Patente auf Pflanzen und Tiere müssen strikt auf gentechnische Verfahren begrenzt werden, sagt Dagmar Urban vom Verein Arche Noah.

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Die Begehrlichkeiten von großen Unternehmen sind groß: auch wenn es um das Bier geht – etwa bei den Gerstenpflanzen.
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Wenn Sie Ihr Feierabend-Bier öffnen: Haben Sie schon einmal daran gedacht, dass ein internationaler Konzern Patente auf Bier angemeldet hat? Und auch auf Fischfilets oder Paprika? Absurde Fragen, meinen Sie vielleicht. Das sind ja klarerweise keine Erfindungen!

Das europäische Patentrecht gibt Ihnen recht: Tiere und Pflanzen sind keine Erfindung. Aufgabe von Patenten ist es, technische Innovation zu fördern, indem Erfindungen geschützt werden. Die Praxis sieht jedoch anders aus: Agrarkonzerne finden immer wieder Lücken in bestehenden Verboten und melden fragwürdige Patente an: auf Braugerste und Bier, auf Melonen oder Salat.

Keine klare Definition

Auch auf Tiere werden Patentanträge gestellt, alles scheint möglich. Das Europäische Patentamt macht sich zu einem Dienstleister für die Großindustrie und erteilt solche Patente trotz Protesten betroffener Unternehmerinnen und Unternehmer und der Zivilgesellschaft. Die Interessen der breiten Bevölkerung sowie der kleineren und mittelständischen Unternehmen werden missachtet. Und die Politik auf europäischer Ebene – mit einigen wenigen Ausnahmen wie Österreich – schaut bei diesem Missbrauch des Patentrechts aktuell tatenlos zu.

Im Jahr 2020 wurden rund 300 Patentanmeldungen für Pflanzen und Pflanzenzüchtung veröffentlicht, wobei rund 80 Anmeldungen konventionelle Züchtungen betrafen. Im Juni 2020 gab es erneut eine rechtliche Klarstellung des Europäischen Patentamts: Verboten sind Patente auf Pflanzen und Tiere, die durch "im Wesentlichen biologische Verfahren" entstanden sind. Der Haken: Es gibt keine klare Definition dieser "Verfahren", und so versuchen Unternehmen wie Bayer (Monsanto), Corteva (früher DowDuPont) und Syngenta ihr Monopol auf Saatgut, Ernte und Lebensmittel auszuweiten. Mit diesen Patenten beeinträchtigen sie die Vielfalt auf dem Acker, den Fortschritt in der Züchtung und die Interessen der Konsumentinnen und Konsumenten.

Weniger Vielfalt

Weniger Züchtung bedeutet weniger Vielfalt auf dem Feld – und damit weniger Vielfalt auf dem Teller oder im Bierglas. Mittelständische Unternehmen können nicht mithalten und werden abgedrängt. Technische und rechtliche Unsicherheiten verursachen erhebliche Kosten für Laboranalysen und Patentanwältinnen und -anwälte, auch wenn gar keine Patentverletzung vorliegt.

Die mangelnde Durchsetzung des Verbots macht schon längst handfeste Probleme: Der Biozüchter Karl-Josef Müller hat nach 20 Jahren Züchtung mit Gerstenpflanzen kurz vor der Registrierung seiner neuen Sorte festgestellt, dass der Bierkonzern Carlsberg eine ohne Gentechnik gezüchtete Gerste mit ähnlichen Eigenschaften zum Patent angemeldet hatte. Müllers Firma Cultivari wäre von Lizenzen des Konzerns abhängig geworden und hätte hohe Rechtskosten begleichen müssen – schlicht nicht machbar für den betroffenen Züchter. Dieser Patentantrag wurde glücklicherweise zurückgezogen.

Lücken schließen

Während die europäische Politik zu dem Problem schweigt, werden die Patentansprüche immer dreister: Die Konzerne beginnen konventionelle Züchtung und Gentechnik zu vermischen, um am Ende Patente auch auf konventionelle Pflanzen zu erreichen. Eine Flut an Anträgen setzt auf diesen Trick. Erst Mitte November wurde ein Fischpatent verhandelt, bei dem die Tiere einfach nur mit ausgewählten Pflanzen gefüttert wurden. Es ist altbekannt, dass sich das Futter auf die Qualität des Fleischs auswirkt. Der Fisch selbst ist keine technische Neuerung, keine Erfindung.

Manchmal, wie im Fall dieses Fischpatents, sind die Einsprüche der Zivilgesellschaft erfolgreich, das Patent wurde eingeschränkt. Solche Einschränkungen dürfen aber nicht davon abhängen, ob die Zivilgesellschaft sie unter tausenden Anträgen entdeckt und auf eigene Kosten beeinsprucht.

Patente begrenzen

Die Politik ist dringend aufgefordert, jetzt zu handeln. Die zuständige grüne Umweltministerin Leonore Gewessler muss sich weiterhin und verstärkt gegen solche Patente einsetzen – gemeinsam mit ihren Amtskolleginnen und -kollegen der anderen 37 Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens. Schlüsselkriterium bleiben die "im Wesentlichen biologischen Verfahren". Auf europäischer Ebene muss klargestellt werden, dass damit alle Verfahren aus der herkömmlichen Züchtung gemeint sind (Kreuzung, Selektion oder zufällige Mutation). Sie müssen ebenso von der Patentierbarkeit ausgeschlossen werden wie die Ausweitung von Ansprüchen von Gentechnikpatenten auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere. Um die bestehenden Verbote durchzusetzen, müssen Patente auf Pflanzen und Tiere strikt auf gentechnische Verfahren begrenzt werden. Parallel müssen die Lücken in nationalen Patentgesetzen geschlossen werden.

Noch immer liegen beim Europäischen Patentamt Patentanträge auf Braugerste und Bier. Erst im vergangenen Juni wurde eine Beschwerde zurückgewiesen. Carlsberg hat noch weitere Anträge gestellt. Das ist eine Bedrohung für die Vielfalt, für kleine, mittelständige Brauereien und für deren Handwerkskunst. (Dagmar Urban, 29.11.2021)