Vizekanzler Werner Kogler (links) und Bundeskanzler Alexander Schallenberg bei der "Licht ins Dunkel"-Gala im ORF.

Foto: ORF/Roman Zach-Kiesling

Wien / Wiener Neustadt – Die Kritik an der "Licht ins Dunkel"-Gala im Lockdown bekommt jetzt auch eine juristische Dimension: Der Rechtsanwalt und ÖVP-Gemeinderat in Sollenau in Niederösterreich, Stefan Danzinger, hat Anzeigen gegen sechs Politikerinnen und Politiker eingebracht – auch aus den eigenen Reihen. Der Grund? Sie hätten am vergangenen Mittwoch die aktuellen Ausgangsbeschränkungen missachtet. Konkret geht es um Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sowie die ÖVP-Regierungsmitglieder Elisabeth Köstinger, Karoline Edtstadler und Martin Kocher sowie "weitere noch auszuforschende Personen".

Verfassungsrechtler Heinz Mayer hält die Anzeigen für erfolgversprechend, für seinen Kollegen Peter Bußjäger stellt sich die Frage nach der beruflichen Zusammenkunft.

Kein Abstand, keine Masken und Alkohol

In der Anzeige, die dem STANDARD vorliegt und über die zuvor bereits andere Medien berichtet haben, heißt es: "Direkt bei der Veranstaltung kam es zu musikalischen Darbietungen (live vor dem anwesenden Publikum!), zu denen die Verdächtigen unter anderem klatschten, tanzten und teilweise laut mitsangen (!)." Bei der Veranstaltung seien auch alkoholische Getränke konsumiert worden, was Danzinger mit Fotos dokumentieren möchte. Er führt in der Anzeige aus, dass kein Mindestabstand eingehalten wurde, keine FFP2-Masken getragen wurden und es "keine sonstigen geeigneten Schutzmaßnahmen, mit denen das Infektionsrisiko minimiert" würde, gegeben habe – etwa Plexiglastrennwände.

Danzinger, der in Wiener Neustadt als Rechtsanwalt arbeitet und seit 2013 für die ÖVP in Sollenau im Gemeinderat sitzt, hat die Anzeige beim Magistratischen Bezirksamt für den 13. Wiener Gemeindebezirk eingebracht, sagt er auf STANDARD-Anfrage, da das ORF-Zentrum am Küniglberg in Hietzing sei. Danzinger: "Mir ist in diesem Zusammenhang wichtig zu betonen, dass ich hier klar zwischen Bundespolitik und Ortspolitik unterscheide." In der Ortspartei, für die er sich seit 20 Jahren engagiere, sei es stets gefördert worden, dass "jeder offen seine eigene Meinung vertreten" könne.

Beliebtheitswerte?

In seiner Anzeige bezweifelt Danzinger, dass es sich bei der "Licht ins Dunkel"-Gala um eine berufliche Tätigkeit gehandelt habe. Die Ausnahmebestimmungen würden nicht greifen, argumentiert er, denn: "Bei den Verdächtigen handelt es sich durchgehend um Politiker. Deren klatschender, tanzender und singender Auftritt bei einer Spendengala kann maximal unter 'zu Repräsentationszwecken' subsummiert werden, ist aber weder unaufschiebbar noch zur Aufrechterhaltung der beruflichen Tätigkeit (zum Beispiel als Minister) erforderlich. Ob dadurch der angestrebte Zweck, die Menschen zu mehr Spenden zu animieren, erreicht wurde, darf aufgrund der derzeitigen Beliebtheitswerte stark angezweifelt werden."

Das hätten die kritischen Reaktionen nach der Gala eindeutig gezeigt. Und: "Die Annahme von Spendenanrufen hätte ohne weiteres auch im Homeoffice erfolgen können. Keinesfalls beruflich notwendig sind Live-Gesangsdarbietungen vor Publikum oder die gesellschaftliche Konsumation von Alkohol."

Mayer: Politikerpräsenz nicht erforderlich

Verfassungsrechtler Heinz Mayer hält Danzingers Anzeige für "erfolgversprechend". Es könne schwer argumentiert werden, dass die Präsenz der Politikerinnen und Politiker unbedingt erforderlich gewesen sei, um Spenden zu sammeln, sagt Mayer zum STANDARD. Das hätte auch in Form von Zuschaltungen erfolgen können. Es drohen Strafen in der Höhe von 1.400 Euro. Dass der gesamte Rahmen ausgeschöpft werde, glaubt er aber nicht.

Bußjäger glaubt nicht an Verwaltungsübertretung

Für Peter Bußjäger, Verfassungs- und Verwaltungsjurist an der Universität Innsbruck, ist der entscheidende Punkt, ob die Gala als "unaufschiebbare berufliche Zusammenkunft" zu sehen ist. Der ORF beruft sich ja darauf, dass es sich um keine Veranstaltung gehandelt habe, die untersagt war. "Man kann die 'Licht ins Dunkel'-Gala schon als eine unaufschiebbare berufliche Zusammenkunft betrachten, die im öffentlichen Auftrag des ORF gelegen ist. Dies scheint mir der entscheidende Punkt, verneint man das, dann stellt sich freilich ein Problem", sagt Bußjäger auf STANDARD-Anfrage.

Die Teilnahmen des Bundespräsidenten und der Mitglieder der Bundesregierung seien "berufliche Zusammenkünfte, wenn man sie nicht ohnehin als Tätigkeiten im Wirkungsbereich der Organe der Vollziehung sehen will, für die nur einzelne Bestimmungen der Covid-19-Notmaßnahmenverordnng gelten", so Bußjäger. "Damit wäre die Gala und die Teilnahme zumindest des Bundespräsidenten und der Mitglieder der Bundesregierung daran grundsätzlich zulässig."

Zur Frage nach der Maskenpflicht sagt Bußjäger, dass grundsätzlich bei Zusammenkünften keine Maske getragen werden müsse, wenn alle Personen einen 2G-Nachweis erbringen können. "Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, würde ich jetzt aufs Erste keine Verwaltungsübertretung erblicken." Der Jurist führt auch ins Treffen, dass man die Anwesenheit der Mitglieder der Bundesregierung und des Bundespräsidenten als Ausübung ihrer Repräsentationsfunktion sehen könnte. Dann wäre das für sie nicht strafbar. "Die Situation wäre dann ähnlich wie beim Besuch von Sebastian Kurz im Kleinwalsertal, wo die BH Bregenz aus genau diesem Grund kein Strafverfahren eingeleitet hat."

Update: Auch FPÖ Wien bringt Anzeige ein

Am Nachmittag gab auch die Wiener FPÖ bekannt, dass sie eine Anzeige gegen Bundeskanzler Schallenberg, Vizekanzler Kogler, ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz und ORF-Corona-Beauftragten Pius Strobl eingebracht habe. "Aus zahlreichen Bildern und Videos geht eindeutig hervor, dass die angezeigten Personen gegen Ausgangsregelung, Maskenpflicht und Einhaltung des Mindestabstandes verstoßen haben", heißt es in der Aussendung von Dominik Nepp, Landesparteiobmann der FPÖ-Wien.

Nepp stößt sich auch an einer "Afterparty" mit "einer eigens aufgebauten Champagner-Bar", die nach der TV-Gala stattgefunden haben soll. Dass es eine solche "Aftershow-Party" gab, bestreitet – wie berichtet – der ORF. Es habe "ungefähr 35 Minuten" gedauert, "bis die letzten anwesenden Politikerinnen und Politiker sowie Prominente, die an den Spendentelefonen saßen, den ORF verlassen hatten.

ORF: TV-Produktion und keine Veranstaltung

Der ORF wies bereits am Freitag die Kritik an der Gala zurück: "Die 'Licht ins Dunkel'-Gala ist – wie alle ORF-Studiosendungen – eine TV-Produktion und keine Veranstaltung", erklärte ein ORF-Sprecher – der STANDARD berichtete. "Die Gäste im Studio waren alle Mitwirkende an der Gala, die im Laufe des Abends auch Spenden an den Telefonen entgegengenommen haben. In dieser Funktion waren sie Teil der Produktion." Und: "Sämtliche Mitwirkenden waren 2G-überprüft und tagesaktuell getestet."

Laut ORF wurden am Abend der Gala bis 24 Uhr 3.372.150 Euro eingesammelt, die über den Verein Licht ins Dunkel an Sozialprojekte gehen. (omark, 29.11.2021)