Das hilft dabei, sie besser zu verstehen. Ob es auch hilft, sie zu verhindern, darf bezweifelt werden. (Aloysius Widman, ALBUM, 3.12.2021)