Das Buch Blaue Frau von Antje Rávik Strubel, das in diesem Jahr mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde, hier vorzustellen ist kein kreativer Alleingang, aber man kann diesen Roman nicht genug loben.

Die in Potsdam lebende Autorin mischt schon eine ganze Weile im Literaturbetrieb mit, übersetzt auch literarische Größen wie Joan Didion oder Virginia Woolf aus dem amerikanischen Englisch oder schreibt Gebrauchsanweisungen für Potsdam, Schweden oder auch fürs Skifahren.

Antje Rávik Strubel, "Blaue Frau" 24,70 Euro / 428 Seiten. S.-Fischer-Verlag, 2021
Cover: S. Fischer Verlag

Blaue Frau ist bereits ihr neunter Roman. Mit dieser gewaltigen Geschichte über eine Frau, die zuerst aus ihrem tschechischen Heimatdorf und später vor einer Vergewaltigung an ihr und den ungeheuerlichen Peinigern in der ostdeutschen Provinz bis in den Norden Europas flüchtet, hat sich Strubel ganz an die Spitze deutschsprachiger Autorinnen geschrieben.

Inneres Exil

Adina heißt die nach außen nicht sichtbar, dennoch schwer verletzte Protagonistin in diesem klug komponierten Roman, die irgendwann als illegale Arbeiterin in einem Hotel in Helsinki untertaucht, aber weder in einer neuen Liebesbeziehung mit Leonides, einem EU-Abgeordneten und Menschenrechtsprofessor, noch in ihrem inneren Exil Schutz findet.

Aber Adina ist nicht nur Adina, manchmal ist sie Nina oder Sala oder auch "der letzte Mohikaner" und erinnert daran, dass auch ihre Schöpferin, die Autorin Antje Strubel, im Sinne einer Erweiterung der eigenen Identität "Rávik" einen Raum im eigenen Namen gegeben hat. "Im Unerkundbaren kommen wir einander nah", schreibt Strubel und zitiert Ilse Aichinger.

Der Deutscher-Buchpreis-Gewinner-Roman ist trotz seiner unglaublich poetischen Sprache ein knallharter Europaroman über die Zweiklassengesellschaft, eine nicht nur abenteuerliche, sondern auch albtraumhafte Ost-West-Migrationsgeschichte, ein feministisches Menschenrechtsplädoyer und ein queerer Identitätsroman.

Und trotz allem ist er tröstlich. Da ist immer wieder die Blaue Frau, die auftaucht. Im rettenden Hafen von Helsinki. "Schreiben bedeutet, sich das eigene Denken anzusehen", sagt Antje Rávik Strubel. Mit Blaue Frau ist das der Autorin auf geniale Weise gelungen. (Mia Eidlhuber, ALBUM, 9.12.2021)