Wer in einer Großstadt wie Wien Musik machen will, hat es nicht leicht. Die Nachbarn sind früher oder später so genervt, dass sie regelmäßig die Polizei rufen. Das sind noch die harmlosen Geschichten. Es gibt auch grausige Erzählungen von stickigen Kellern in zwielichtigen Teilen der Stadt, oft ohne Toiletten, weshalb sich Punkbands dann bemüßigt fühlen, einfach in den Keller zu pinkeln. Und mit Schimmel in den Räumen, der das Equipment einer ganzen Band zerstört.

Wer sich das alles nicht antun will, kann sich aber auch in eigens dafür angelegte Proberäume einmieten. Musikvereine wie etwa Beatboxx bieten oft zu ihren Unterrichtsräumen auch mietbare Proberäume an. Für Mitglieder gibt es den All-You-Can-Beat-Tarif. Ab 55 Euro im Monat kann man so viel und so oft trommeln, wie man will, eine On-demand-Option gibt es auch.

Wohnungen gefragter

In der vor kurzem eröffneten Music Box des Österreichischen Siedlungswerks (ÖSW) im Sonnwendviertel wurde ein Serviced-Apartments-Konzept mit schallentkoppelten Flächen im Untergeschoß für Musikerinnen und Musiker umgesetzt. Schallentkoppelt bedeutet, dass Wand- und Bodenbeläge von Wänden und Decken durch ein weiches Material, zum Beispiel eine Dämmschicht, getrennt sind. Hier soll es Proberäume sowie einen Instrumentenverleih geben. Während die ersten der 161 Room4rent-Apartments bereits übergeben wurden, warten die klingenden Räume noch auf ihre Fertigstellung.

Bild nicht mehr verfügbar.

Hart arbeitende Schlagzeuger sind nicht nur verdammt laut. Sie riechen gezwungenermaßen nach einiger Zeit auch streng.
Foto: Getty Images

Die Immobilienrendite AG setzte vor zwei Jahren in einer ehemaligen Tankstelle am Handelskai ein Projekt mit vier Proberäumen um. Die sind heute fix vermietet, und das mit 16 bis 25 Euro netto pro Qua dratmeter zu einem höheren Preis, als man ihn bei Hobby- oder Büroräumen verlangen könnte, sagt Vorstand Markus Kitz-Augenhammer im Gespräch mit dem STANDARD. Mehr in diese Richtung geplant sei allerdings nicht. "Die Nachfrage nach Wohnungen ist so groß, dass so etwas leider gerade unrealistisch ist."

Die Sweet-Spot-Suche

Um einen guten Proberaum zu bauen, braucht es vor allem zwei Sachen: trockene Räume und eine gute Schallisolierung. Denn oft – wie oben schon angesprochen – finden Musikerinnen und Musiker feuchte Kellerräume vor, die nicht nur das Equipment, sondern auch die Gesundheit gefährden. Deswegen sind auch gute Lüftungssysteme ein Muss – und ein gutes Mittel gegen die Ausdünstungen nasser Schlagzeugerachseln. Zudem will man, wenn man schon so einen Raum anmietet, so laut spielen, wie man will. Ist das nicht gegeben, ist so ein Proberaum ziemlich nutzlos. Meist wird ein Raum-in-Raum-Konzept genutzt, um eine solche Schalldämmung zu erreichen.

Geht man einen Schritt weiter und beschäftigt sich mit Studios, ist die innere Akustik noch wichtiger. Um hier den perfekten Ort innerhalb des Raums zu finden, gibt es beispielsweise bei Schlagzeugern die sogenannte Sweet-Spot-Suche. Dafür geht man mit Standtom, einer Trommel, die viel Bass erzeugt, durch den Raum und schlägt regelmäßig auf das Fell. Wichtig ist, den Ort zu finden, an dem die Bässe sich optimal im Raum ausbreiten können. Hinzu kommen noch Absorber, die angebracht werden, damit der Hall nicht so stark ist und die Aufnahme am Ende nicht verwaschen klingt.

Innerhalb der Szene gibt es immer wieder Beschwerden, dass es in anderen europäischen Städten mehr Unterstützung für junge Künstlerinnen und Künstler von der öffentlichen Hand gebe. "In Wien gibt es, vor allem was den Platz für Proberäume und Studios angeht, zwar auch einiges. Aber das ist meist von privaten Communitys oder Personen betrieben", sagt ein Insider. Wichtig seien vor allem Räume, in denen verschiedene Musikerinnen und Musiker interdisziplinär zusammenkommen könnten. "Orte, wo Spezialisten aufeinandertreffen, man sich gegenseitig hilft und dadurch neue Projekte entstehen können."

Der Markt ist da

Des Weiteren könnten Proberäume und Musikstudios auch eine Idee für unbelebte und leerstehende Erdgeschoße oder generellen Leerstand sein. Wie die Beispiele Music Box oder die umgebaute Tankstelle zeigen, ist ein Markt vorhanden. Es braucht nur Mutige, die das Projekt in die Hand nehmen wollen. Für Proberäume ohne Schimmel, Urin und stickige Luft. (Thorben Pollerhof, 27.11.2021)