Die menschliche Geschichte ist eine der Expansion. Von Afrika ausgehend wurden viele Flecken der Erde bewohnbar gemacht und noch mehr beansprucht: Wälder wurden kleingehackt, Moore ausgetrocknet und Ufergegenden mit Sand aufgeschüttet, um immer neue Wohn- und Lebensflächen für die Menschheit zu schaffen.

In den wenigen nicht vom Menschen besetzten Teilen der Landkarte verhindern meist juristische und diplomatische Spitzfindigkeiten die Besiedelung. In seltenen Fällen, wie etwa bei der Antarktis, einigt man sich aber auch, ein Gebiet "als gemeinsames Erbe der Menschheit zu schützen und zu bewahren". Das geschieht freilich nicht nur aus rein idealistischen Gründen: Tatsächlich ist die Antarktis einfach ein wahnsinnig unwirtlicher Ort für menschliches Leben.

Derlei muss allerdings nicht zum finalen Ausschlussgrund für die Ausbreitungsgelüste des Menschen werden. Sowohl der Mars als auch der Mond gelten mit ihren kahlen Kraterlandschaften nicht unbedingt als Urlaubsparadies – trotzdem träumt die Menschheit seit Ewigkeiten von ihrer Besiedelung.

Gehört uns denn alles?

Gehört uns das denn auch alles, fragten sich einige, als Neil Armstrong und Edwin "Buzz" Aldrin 1969 erstmals ihre Füße auf den Mond setzten. Fast schon hektisch hatte man sich im Weltraumvertrag von 1967 zumindest darauf einigen können, dass kein Staat einfach so Ländereien und Gebiete auf anderen Planeten für sich beanspruchen kann. Im Mondvertrag von 1979 wurde schließlich nochmals nachgeschärft. In Artikel 11, Absatz 1 wurde festgelegt, dass der Mond und seine natürlichen Ressourcen das gemeinsame Erbe der Menschheit seien. Er gehört also allen – und damit irgendwie auch niemandem. Der Mondvertrag jedoch fand international wenig Unterzeichner und damit kaum Ansehen.

Aber wie sieht es beim Mars aus, dem aktuell größten Sehnsuchtsobjekt der Menschheit? Tatsächlich wird in keinem Vertragstext explizit festgeschrieben, dass es sich beim Mars oder anderen Himmelskörpern außer Mond und Erde um das "gemeinsame Erbe der Menschheit" handelt.

Im Weltraumvertrag ist lediglich von der "province of mankind", nicht der "heritage of mankind" die Rede. In den deutschsprachigen Vertragstext übersetzt bleibt dann nur mehr die "gemeinsame Sache der Menschheit" über. Dies wurde von jenen Staaten damals bewusst verwässert, die damit rechneten, dass man das Weltall vielleicht eines Tages doch zur persönlichen Bereicherung ausbeuten kann.

An der Erosion der Norm des gemeinsamen Erbes haben in den vergangenen Jahren besonders die USA ihren Beitrag geleistet. Unter der Trump-Regierung torpedierte man internationale Verträge und Zusammenarbeit, dazu versuchen immer mehr private Weltraumunternehmen, das All zu erobern.

Die Marsmikroben

Am Ende wird es darum gehen, wer effektiv seine Macht auf die Himmelskörper projizieren und seine Interessen verteidigen können wird. Da hilft keine diplomatische Depesche von der Erde. Es wird aber auch um die Frage gehen, ob wir das denn überhaupt wollen sollten. Können wir uns auf anderen Planeten ausbreiten, obwohl noch nicht eindeutig geklärt ist, ob dort vielleicht selbstständiges Leben existiert?

Zumindest skeptisch äußern sich aber nicht etwa strenggläubige Gruppierungen, die nur die Erde als einzig wahre, gottgegebene Destination betrachten, sondern einige der renommiertesten Biologinnen und Biologen der Welt. Ihre Sorge gilt Mikroben – in zweifacher Hinsicht.

Einerseits jenen, die durch den Menschen auf den fernen Planeten gelangen und das "Leben" vor Ort kräftig durcheinanderwirbeln oder sogar auslöschen könnten, bevor wir es untersuchen konnten. Dazu besteht die Gefahr, dass Astronauten bei ihren Entdeckungen fälschlicherweise nur das mitgebrachte Leben "entdecken". Andererseits bereiten auch jene Mikroben Sorge, die eventuell – so sich eine menschliche Siedlung auf dem Mars etabliert – auf die Erde zurückgebracht werden und hier Schaden anrichten könnten. Neil Armstrong und Co verbrachten deshalb ihre ersten drei Wochen nach der Mondlandung in irdischer Quarantäne – auch wenn sich später herausstellte, dass der Mond dank fehlender Atmosphäre mikrobenfrei ist.

Welches Leben?

Deshalb galten bei allen bisherigen Missionen der Weltraumnationen strenge Sicherheitsvorkehrungen vor allem auch für die sorgfältige Sterilisation aller technischen Geräte. Gar keine Mikroben mitzutransportieren ist aber wahnsinnig schwierig, wie neue Studien belegen. So könnte etwaiges Leben, das auf dem Mars entdeckt werden könnte, vielleicht schon von den ersten Sonden in den 1970ern eingeschleust worden sein, befürchten manche Forscher.

Präsident Richard Nixon empfängt die Mondrückkehrer zu Beginn ihrer dreiwöchigen Quarantäne. Marsbesuchern droht Vergleichbares.
Foto: imago images / UPI Photo

Für bemannte Marsmissionen wurden ebenfalls Direktiven erstellt – mikrobenfreie Menschen auf den Planeten zu entsenden ist jedoch quasi unmöglich. Noch dazu gab es bereits Vorstöße und (abgelehnte) Gesetzesvorschläge, die Regularien für private Weltraumkonzerne zu lockern.

Mit der Erforschung neuer Kontinente schleppten Europäer teils verheerende Krankheiten ein, die Millionen Menschen das Leben kosteten. Die entscheidende Frage wird sein, ob diese schlimmen Erfahrungen ausreichen, um genügend Sicherheitsvorkehrungen für etwaiges extraterrestrisches Leben zu garantieren, wenn wir uns erneut irgendwo breitmachen.

Und ist diese Vorsicht überhaupt gerechtfertigt, wo wir auf der Erde jede Sekunde Milliarden von Mikroben töten? (Fabian Sommavilla, 29.11.2021)