Gute Geschäfte mit der SPÖ: Gerhard Milletich, Miteigentümer des Bohmann-Verlags und seit kurzem ÖFB-Präsident.

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Wien – Die Rechercheplattform "Dossier" hat Auskunft der Stadt Wien über Inseratenbuchungen in einem SPÖ-nahen Verlag bis hinauf zum Verwaltungsgerichtshof erstritten, weil sich die Stadt weigerte, diese zu erteilen. Es handelte sich um 170.720 Euro, wie "Dossier" in einem am Freitag veröffentlichten Artikel mit dem Titel "Geheime Geschäfte" schreibt – und auch via Twitter kommuniziert. Kritik an der SPÖ Wien hagelt es von der ÖVP, der FPÖ und den Grünen. Sie fordern eine lückenlose Aufklärung. Für die Stadt Wien wurden einfach nur die Vorgaben des Medientransparenzgesetzes erfüllt.

Die Stadt nutzte auch hier eine Lücke im Medientransparenzgesetz, wonach Buchungen in Medien, die seltener als viermal im Jahr erscheinen, nicht zu melden sind. Magazine, die nur ein-, zwei- oder dreimal pro Jahr herauskommen, gelten als nichtperiodische Druckwerke. Entsprechende Inseratenschaltungen müssen nicht gemeldet werden. Auch Buchungen, die unter der Bagatellgrenze von 5.000 Euro liegen, müssen nicht offengelegt werden.

Bohmann-Verlag

Konkret handelt es sich hier um Buchungen in Firmen der Dietrich Medien Holding GmbH, besser bekannt als Bohmann-Verlag, die "Dossier" unter die Lupe genommen hat. Im Gerichtsverfahren ging es um das "Preview – Magazin für aktive Freizeitgestaltung", das im Jahr 2017 zweimal dem "Schau-Magazin" beilag, das sechsmal jährlich von demselben Verlagshaus herausgegeben wird.

Da die Stadt die Auskunft zu den Kosten dieser Inseratengeschäfte mit dem Hinweis verweigerte, man würde "Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse preisgeben, die für Mitbewerber von Interesse wären", zog "Dossier" 2018 vor das Verwaltungsgericht Wien.

170.000 Euro

Die Stadt heuerte die Anwaltskanzlei Schwartz, Huber-Medek und Pallitsch (SHMP) an und ging durch alle Instanzen. 2021 entschied der Verwaltungsgerichtshof: Die Auskunft über einzelne Inseratengeschäfte sei zu erteilen, so "Dossier": "Nur für ein einziges billig produziertes Heftchen, das einem anderen Magazin des Bohmann-Verlags beigelegt wurde, gab die Stadt Wien 170.720 Euro an Steuergeld aus."

"Dossier" berichtete von 13 ähnlich gelagerten Fällen aus dem Hause der Dietrich Medien Holding GmbH, hinter der Gerhard Milletich, seit kurzem ÖFB-Präsident, und Gabriele Ambros als Eigentümer stehen. Beide sollen bestens mit der SPÖ vernetzt sein. Milletich kandidierte 2012 auf einem hinteren Listenplatz der SPÖ für den Parndorfer Gemeinderat. Von 2013 bis 2021 produzierten sie im Auftrag der Stadt etwa die Monatszeitschrift "Mein Wien". Kostenpunkt: 133 Millionen Euro, schreibt "Dossier" unter Berufung auf einen Gemeinderatsbeschluss aus dem Jahr 2013.

"Richtig schlecht und richtig billig gemacht"

"Dossier" stellt die Frage, ob es bei dem Deal darum ging, "Steuergeld heimlich aus der Stadt an einen Verlag mit SPÖ-Nähe zu schleusen". "Preview" sei "richtig schlecht und richtig billig gemacht" und wird von "Dossier" so beschrieben: "Ein kleines, unscheinbares Heft, 32 Seiten im A5-Format; voll mit alten Artikeln, etlichen Nachdrucken bereits erschienener Texte, die mitunter einfach von Webseiten der Stadt ins Heft kopiert wurden. 'Preview' gab es weder in der Trafik zu kaufen, noch konnte man es abonnieren. Es gab keine Website, keinen Facebook-, Instagram- oder Twitter-Account."

In einem parallel laufenden Verfahren wollte "Dossier" die Kosten einer anderen Beilage aus dem Hause Milletich & Ambros in Erfahrung – und bekam auch in diesem Fall recht, so die Rechercheplattform. Wieder war die Stadt gezwungen, die Summe offenzulegen: wieder exakt 170.720 Euro. "Dossier" hat laut eigenen Angaben im Zeitraum 2012 bis 2017 zwölf weitere Beilagen gefunden, die nicht gemeldet wurden.

16.954 Belege

In einem weiteren Gerichtsverfahren, das der Datenjournalist Markus Hametner initiiert hat, gehe es 16.954 Belege zu mutmaßlichen Inseratengeschäften, die vom ersten Quartal 2017 bis zum ersten Quartal 2021 nicht gemeldet wurden. Die Belege händisch zu durchforsten und danach offenzulegen sei "wirtschaftlich nicht gerechtfertigt", argumentiert die Stadt. Jetzt sind die Gerichte am Zug.

Reaktionen der Parteien

Die ÖVP zeigte sich angesichts dessen empört. "Die SPÖ-geführte Bundeshauptstadt Wien hat die nun ans Tageslicht gekommenen geheimen Inseratendeals, mit denen mutmaßlich ihr nahestehende Verlagshäuser regelrecht angefüttert wurden, umgehend aufzuklären", forderte der Wiener ÖVP-Abgeordnete und Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl. Illegales vermutete die FPÖ: "Eine anonyme Sachverhaltsdarstellung liegt auf dem Tisch. Auch die Inseratenpraxis der Stadt rund um den sozialen bzw. geförderten Wohnbau muss ausgeleuchtet werden", meinte Wiens FPÖ-Obmann Dominik Nepp und attackierte auch die Neos als SPÖ-Koalitionspartner.

Auch von den Grünen kam via Twitter Kritik: "SPÖ Wien inseriert Stadt-Wien-Geld bei SPÖ-Freunden und zeigt keinen einzigen Beleg her. Der Koalitionspartner @NeosWien wird angelogen wie wir zuvor. Das Verwaltungsgericht Wien zwingt jetzt die Stadt, vulgo die SPÖ, diese Daten offenzulegen", kommentierte Klubchef David Ellensohn die Causa. Gleichzeitig betonte er: "ÖVP und SPÖ machen dasselbe. Inserieren und auf gute Berichterstattung 'hoffen'. Kurz und Ludwig in dieser Frage nicht unterscheidbar, Ludwig gibt sogar mehr pro Kopf aus."

Seitens der Neos hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme, dass man diese Deals in der Vergangenheit als Oppositionspartei immer kritisiert habe. Es sei nicht einzusehen, dass hier intransparent mit Steuergeldern umgegangen wurde. Es sei den Neos daher wichtig, ein Transparenz-Netz einzuziehen und in der Stadt-Kommunikation als Regierungspartei einige Dinge neu zu gestalten. Das beinhalte den Transparenzbericht für die Jahre ab 2021 und die im Mai bekannt gegebene Neuorganisation der Stadtkommunikation.

Stellungnahme der Stadt Wien

In einer Aussendung reagiert auch der Presse- und Informationsdienst der Stadt Wien (MA 53), bei dem die Werbebuchungen angesiedelt sind. Die Vergabe von Inseratenschaltungen durch die Stadt Wien erfolge nach "klaren und nachvollziehbaren Kriterien und unter Einhaltung aller rechtlichen Vorschriften". Und: "Weder werden – wie im Artikel geschrieben – 'geheime Geschäfte gemacht', 'vorbeigeschleust', 'Lücken genutzt' oder 'Tricks gemacht', sondern die Vorgaben des MedKF-TG befolgt."

Die Verfahren würden deswegen geführt, "um die entsprechende Rechtssicherheit herzustellen, welche Zahlen und Summen offengelegt werden müssen und welche nicht offengelegt werden dürfen", so Martin Schipany, Dienstellenleiter des Presse- und Informationsdienstes. Und weiter: "Die Berichterstattung der 'Rechercheplattform' ist wohl bewusst lückenhaft, denn während von einer 'unsichtbaren Beilage' berichtet wird, für die diese Auftragssumme aufgewendet wurde, ist vielmehr richtig, dass um die genannte Medienkooperationssumme das Produkt an sich bezahlt wurde, sowie die Beilage zu einem Magazin inklusive Direktabo-Vertrieb, zwei reichweitenstarken Tageszeitungen in Wien, Der Standard und Kurier, Point of Interest-Verteilung sowie Zurverfügungstellung im Morawa-Kiosk." (red, APA, 26.11.2021)