Die Wiener haben sich beim Fisch immer schon mehr gen Osten als gen Süden orientiert. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Adria doch lang sehr weit weg war, und als es dann endlich gekühlte Eisenbahnwaggons und durchgehende Schienen gab, war schon wieder Schluss mit den Inlandshäfen.

Die ungarische Donau hingegen war immer schon nah an Wien, und die war und ist seit Jahrhunderten viel fischreicher als die österreichische – weil sie in großen Teilen immer noch nicht reguliert ist und ihre Zuflüsse vielleicht doch noch ein Alzerl wärmer sind. Der Neusiedler See und selbst der Balaton liegen ebenfalls im Einzugsgebiet, und der traditionelle Lieblingsfisch des Österreichers, der Karpfen, kam ohnehin vorwiegend aus böhmischen und mährischen Teichen.1

Ideal, um sich dem Angstgegner "ganzer Fisch" zu stellen.
Foto: Tobias Müller

Da verwundert es wenig, dass auch eines der liebsten Fischgerichte der Österreicher aus dem Osten stammt: die Halászlé, die paprizierte, gern als ungarisch bezeichnete Fischsuppe. Ich habe diese Suppe zugegeben lange nicht wirklich ernst genommen, bis ich in Bosnien eine paprizierte Karpfensuppe vorgesetzt bekommen habe. Sie war (gemeinsam mit einem ebendort über offenem Feuer gegrillten Steckerlkarpfen) das kulinarische Highlight dieser Reise: würzig, üppig, aufregend, befriedigend, gut, vor allem mit den sauer eingelegten scharfen Paprika und dem flauschig-süßen Weißbrot, die dazu gereicht wurden.

Angstgegner

Halászlé hat, wie so viele Fischsuppen, zwei riesige Vorteile: Erstens, sie ist furchtbar einfach. Das ist eine kaum zu überschätzende Qualität, vor allem in einem Land, das dem Fisch und seiner Zubereitung traditionell so skeptisch gegenübersteht. Auch der unerfahrene (Fisch)koch braucht sie nicht zu fürchten, sie ist im Gegenteil eine wunderbare Gelegenheit, sich dem Angstgegner ganzer Fisch zu stellen.

Es ist ein simples burgenländisches Rezept.
Foto: Tobias Müller

Und zweitens, sie ist irrsinnig vielseitig und kann auf unterschiedlichste Arten interpretiert werden – vom rustikalen dicken Eintopf bis hin zu einem eleganten, leichten Gericht. In ihrer einfachsten Variante ist sie eine fast klare Suppe mit nichts außer Fisch, Zwiebel und Paprika, am anderen Ende des Spektrums steht ein Eintopf, der so dick ist, dass der Löffel darin stehen bleibt.

Halászlé heißt laut Wikipedia einfach "Fischersuppe". Die Legende erzählt, dass die Suppe einst von den ungarischen Fischern (und sicher auch anderen) direkt am Fluss zubereitet wurde, wenn sie an den Ufern der Donau am Lagerfeuer ihre Pause einlegten.

Kleine Fische sind für den Geschmack der Suppe immer noch eine gute Idee, auch wenn es mittlerweile schwierig geworden ist, sie zu bekommen, und sie aufgrund der vielen Gräten eher Würze als Substanz sind.
Foto: Tobias Müller

Wir dürfen annehmen, dass sie alles Mögliche hineingegeben haben und, weil Fischer selten reich sind, wahrscheinlich jene Dinge, die sie zur Genüge hatten und nicht verkaufen konnten: Köpfe, Abschnitte und vor allem kleine, grätenreiche Fische wie Brachse, Rotauge oder Nase, dazu Paprika und Zwiebel als Würze, Brot und Kartoffeln, Rogen, Milchner und andere Innereien für die Substanz.

Wilde Kräuter

Heute kommen die Halászlé-Bewohner allermeistens aus Teichen oder zumindest Seen. Kleine Fische sind für den Geschmack der Suppe immer noch eine gute Idee, auch wenn es mittlerweile schwierig geworden ist, sie zu bekommen, und sie aufgrund der vielen Gräten eher Würze als Substanz sind. Auch die Fischeier passen wunderbar, wenn Sie, wie ich, so was mögen.

Ich habe mich für die folgende Halászlé an einem sehr simplen burgenländischen Rezept orientiert und es ein wenig variiert, vor allem weil ich gerade in Süditalien bin. Erstens habe ich Meeresfisch (Seeteufel) genommen, weil der hier deutlich leichter zu bekommen ist als Karpfen. Zweitens habe ich die Suppe außer mit Chili und Paprika mit wildem Fenchel gewürzt – weil er köstlich ist, hervorragend zu Fisch passt, hier überall wächst und ich mir denke, dass wilde Kräuter ganz im Sinn der ungarischen Donaufischer sind.

Verwenden Sie für die Halászlé idealerweise mindestens zwei, noch besser drei oder vier verschiedene Fische – wie bei allen Fischsuppen gilt auch hier: Je mehr verschiedene Tiere in den Sud kommen, desto besser.
Foto: Tobias Müller

Das nächste Mal werde ich in der Italianisierung noch einen Schritt weiter gehen und Nduja statt Paprikapulver verwenden. Ich bin mir ziemlich sicher, dass auch die Erfinder der Suppe einst Schweineschmalz zum Rösten der Zwiebel verwendet haben, und Schwein passt sowieso hervorragend zu üppigen Fischen (etwa Bacalao, den die Kalabrier gern mit Nduja kochen).

Den grünen Paprika, der oft hineinkommt, habe ich hingegen weggelassen, weil grüner Paprika meiner Meinung nach nicht für den menschlichen Verzehr geeignet ist.

Halászlé, mehr oder weniger klassisch

Filetieren ist für die Halászlé nicht nötig, ich finde die Fische dafür besser in Koteletts (also quer) geschnitten – besonders gut geht das mit einem großen Brotmesser. Sie haben dann zwar keine ganzen Karkassen, aber die Köpfe und Schwanzflossen reichen für die Suppe. Halten Sie das, wie Sie wollen. Der Karpfen ist ein Klassiker in der Halászlé und geschmacklich fantastisch, essfreundlicher, weil grätenärmer, sind Zander und Wels.

Verwenden Sie für die Halászlé idealerweise mindestens zwei, noch besser drei oder vier verschiedene Fische – wie bei allen Fischsuppen gilt auch hier: Je mehr verschiedene Tiere in den Sud kommen, desto besser. Ich koche jedes Mal, wenn ich Fisch esse, aus den Resten eine Suppe, friere Reste ein und benutze sie als Basis für die nächste Suppe – so entsteht mit der Zeit eine ziemlich vielseitige Kraftbrühe. (Weil in meiner aktuellen Suppe bereits Schwertfisch, Merluzzo, Shrimps und Rotbarben geschwommen sind, habe ich mich für die Fotosuppe auf einen Einlagefisch beschränkt. Trotzdem nicht ideal.)

Wenn Sie Ihre Halászlé simpel und schlank halten, braucht sie keine zusätzliche Säure; machen Sie sie dicker, empfehle ich einen Schuss Essig zum Abschmecken.

  • etwa 2 Kilo Fisch, wenn möglich im Ganzen, zum Beispiel Zander und Karpfen und Stöcke vom Wels (der ist etwas groß im Ganzen)
  • Lorbeerblatt und eventuell wilder Fenchel
  • etwa 2 Liter Wasser oder Fischsuppe
  • Schmalz oder Olivenöl (je nach Geschmack und gewünschter Eleganz)
  • 1–2 Zwiebeln, fein gewürfelt
  • 1 EL Tomatenmark
  • Chili nach Geschmack
  • 2–3 TL Paprikapulver
  • 1/4 l Weißwein
  • Rogen (optional)
  • 1 Schuss Essig (optional)

Für die Fischsuppe die Köpfe, Flossen und eventuelle kleine Würzfische zusammen mit dem Lorbeerblatt in einen Topf geben. Mit Wasser oder Fischsuppe bedecken und zum Köcheln bringen. Halb zugedeckt etwa eine Stunde sieden lassen.

Schmalz oder Öl in einem Topf mit dickem Boden erhitzen und die Zwiebeln darin langsam glasig werden lassen. Gern ein wenig damit Zeit lassen, damit sie schön weich werden. Chili und Paprika zugeben, kurz mitrösten und mit dem Weißwein ablöschen. Tomatenpaste zugeben und köcheln, bis eine dicke Sauce entsteht.

Mit der Fischsuppe aufgießen und zum Sieden bringen. Wer will und kann, rührt jetzt ausgestreiften Rogen ein und lässt alles noch einmal aufwallen. Nun die Fischstücke einlegen, von der Hitze nehmen und fünf bis zehn Minuten zugedeckt ziehen lassen, je nach Dicke des Fisches.

Mit reichlich Weißbrot und Fenchelsalat oder eingelegten Pfefferoni servieren. (Tobias Müller, 28.11.2021)

PS: Dieser Blogeintrag ist aus zwei Buchprojekten entstanden: einerseits "Wie schmeckt das Burgenland?", aus dem die Vorlage für das Rezept stammt und in dem einiges über die Fische und Fischer des Neusiedler Sees steht; und andererseits einem Fischkochbuch, an dem ich gerade mit Lukas Nagl arbeite, dem vielleicht besten Fischkoch des Landes. Mehr dazu hoffentlich in Kürze und im "Gruß aus der Küche"-Newsletter: grussausderkueche.substack.com