Die Omikron-Variante bereitet Wissenschaftern Sorgen.

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Berlin/London/Tel Aviv – Im Kampf gegen die neue, aus dem südlichen Afrika stammende Omikron-Variante des Coronavirus schottet Israel sich ab. Die Regierung untersagt Ausländern aus allen Ländern die Einreise. Die Maßnahme soll 14 Tage dauern. In Israel ist bisher bei einer Person Omikron bestätigt worden. Zudem gibt es sieben weitere Verdachtsfälle. Viele andere Staaten, darunter Österreich, reagierten zunächst mit Reise-Stopps für das südliche Afrika.

Israel wird zudem wieder die Handy-Überwachung einsetzen, um Infizierte zu finden. Die neuen Beschränkungen beschloss das israelische Coronavirus-Kabinett laut Medienberichten am Samstagabend. Sie sollen an diesem Sonntagabend in Kraft treten.

Alle in Quarantäne

Bis auf Weiteres müssen alle Personen, die aus einem beliebigen Land nach Israel zurückkehren – darunter auch geimpfte Israelis – bei der Einreise nach Israel drei Tage lang isoliert werden, wie etwa die "Jerusalem Post" berichtete. Die Reisenden würden am Flughafen getestet und müssten sich dann am dritten Tag einem PCR-Test unterziehen und dürften die Isolation erst verlassen, wenn das Ergebnis negativ sei, hieß es weiter.

Ungeimpfte Israelis müssten sieben Tage lang isoliert werden, sofern der Test negativ ausfalle. Alle Ausländer, die eine Einreiseerlaubnis nach Israel erhielten, müssten in einem staatlichen "Coronavirus-Hotel" unter Quarantäne gestellt werden.

Bestätigte Fälle in Deutschland

In einigen europäischen Ländern liegen bereits bestätigte Fälle der neuen Virusvariante vor: In Deutschland und Italien wurden am Samstag insgesamt drei Fälle bestätigt, auch in Tschechien ergab eine Genomsequenzierung "90-prozentige Sicherheit" auf die Mutation, bei der Impfungen nur schwach wirken sollen. In den Niederlanden sollen es Dutzende Flugpassagiere aus Südafrika in sich tragen, die am Freitag positiv getestet worden waren.

Man sei sich diesbezüglich "zu 95 Prozent" sicher, weil erste Schnelltests von der Delta-Variante abweichende Ergebnisse gezeigt hätten, hieß es am Samstagabend von den niederländischen Behörden. Gewissheit soll es am morgigen Sonntag geben. Bei insgesamt 61 Fluggästen war das Coronavirus festgestellt worden. Alle positiven Passagiere wurden in einem Hotel am Flughafen Schiphol isoliert.

Die Fälle seien unter 600 Reisenden festgestellt worden, die am Freitag mit zwei Flügen aus Südafrika eingereist waren. Die Schweizer Behörden verschärften indes ihre Einreisebestimmungen für die Niederlande, Großbritannien, Tschechien, Ägypten und Malawi. Reisende aus diesen Ländern müssen nach der Einreise verpflichtend zehn Tage in Quarantäne.

Positiver Fall in Italien

In Bayern teilte Gesundheitsminister Klaus Holetschek am Samstag mit, dass die Omikron-Mutation bei zwei Personen in München festgestellt worden sei. Einen weiteren Verdachtsfall gibt es in Frankfurt am Main. Am Abend teilten die italienischen Behörden mit, dass ein Flugpassagier in Mailand positiv auf die möglicherweise gegen die Impfung resistente Variante getestet worden war. Das Krankenhaus im nordböhmischen Liberec (Reichenberg) wiederum sprach von hoher Gewissheit beim tschechischen Fall.

Alle drei Passagiere waren schon vor einigen Tagen aus Afrika eingereist. Die beiden Fluggäste in München seien am Mittwoch mit einem Flug aus Südafrika eingetroffen, sagte Holetschek. Sie befanden sich seit Donnerstag nach einem positiven PCR-Test in häuslicher Isolation, hieß es. Der Passagier in Italien sei "vor einigen Tagen" aus Mosambik eingereist und positiv getestet worden, meldete die Nachrichtenagentur ANSA. Er sei im süditalienischen Kampanien ansässig. Der Mann sei doppelt geimpft und weise nur leichte Krankheitssymptome auf, hieß es.

Erster Verdachtsfall in Österreich

In Österreich gibt es den ersten Omikron-Verdachtsfall. Laut Land Tirol liegt seit Samstagabend ein mit einer Südafrikareise assoziiertes positives PCR-Testergebnis im Bezirk Schwaz vor. Nach der Erstprüfung bestehe ein konkreter Verdacht, dass es sich um die neue Virus-Mutation handeln könnte, informierte das Land in einer Aussendung.

Von der Infektion betroffen sei eine Person, die nach einer Südafrika-Reise positiv auf Covid-19 getestet wurde. Die Person habe bereits zwei Impfdosen mit einem mRNA-Impfstoff erhalten, der zweite Stich liege aber bereits rund neun Monate zurück. Symptome weise sie keine auf. Ob es sich bei ihr tatsächlich um die Omikron-Variante handelt, soll in wenigen Tagen mittels Sequenzierung von der Ages geklärt werden.

Verdachtsfälle in Tschechien und Dänemark

In Tschechien ist nach Angaben von Ministerpräsident Andrej Babis eine Frau betroffen, die von Namibia über Südafrika eingereist war. Auch sie sei geimpft gewesen und habe einen leichten Krankheitsverlauf. Gewissheit darüber, ob sie mit Omikron infiziert ist, soll eine Analyse im nationalen Referenzlabor in Prag bringen.

Dänemark meldete am späten Samstagabend zwei Omikron-Verdachtsfälle. Es handle sich um Personen, die aus Südafrika eingereist waren, teilte Gesundheitsminister Magnus Heunicke mit. Man habe einen "begründeten Verdacht", doch müsse noch die Genomsequenzierung abgewartet werden, hieß es.

In Europa war Belgien das erste Land, in dem die neue Variante nachgewiesen wurde. Zuerst war sie in Südafrika festgestellt worden. Auch Israel, Hongkong und Botswana haben Omikron-Fälle gemeldet.

Großbritannien reagiert mit strengen Einreiseregeln

Großbritannien meldete am Samstag ebenfalls zwei Omikron-Fälle. Premierminister Boris Johnson verhängte daraufhin drakonische Maßnahmen. Alle Einreisenden müssen demnach in Quarantäne. Vorgeschrieben sei ein PCR-Test am zweiten Tag nach der Einreise, und die Quarantäne dürfe bis zum Vorliegen des negativen Testergebnisses nicht verlassen werden. Zuvor hatten sich zahlreiche Staaten, darunter Österreich, mit Einreiseverboten aus dem südlichen Afrika versucht, sich gegen Omikron zu wappnen. Allerdings wurde schon am Samstag auch hierzulande der erste Omikron-Verdachtsfall gemeldet, und zwar in Tirol.

Weltweit haben Dutzende Länder wegen der Virusvariante Alarm geschlagen, die von der Weltgesundheitsorganisation WHO nach dem griechischen Buchstaben Omikron benannt und als besorgniserregend eingestuft wurde. Wissenschafter befürchten ein erhöhtes Ansteckungsrisiko und eine verringerte Wirksamkeit herkömmlicher Impfungen. Bis jedoch Klarheit besteht, dürften Wochen vergehen.

Befürchtungen, aber noch offene Fragen

Weltweit haben Dutzende Länder wegen der Virusvariante Alarm geschlagen, die von der Weltgesundheitsorganisation WHO nach dem griechischen Buchstaben Omikron benannt und als besorgniserregend eingestuft wurde. Wissenschafter befürchten ein erhöhtes Ansteckungsrisiko und eine verringerte Wirksamkeit herkömmlicher Impfungen. Bis jedoch Klarheit besteht, dürften Wochen vergehen. DER STANDARD hat in diesem Artikel, in diesem Video und in diesem Podcast den aktuellen Stand zu der Variante zusammengefasst.

Zahlreiche Staaten, darunter Österreich, wollen sich mit Flug- und Einreiseverboten sowie neuen Quarantänevorschriften gegen eine Einschleppung wappnen. Südafrika beklagte am Samstag, das Land werde damit für seine Aufklärungsarbeit bestraft.

Zwei Omikron-Infizierte in Hongkong

Zwei bestätigte Omikron-Infizierte in Hongkong weisen indes offenbar eine sehr schnell ansteigende Viruslast auf. Die PCR-Tests der zwei Männer, die wenige Tage zuvor noch negativ ausfielen, enthielten einen Ct-Wert von 18 und 19. "Das ist wahnsinnig hoch, insbesondere wenn man bedenkt, dass die zwei bei den letzten PCR-Tests noch negativ waren", schrieb der Epidemiologe Eric Feigl-Ding, der lange Zeit an der Universität Harvard forschte. Es sehe so aus, als ob die Variante dem Impfschutz tatsächlich entgehen könnte, so Feigl-Ding weiter.

Laut Angaben der Hongkonger Regierung wurde die Omikron-Variante des Coronavirus von einem Reisenden aus Südafrika eingeschleppt, der sich seit seiner Ankunft am 11. November in einem Quarantäne-Hotel befand. Am 13. November wurde er dann positiv getestet. Es wird davon ausgegangen, dass der Mann trotz strenger Isolation einen 62-Jährigen im gegenüberliegenden Zimmer des Quarantäne-Hotels angesteckt hat. Dieser wurde am 18. November während seines vierten PCR-Tests positiv getestet. In beiden Fällen wurde bei einer späteren Genomsequenzierung deutlich, dass sie sich mit der Omikron-Variante infiziert hatten.

Ages-Hotline für Rückkehrer aus dem südlichen Afrika

Bisher gibt es in Österreich nun einen Verdachtsfall auf die Mutation. Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) hält weitere aber nur mehr für "eine Frage der Zeit". "Wir alle haben es aber in der Hand, zusammen dagegen anzukämpfen, in dem wir uns so schnell wie möglich impfen lassen", lautete der Kanzler-Appell.

Molekularbiologe und "Science Buster" Martin Moder fasst den Wissensstand zur neuen Corona-Variante Omikron zusammen.
DER STANDARD

Die Telefon-Hotline der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) für Reiserückkehrer aus dem südlichen Afrika erfährt indes regen Zuspruch. Bis Samstagmittag hatten sich schon 300 Personen unter 01/26 75 032 gemeldet. Dort erhalten sie Informationen, wohin sie sich wegen eines behördlichen PCR-Tests wenden können.

Astra-Zeneca-Entwickler ist zuversichtlich

Der Entwickler des Astra-Zeneca-Impfstoffs gegen Corona, Andrew Pollard, geht derzeit jedenfalls nicht von einem dramatischen Neuanfang der Pandemie durch Omikron aus. "Es ist sehr unwahrscheinlich, dass es in einer geimpften Bevölkerung einen Neustart der Pandemie wie im letzten Jahr geben wird", sagte der Immunologe von der Universität Oxford am Samstag in einem BBC-Interview. Man müsse einige Wochen warten, um sichere Ergebnisse zu haben, es gebe jedoch Anlass zur Hoffnung, dass die Impfstoffe gegen schwere Erkrankungen weiterhin wirken würden.

Im vergangenen Jahr war in Großbritannien kurz vor Weihnachten die erste deutlich ansteckende Alpha-Variante aufgetaucht, die eine schwere Welle auslöste. Damals gingen die Corona-Impfungen gerade erst los.

Die nun im Süden Afrikas entdeckte Omikron-Variante vereint Mutationen, die bereits bei früher als besorgniserregend eingestuften Varianten aufgetreten waren. "Trotz dieser Mutationen haben die Impfstoffe schwere Erkrankungen verhindert, während wir uns von Alpha, Beta und Gamma bis hin zu Delta bewegt haben", sagte Pollard, der mit anderen Oxford-Forschern und dem Pharmakonzern Astra Zeneca den Impfstoff entwickelt hat. Außerdem zeigte sich der Wissenschafter zuversichtlich, dass die Impfstoffe zeitnah auf die neue Variante hin angepasst werden könnten.

Auch Lothar Wieler, Präsident des deutschen Robert Koch-Instituts (RKI), betonte: "Alle Menschen, die sich impfen lassen, fangen nicht bei null an, wenn sie sich mit einer neuen Variante infiziert haben."

Die EU-Gesundheitsbehörde ECDC spricht indes von ernsthaften Sorgen, dass die Variante die Wirksamkeit der Corona-Impfstoffe erheblich verringern und das Risiko von Reinfektionen erhöhen könnte. (APA, dpa, red, 27.11.2021)