Ein bis acht Prozent der Albatrospaare trennen sich jährlich in der Population, die das Forschungsteam auf den Falklandinseln im Südatlantik untersuchte.
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Eheprobleme treten in den harmonischsten Paarbeziehungen auf. Davor sind auch Tierarten, die vorwiegend monogam leben, nicht gefeit. Albatrosse beispielsweise, die wie etwa 90 Prozent der Vogelspezies nur einen statt mehrere Partner gleichzeitig haben. Ähnlich wie bei Menschen spielt auch bei ihnen Familienplanung in dieser Hinsicht eine wichtige Rolle, wie eine kürzlich erschienene Forschungsarbeit unterstreicht. Individuen trennten sich eher von ihrem Partner, wenn es in einer Saison mit der Umsetzung des Kinderwunschs nicht klappte, schreibt das Team um den portugiesischen Meeresökologen Paulo Catry von der Universität Lissabon im Fachjournal "Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences".

Dabei werfen sie auch eine interessante Frage auf, der bisher kaum Studien gewidmet wurden: Beeinflussen Veränderungen der Umweltbedingungen direkt die Häufigkeit der Trennungen? Immerhin wirken sich die Bedingungen, die im Ökosystem vorherrschen, natürlich darauf aus, wie gut Tiere in einer bestimmten Population überleben können und wie stark sie sich vermehren. Das reicht vom Nahrungsangebot bis hin zu Fressfeinden. So wirken sich Umweltfluktuationen auf die Demografie aus und damit zumindest indirekt auf das Sozialverhalten – etwa, wie stark die Tiere gestresst sind und ob sie sich daraufhin häufiger trennen.

Scheidungsrate der Vögel

Hinweise darauf suchte das Forschungsteam auf den Falklandinseln, östlich von Argentinien: Hier leben unter anderem die Schwarzbrauenalbatrosse, die sich durch einen gut verblendeten Lidstrich auszeichnen, der Theda Bara neidisch gemacht hätte. Die Kolonie zählt mehr als 15.000 Paare. Seit mehr als zehn Jahren werden hier Daten gesammelt und die Brut- und Begegnungsgeschichte der Vögel dokumentiert. Auf dieser Basis analysierten die Forschenden, wie die "Scheidungsrate" (wie es im Paper formuliert wird) aussieht und zustandekommt.

Allein, allein: ein Schwarzbrauenalbatros auf den Falklandinseln.
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Die kurze, quantitative Antwort: Wie errechnet wurde, schwankt die jährliche Scheidungsrate zwischen einem und acht Prozent. Im Durchschnitt trennen sich 37 von 1000 Paaren pro Jahr, was doch sehr überschaubar klingt. Für die lange Antwort und den Zusammenhang mit Umwelt und Klimawandel lohnt es sich, etwas auszuholen.

Zunächst sei gesagt, dass die Vögel auf der roten Liste der gefährdeten Arten stehen: Fischereischiffe und ihre Leinen werden ihnen oft zum Verhängnis. Der beobachteten Kolonie auf den Falklandinseln scheint es aber relativ gut zu gehen, wie eine weitere in diesem Jahr veröffentlichte Studie zeigt: Sie ist die einzige Kolonie im Südatlantik, die wächst. Sowohl Erwachsene als auch Jungtiere erfreuen sich generell einer hohen Überlebensrate und hoher Produktivität. Letzteres heißt in der Ökologie: Im Ökosystem, das sie besiedeln, steigt ihre Biomasse an.

Wassertemperatur beeinflusst Nahrungsangebot

In manchen Jahren kam es allerdings zu einem Absinken der Produktivität und weniger Bruterfolg. Dies hing zusammen mit Temperaturveränderungen im Meer, genauer gesagt: mit Abweichungen in den obersten Millimetern der Wasseroberfläche. Solche Abweichungen würden auf Deutsch Meerwasseroberflächentemperaturanomalien heißen; wird der Begriff so häufig verwendet wie in der Forschungsarbeit, lohnt sich aber auch im Englischen die Abkürzung von "sea surface temperature anomaly" auf SSTA.

Solche ungewöhnlichen Veränderungen der Wassertemperatur werden beispielsweise vom EU-Erdbeobachtungsprogramm Copernicus und von der Nasa aufgezeichnet. Sie bilden mitunter Klimawandelveränderungen ab, künftig ist mit einer Zunahme dieser Anomalien zu rechnen.

Albatrosse, die hauptsächlich zum Brüten an Land kommen, sind von diesen Veränderungen merklich irritiert. Bei ihnen führen ungewöhnlich warme Temperaturen der Wasseroberfläche zu einer niedrigeren Produktivität, weil dadurch auch ihr Nahrungsangebot zurückgeht: Krebse, Krill und Tintenfische, ihre bevorzugten Mahlzeiten, vermehren sich dann weniger stark. Solche Faktoren können früheren Forschungsarbeiten zufolge bei den Tieren vermehrt für Stresshormone sorgen.

Schwerwiegende Brutprobleme

Das beeinträchtigt auch den Bruterfolg, wie die aktuelle Studie demonstriert. "Unsere Modelle zeigen einen Anstieg der Scheidungsrate in Jahren mit warmer SSTA", schreibt die Forschungsgruppe.

Albatrosse beginnen als langlebige Vögel erst mit einem Alter von etwa zehn Jahren mit der Fortpflanzung und brüten nur einmal pro Jahr oder alle zwei Jahre. Meistens kommen dieselben Paare treu wieder zusammen – sie sind bereits aufeinander eingespielt und müssen keine Energie auf erneute Partnersuche verwenden.

Sind die Lebensbedingungen aufgrund der erhöhten Wassertemperatur aber schlechter, wiegen Probleme beim Brüten schwer. Wenn die Aufzucht eines Jungen nicht gelang oder ein Paar eine Fortpflanzungssaison ungenutzt vergehen ließ, war seine Wahrscheinlichkeit, zusammenzubleiben, niedriger als bei erfolgreichen Brutpaaren.

"Es liegt nicht an dir, sondern an der globalen Erwärmung."
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Weibchen trennen sich

Eine schlechte Nachricht für den männlichen Albatros: Nach dem Partnerwechsel kam es bei Männchen mit neuer Gefährtin seltener zu erfolgreichem Brutverhalten als bei Weibchen. Offenbar sind es auch eher die Weibchen, die durch Umwelt und Nahrungsnot gestresst eine Beziehung beenden. Das kommt auch dann vor, wenn das Paar in den Jahren zuvor erfolgreich für Nachwuchs gesorgt hat.

Solche Schwierigkeiten könnten auch andere monogame Vogel- und Säugetierarten betreffen, vermutet die Forschungsgruppe und findet in der Studie drastische Worte: "Umweltbedingte Scheidungen könnten eine bislang übersehene Folge des globalen Klimawandels sein." Dieser könnte Demografie und Dynamiken innerhalb von Populationen negativ beeinflussen. (sic, 28.11.2021)