Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden und Gemeinden ab 10.000 Einwohnern müssen ab Jänner einen internen Meldekanal haben, der anonyme Hinweise auf Rechtsverstöße ermöglicht. Das verlangt die Whistleblower-Direktive der EU aus dem Jahr 2019. Am 17. Dezember sollte diese Vorgabe eigentlich bereits in nationales Recht gegossen sein. Österreich ist, so wie die meisten EU-Länder, im Verzug. Das Institut für Interne Revision, die Branchenvertretung der Kontrollore in Unternehmen, hat in dieser Woche mit Fachleuten und einer Info-Veranstaltung Druck für eine breite Diskussion und eine rasche Umsetzung gemacht.

Frage: Wozu ist die Whistleblower-Richtlinie gut?

Antwort: Ziel der Richtlinie ist es, Verstöße aufzudecken und Unternehmen die Chance zu geben, rechtzeitig auf internes Fehlverhalten zu reagieren und so öffentliche Skandale zu vermeiden und Aufdeckung durch Medien geordnet vorzugreifen.

Frage: Für wen gilt sie?

Antwort: Betroffen sind kleine und große Unternehmen ab 50 Mitarbeitern, Einrichtungen des öffentlichen Sektors, Behörden sowie Gemeinden ab 10.000 Einwohnern müssen EU-weit künftig sichere interne Meldekanäle für Hinweisgeber bereitstellen. Für Unternehmen ab 250 Mitarbeitern gilt diese Pflicht bereits 2022, für Unternehmen zwischen 50 und 250 Mitarbeitern gibt es eine Übergangsfrist von weiteren zwei Jahren.

Frage: Kommt die Umsetzung in Österreich fristgerecht in den kommenden Tagen?

Antwort: Experten bezweifeln das. Ein Vertragsverletzungsverfahren der EU werde allerdings durch den Nachweis von "work in progress" vermieden. Zu erwarten sei lediglich eine zeitverzögerte Umsetzung.

Zivilcourage statt Zuschreibung von "Verrat" und "Vernaderung": Whistleblowing will die Kultur ändern.
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Frage: Was haben Unternehmen davon?

Antwort: Letztlich gehe es um den guten Ruf extern und intern, argumentieren Fachleute und erwarten mittelfristig einen "Kulturwandel" – weg vom Image der Hinweisgeber als Vernaderer und Verräter hin zu mehr Transparenz, weniger Korruption, mehr Vertrauen und klaren Prozessen für ethisches und anständiges Wirtschaften.

Frage: Was habe ich davon?

Antwort: Hinweisgeber sollen künftig nicht mit dem Ende der Karriere (oder schlimmeren Folgen) rechnen müssen, sondern unter Schutz ihrer Person, unter Wahrung der Anonymität, Verstöße melden können.

Frage: Gibt es schon Erfahrungen mit solchen Meldesystemen extern und intern?

Antwort: Die Finanzmarktaufsicht betreibt seit acht Jahren ein solches externes System, auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Die Stadt Wien hat heuer ein solches eingerichtet. Eingemeldet werde Relevantes, so die Verantwortlichen – das sei mit der Ausgestaltung der digitalen Formulare gewährleistet. Durch Compliance-Vorgaben stehen größere Unternehmen nicht mehr am Anfang des Prozesses, sondern haben bereits solche internen Systeme. Wie weit sie jeweils den EU-Vorgaben entsprechen, ist derzeit allerdings (noch) nicht klar.

Frage: Muss das Meldesystem digital sein oder reicht ein Postkasten?

Antwort: Experten empfehlen digitale Plattformen, um korrekte Kommunikation mit den anonymen Hinweisgebern sicherzustellen.

Frage: Wer ist in Unternehmen zuständig?

Antwort: Wo es interne Revision gibt, sollte sie die verantwortliche Stelle sein, möglich ist auch die Beauftragung externer Dienstleister.

Frage: Wie kann wirklich garantiert werden, dass ein Hinweis nicht das Karriereende bedeutet?

Antwort: Da bestimmte Informationen im Unternehmen nur bestimmte Gruppen haben oder bestimmte Gebarungen der Geschäftsführung nur wenigen Mitarbeitern zugänglich sind, bleibt absoluter Schutz der Anonymität ein heikles Thema. Bei wirklichen "Bomben" könnten externe Hinweisgeberplattformen die Alternative der Wahl bleiben.

Frage: Wo gibt es Informationen?

Antwort: Wirtschaftsprüfer und Berater haben das Geschäftsfeld mit Checklisten und Tools längst eröffnet. Servicepakete stehen u. a. auf den Websites der Finanzmarktaufsicht und des Instituts für Interne Revision zur Verfügung. (Karin Bauer, 27.11.2021)