Die Causa Media Team dürfte bald auch den Vorarlberger Landtag beschäftigen: Die Opposition arbeitet an Anträgen.

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Die Inseratenkorruptionsaffäre spielt sich zwar in der Wiener Innenstadt ab – aber auch am anderen Ende der Republik gibt es Konstellationen zwischen Medien und der Politik, die Expertinnen und Experten und Politiker als bedenklich einstufen.

Konkret geht es um ein Netzwerk in Vorarlberg zwischen der ÖVP bzw. ihrer Teilorganisation – dem Wirtschaftsbund – und dem Unternehmen Russmedia (benannt nach Gründer und Geschäftsführer Eugen Russ), das in Vorarlberg täglich neun von zehn Vorarlberger erreicht. Es werden zwei Tageszeitungen und sechs Wochenzeitungen produziert, über 40 Onlineportale und mehrere Apps betreut, mit Antenne Vorarlberg gibt es außerdem einen Radiosender und mit Ländle TV einen Fernsehsender.

Lukrative Doppelfunktion

Vor drei Wochen wurde in der Ö1-Sendung "Doublecheck" auf die "blinden Länderflecken" hingewiesen, darunter diese Vorarlberger Geschichte: Der Direktor des Vorarlberger Wirtschaftsbunds, Jürgen Kessler, hält knapp 50 Prozent an Media Team, einer Agentur, deren Hauptgeschäft es ist, das Anzeigengeschäft in verschiedensten Magazinen abzuwickeln – darunter auch die Zeitschrift der Wirtschaftskammer. Anteile an der Agentur – 40 Prozent – hält seit 2013 aber auch die Russmedia Verlags GmbH. Die restlichen zehn Prozent gehen auf den Geschäftsführer von Media Team, Markus Steurer, zurück.

Kessler verdient also an Anzeigengeschäften der Wirtschaftskammer als Geschäftsführer der in der Kammer dominierenden ÖVP-Fraktion. Hans-Peter Metzler ist Wirtschaftsbund-Obmann und somit Kesslers Chef, in der Wirtschaftskammer ist er Präsident. Und Kessler bringt der Kammer viele Inserenten: In der Bilanz für 2020 sind laut Ö1 für Inserate Erlöse von knapp 532.000 Euro verbucht – eine Steigerung um 7,5 Prozent gegenüber 2020.

Dass die Doppelfunktion lukrativ sein dürfte, darauf könnte auch ein Immobilienkauf hinweisen: 2020 kaufte die 3L Consulting, jene Firma, über die Kessler seine Anteile am Media Team hält, für 1,9 Millionen Euro ein 1728 Quadratmeter großes Grundstück mit einer Baufläche-Wohngebiet-Widmung in Vorarlberg.

Die Cashcow des Wirtschaftsbunds

Eine Cashcow ist jedenfalls auch das Magazin des Wirtschaftsbunds – "Vorarlberger Wirtschaft" – wo Kessler nicht nur Chefredakteur, sondern auch für das Anzeigengeschäft verantwortlich ist. Inserate (40 Seiten) bzw. Firmenpromotionen schmücken insgesamt 52 der 88 Seiten der Oktoberausgabe. Ein ganzseitiges Inserat kostet 3.000 Euro.

In der Vergangenheit waren auch immer wieder solche der Wirtschaftskammer dabei, was die Grüne Wirtschaft 2019 scharf kritisierte. Sie warf der Wirtschaftskammer vor, den Wirtschaftsbund bei Inseraten zu bevorzugen, während Medien der anderen Parteiorganisationen weniger gefördert würden. Die Österreichische Wirtschaftskammer (WKÖ) dementierte.

Die Kritik dürfte aber Wirkung gezeigt haben. Denn 2021 ist laut WKÖ nur ein Inserat in der Wirtschaftsbund-Zeitung geschaltet worden, 2020 keines. Was nicht heißt, dass die Wirtschaftskammer im Wirtschaftsbund-Blatt keine Rolle spielt. Im Gegenteil: Sieben der 88 Seiten im Oktobermagazin füllen Gespräche mit Fachgruppen-Obleuten der Kammer, auf einer Seite ist auch eine Wahlwerbung für Metzler gedruckt – die WK-Wahl fand allerdings erst 2020 statt.

Was in den Rechenschaftsberichten steht

Wenig verwunderlich, dass einige Vorarlberger Landtagsabgeordnete murren, der Verdacht, dass es hier um versteckte Parteispenden gehe, liege nahe. Inserate gelten laut Parteiengesetz zwar als Spenden, sie müssen aber erst ab 3.500 Euro ausgewiesen werden. Die 3.000 Euro für ein ganzseitiges Inserat in der Wirtschaftsbund-Zeitung liegen darunter.

In den Rechenschaftsberichten der Vorarlberger Volkspartei der letzten fünf Jahre heißt es bei den "Erträgen aus Veranstaltungen, aus der Herstellung und dem Vertrieb von Druckschriften sowie ähnlichen sich unmittelbar aus der Parteitätigkeit ergebenden Erträgen" jedenfalls jeweils: null. Und bei den "Spenden von Personen im Wert von mehr als 1.000 Euro an die Partei einschließlich der zuzuordnenden Landtagsfraktion, an Bezirks- und Ortsorganisationen sowie sonstige Teilorganisationen und einzelne Abgeordnete" heißt es 2017 und 2020: keine; 2018 und 2019 wird jeweils eine Spende angeführt. Nicht ersichtlich ist in dem Bericht, ob bzw. wie viel Geld vom Wirtschaftsbund an die Partei fließt.

Beim Wirtschaftsbund bleibt die Bitte des STANDARD, die Rechenschaftsberichte zu schicken, seit drei Wochen unbeantwortet.

Russmedia-Beteiligungen mit ÖVP-Anknüpfung

Und mittendrin Russmedia. Überschneidungen zur ÖVP gibt es aber nicht nur mit dem Media Team. Wie im Ö1-"Doublecheck" am Donnerstag berichtet wurde, greifen sowohl die "Vorarlberger Nachrichten" als auch die ÖVP auf den gleichen Meinungsforscher zurück. "Das funktioniert seit 50 Jahren mit der VN und der ÖVP, und alle Beteiligten sind zufrieden", sagt der Firmengründer zu Ö1. Die ÖVP erkundige sich immer wieder, "ob für die VN was ansteht. Und dann sprechen wir das ab, Doppelgleisigkeiten gibt es keine. Nur halt bei der Sonntagsfrage."

Beteiligt ist Russmedia – nicht die Verlags GmbH, sondern die Digital GmbH – auch an der Social-Media- bzw. Marketing-Agentur Towa. Das Unternehmen begleitete Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) 2019 im Wahlkampf, wurde aber auch bereits 2017 und 2018 von der ÖVP beauftragt. Geschäftsführer der Russmedia Digital ist Gerold Riedmann, der gleichzeitig Chefredakteur der "Vorarlberger Nachrichten" ist. Riedmann betonte 2019, dass er darin keine Unvereinbarkeit sehe. Man sei keine Denkschmiede für politische Parteien, es handle sich um eine reine Finanzbeteiligung.

Hafenecker fordert "Totalreform"

Auch in der Bundespolitik schlagen die Ländle-Konstruktionen Wellen. "Die Causa Media Team zeigt auf, wie tief der türkis-schwarze Inseratenkorruptionssumpf reicht. Man versucht damit nicht nur gefällige Berichterstattung zu kaufen, sondern auch ÖVP-Apparatschiks kräftig mitverdienen zu lassen. Es braucht daher eine Totalreform der Medienförderung und der Inseratenvergabe öffentlicher Stellen, damit dieses System endlich der Vergangenheit angehört", sagt der freiheitliche Mediensprecher Christian Hafenecker dem STANDARD.

Das angesprochene System existierte im Ländle auch bereits vor Jürgen Kessler. Als dieser noch Büroleiter von Ex-Landeshauptmann Herbert Sausgruber (ÖVP) war, hieß der Wirtschaftsbund-Direktor Walter Natter. Auch er war damals an der Media Team beteiligt. Mit dem Wechsel im Wirtschaftsbund kam es auch zum Wechsel im Media Team: Natter und die damalige Geschäftsführerin gaben ihre Anteile ab, Kessler und Geschäftsführer Steurer stiegen ein, Russmedia minimierte von 45 auf 40 Prozent.

Brandstötter sieht "Sumpf von Intransparenz und Freunderlwirtschaft"

Auch die Neos kritisieren das Vorarlberger Konstrukt, Mediensprecherin Henrike Brandstötter sieht "keine schöne Optik in einer extrem verworrenen Geschichte" und fordert, das eigentlich beschlossene, aber nie umgesetzte Parteienfinanzierungsgesetz in Vorarlberg nun endlich anzuwenden. "Beteiligungen von politiknahen Personen, die daran verdienen, dass mit Steuergeld Inserate geschaltet werden, das lehnen wir klar ab." In einem "Sumpf von Intransparenz und Freunderlwirtschaft" sei jahrelang ein sehr gut funktionierendes System entstanden. Damit müsse nun Schluss sein, es brauche maximale Transparenz.

Das angesprochene strengere Parteienfinanzierungsgesetz, das 2019 vom Landtag beschlossen wurde, sah nicht nur eine Begrenzung von Spenden und eine klare Wahlkampfkostenobergrenze vor, sondern auch umfassende Transparenzrichtlinien für Parteifinanzen sowie die Rechenschaftsberichte. Mit dem strengeren Gesetz müssten dort auch Einnahmen und Ausgaben von Teilorganisationen, Personenkomitees, Bünden sowie Landtagsklubs angegeben werden.

Blimlinger über "hochproblematische Verflechtungen"

Die grüne Mediensprecherin Eva Blimlinger will zum konkreten Fall zwar keine Stellungnahme abgeben, weil sie ihn nur aus den Medien kenne, sie übt allerdings grundsätzliche Kritik: "Verflechtungen zwischen redaktioneller Verantwortung und Anzeigenverkauf sind leider in manchen Medien gleichermaßen üblich wie hochproblematisch. Es ist leider gewissermaßen eine österreichische Unart."

Man mache es sich außerdem zu einfach, "wenn wir Inseratenkorruption auf wenige Personen und deren fragwürdige Chatprotokolle reduzieren. Sowohl auf Bundeseben als auch in den Ländern, von Bregenz bis Eisenstadt, wie man so schön und in diesem Fall auch treffend sagt, müssen Medienkooperationen transparenten Regeln unterworfen werden."

Einziger Kommentar: Kein Kommentar

In Vorarlberg, wo nach Bekanntwerden der Inseratenkorruptionsaffäre in Wien gerne ein "So sind wir nicht" betont wurde, wollen die Beteiligten zu einer möglichen Unvereinbarkeit keine Stellungnahme abgeben. Ö1-Journalisten sprechen gar von einer "Mauer des Schweigens", auf die man im "Russ-Land" gestoßen sei.

Kessler verwies auf den für diese Fragen nicht zuständigen Steurer, WK-Präsident Metzler war quasi untergetaucht, und aus dem Büro von Landeshauptmann Markus Wallner hieß es, "dass dies aktuell nicht das wichtigste aller Themen für uns ist." Ganz unabhängig davon werde es zu der Causa aber keine Stellungnahme der Vorarlberger ÖVP-Chefs geben, der in dieser Funktion für den Wirtschaftsbund verantwortlich ist. "Grundsätzlich kein Statement zu Beteiligungen" gibt es von Russmedia, wie auf eine Anfrage des STANDARD knapp geantwortet wird.

Rumoren bei Russmedia und ÖVP

In Vorarlberg berichtete bis dato nur der ORF über die Verflechtungen. In den Medien der Russmedia-Gruppe gab es hingegen keine Beiträge. Dort tätige Redakteure versichern allerdings, dass es keine Order gegeben habe, das Thema auszublenden. Ö1 berichtet einstweilen von Gerüchten, wonach sich Russmedia bald aus dem Media Team zurückziehen könnte.

Und auch in der ÖVP rumort es, zumindest unter den kritischen Geistern der Partei. Bleibt die Frage, ob ein Rückzug Kesslers – der parteiintern ohnehin nie sehr beliebt gewesen sei, wie in Vorarlberg erzählt wird – genügt oder ob sich die ÖVP doch mehr bewegen muss. Das fordert jedenfalls die Vorarlberger Opposition. Eine Anfrage ist dem Vernehmen nach in Arbeit, Wallner müsse außerdem zu der Causa Stellung beziehen. (Lara Hagen, 26.11.2021)