Im Regen zur Angelobung: Petr Fiala.

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Dass er politisch immer nur die höchste Welle reiten will, kann man Petr Fiala mit Sicherheit nicht vorwerfen. Der 57-Jährige, der am Sonntag zum tschechischen Premierminister ernannt wurde, beginnt gerne am Anfang – und wenn es sein muss, auch ganz unten.

Als er zum Beispiel 2013 den konservativen Bürgerdemokraten (ODS) beitrat, da leckte die ehedem erfolgsverwöhnte Partei nach einem desaströsen Wahlergebnis von weniger als acht Prozent gerade ihre Wunden. Die ODS-geführte Regierung, in der der Historiker und Politikwissenschafter Fiala ein Jahr lang als parteiloser Bildungsminister fungiert hatte, war über mehrere Skandale gestolpert und schien nun zielsicher auf dem Weg in den Abgrund zu sein.

Viele hätten das wohl zum Anlass genommen, der aktiven Politik Lebwohl zu sagen und sich wieder ganz der akademischen Sphäre zu widmen. Nicht aber Fiala. Die Partei dankte es ihm, indem sie ihn Anfang 2014, wenige Wochen nach seinem Beitritt, zum Vorsitzenden wählte. Von da an ging es langsam bergauf – bis zum Wahlsieg heuer im Oktober.

Anfang an Untergrund-Unis

Gleichsam bei null zu starten, das kennt Fiala bereits aus seiner wissenschaftlichen Laufbahn. Studiert hatte er Geschichte und Bohemistik. Sein späteres Fach, die Politologie, gab es da im Land noch gar nicht: Er selbst hat es in den 1990ern erst mitaufgebaut, an der Universität seiner Heimatstadt Brünn. 2002 wurde Fiala, der sich während der kommunistischen Diktatur an Untergrund-Unis und Wohnungsseminaren beteiligt hatte, vom damaligen Präsidenten Václav Havel zum ersten Politik-Professor Tschechiens ernannt. Später war er sieben Jahre lang Rektor der Brünner Masaryk-Universität.

Die ruhige Umsicht des Vaters zweier Söhne und einer Tochter gilt bereits als Kontrapunkt zum erratischen Regierungsstil des Milliardärs und scheidenden Premiers Andrej Babiš. Dieser bleibt aber noch geschäftsführend im Amt, bis Präsident Miloš Zeman auch Fialas Kabinett ernennt.

Einstweilen kann der Neue an eigenen Strategien zur Pandemiebekämpfung feilen und vielleicht ein paar europapolitische Positionen nachschärfen: Fiala hatte einen betont proeuropäischen Wahlkampf geführt, seine ODS sitzt im Europäischen Parlament aber in einer Fraktion mit der zuletzt immer EU-feindlicheren polnischen Regierungspartei PiS. Mitte Dezember, so hofft Fiala, steht dann seine gesamte Regierungsriege. Und dann wird er wieder einmal ganz von vorn beginnen. (Gerald Schubert, 28.11.2021)