Als Bildschirm für das Fitnessprogramm können iPad, iPhone oder ein Fernsehgerät mit Apple TV genutzt werden.

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An Schließungen von Fitnessstudios hat man sich in den letzten zwei Jahren gewöhnen müssen. Als Alternative beziehungsweise unterstützende Maßnahme für die eigene Fitness bietet Apple seit kurzem den Abo-Service Apple Fitness+ auch in Österreich an. Zur Auswahl stehen dort allerlei Yoga-, Fitness- und Meditationsübungen.

Ganz ersetzen können die frontal vorgetragenen Sportübungen einen Profitrainer natürlich nicht, und das ist nicht der einzige Nachteil des Service. In Zeiten wie diesen ist er aber eine motivierende Möglichkeit, zu Hause aktiv zu bleiben. Zwei intensive Wochen mit der Fitness-App haben das bewiesen.

Das Angebot erstreckt sich von Yoga über Krafttraining bis hin zu Meditationsübungen.
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Viel Auswahl

Loggt man sich das erste Mal ein, wird man zunächst erschlagen von dem doch breiten Angebot. Es gibt Yoga, Pilates, Meditation, Krafttraining, Rudereinheiten und mehr. Anfänger finden weiter unten in der App den Punkt "Training für Anfänger", der viele Bereiche mit einfachen Übungen greifbar macht. Ansonsten ist man auf sich allein gestellt und probiert einfach ein paar Work-outs aus, die einem zusagen.

Beim Krafttraining begrüßt uns beispielsweise die energetische Sam, die es in 30 Minuten schafft, den Puls auf über 150 zu treiben. Nach einem kurzen Intro zeigt sie die Übungen vor, die man als Nutzer versucht nachzumachen. Korrigieren muss man seine Bewegungen selbst, was speziell für Anfänger zunächst schwierig ist. Sinnvoll ist hier, dass neben Sam und anderen Trainern die Übungen von zwei weiteren Fitnessprofis in unterschiedlich anstrengenden Varianten vorgezeigt werden und man so auch als wenig trainierter Hobbysportler fast alle Übungen gut mitmachen kann. Wem der Stil oder die Persönlichkeit der Trainerin oder des Trainers nicht zusagt, kann bei vielen Übungen zwischen mehreren Alternativen wählen.

Wie eingangs erwähnt, benötigt man für manche Kategorien auch Sportgeräte, etwa ein Rad, ein Laufband oder ein Rudergerät. Da Apple keine Fitnessgeräte herstellt – noch nicht –, bleiben die Kommandos der Trainer manchmal vage. "Stellt den Widerstand etwas stärker ein" wäre da ein passendes Beispiel. Das torpediert nicht das Training, aber hier ist noch Luft nach oben.

Wer keine Fitnessgeräte dieser Größenordnung zu Hause hat, muss entsprechende Übungen auslassen. Das reduziert das Angebot zwar bedeutend, mit ein wenig Flexibilität kann man mit den bleibenden Übungen seinen Körper dennoch fit halten. So bietet sich am Morgen eine Yoga-Session mit Jessica an, in der Mittagspause eine kurze Tanzübung mit dem immer gut gelaunten Ben und am Abend eine Runde Krafttraining oder das ebenfalls Kalorien vernichtende Hiit-Training.

Letzteres erfordert, wie auch so manches Aufwärmprogramm, dass man im Zimmer auch gelegentliche Luftsprünge vollführt. In einem Mehrparteienhaus lernt man so nicht nur neue Übungen, sondern auch die Nachbarn kennen.

Die Apple Watch dient als Motivator, Messgerät und Tracker für die Trainings.
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Motivierend – mit Einschränkungen

Kommt man einmal in den Rhythmus und gewöhnt sich gewisse Routinen an, lernt man Apple Fitness+ bald zu schätzen. Trainingsmatte vor dem TV ausrollen und loslegen. Nach einer Woche findet man sich in der App gut zurecht, probiert die wöchentlich neu eintrudelnden Übungen aus oder greift auf bekannte zurück. Die Trainer sind durch die Bank sympathisch und motivieren dank lockerer Sprüche und aufmunternder Worte, die Trainingszeit durchzuhalten.

Es gibt allerdings Einschränkungen. Etwa dann, wenn man der englischen Sprache nicht mächtig ist. Alle Trainer sprechen Englisch, und auch wenn es deutsche Untertitel gibt, ist es bei Meditation oder auch Yoga hilfreich, wenn man nicht ständig am Bildschirm mitlesen muss, um zu wissen, was man eigentlich tun soll. Natürlich kann man die Bewegungen in vielen Fällen auch einfach nachmachen oder eben die Untertitel lesen, aber wirklich komfortabel ist das nicht.

Auch dass viele Teile des Angebots Sportgeräte voraussetzen, wird für potenzielle Nutzer abschreckend sein. Gut, ein Paar Hanteln kann man sich schnell einmal besorgen, aber für die Anschaffung eines Rudergeräts muss man schon Platz und Geld mitbringen. Wer allerdings ein solches Fitnessgerät zu Hause hat, wird sich über die zusätzliche Motivation freuen.

Zudem fehlt es an vorgefertigten oder selbst erstellbaren Wochenprogrammen, wie man sie sich oftmals für das Fitnessstudio vorbereitet. Jede Übung muss einzeln angewählt werden. Einzig für Anfänger, ältere Menschen und schwangere Frauen gibt es ein Einstiegsprogramm, um Übungen kennenzulernen. Hier hätte man ein Jahr nach dem US-Start besser nachliefern können.

Setzt man sich länger mit der App auseinander und lernt parallel seinen Körper besser kennen, wählt man nach einer gewissen Zeit aber recht souverän aus den vorhandenen Übungen. In jedem Fall sollte man sich darauf einstellen, dass es zu Beginn eine gemeinsame Aufwärmphase braucht, um sich besser kennenzulernen und so gezielt die richtigen Übungen für sich selbst auswählen zu können.

Die Oberfläche der App ist zu Beginn unübersichtlich, aber bald hat man die für sich wichtigsten Trainer und Übungen im Blick.
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Technische Hürden

Was braucht man nun, um Apple Fitness+ nutzen zu können? Da es sich um einen Apple-Service handelt, sollte man zunächst einmal über ein iOS-Gerät verfügen, also ein iPhone (ab 6S bzw. iOS 15.1) oder iPad (ab iPad OS 15.1). Dort lässt sich die App dann auch starten – sofern man das dazugehörige Abo abgeschlossen hat. Derzeit zahlt man 9,99 Euro pro Monat oder 79,99 Euro, wenn man ein Jahresabo abschließt. Alternativ dazu gibt es nur die Premium-Variante von Apple One, bei der neben Fitness+ auch noch Apple Music, Apple TV+, Apple Arcade und iCloud-Speicher um 28,95 Euro pro Monat enthalten sind.

Ebenfalls benötigt wird eine Apple Watch – auch um das Training auf eine persönliche Ebene zu holen und den eigenen Fortschritt beobachten zu können. Mit der etwas älteren Series 3 ist man entsprechend ausgerüstet. Wer zudem nicht vor dem kleinen Handybildschirm oder seinem iPad trainieren will, sondern beispielsweise vor dem Fernseher, muss sich Apple-TV-Hardware besorgen. Hier ist man ab 159 Euro mit der HD-Version am Start, für 4K zahlt man 199 Euro. Von einem Mac kann der Service nicht abgerufen werden.

Apple-Quereinsteiger müssen demnach schon einiges an Geld in die Hand nehmen, um die geeigneten Rahmenbedingungen für den Service zu schaffen. Für manche Übungen benötigt man wie erwähnt zudem ein Rudergerät oder auch Hanteln.

Fazit

Der innere Schweinehund ist mit Sicherheit der Endgegner bei körperlicher Ertüchtigung. Mit Apple Fitness+ kann man sich diesem oft unüberwindbar wirkenden Monster einfacher stellen. Hat man ein Set-up gefunden, das nicht viel Vorbereitung benötigt, und ist man willens, jeden Tag etwa 30 Minuten in den eigenen Körper zu investieren, so ging das noch nie so einfach wie mit dieser App.

Oftmals fehlt einfach die Inspiration, welche Übung man auf die Schnelle machen soll – oder auch der Antrieb von außen. Die Kombination aus nerviger Apple-Watch, die an einem trainingsfreien Tag rüde fragt, ob man denn heute noch plane, ein paar Übungen zu machen, oder auch die sympathischen Trainer, die einem mit lockeren Sprüchen auch die letzte Kniebeuge mit einem Lächeln verkaufen – Apple Fitness+ wirkt einfach zugänglich und durchdacht.

Frontalunterricht in dieser Form kann natürlich weder das Fitnessstudio noch den persönlichen Yoga-Trainer zur Gänze ersetzen. Die wenigsten Nutzer werden alle gewünschten Fitnessgeräte zu Hause haben, und nicht alle verstehen die englische Sprache so gut, dass sie den Trainern folgen können. Auch dass Bewegungen nicht ausgebessert werden können, ist ein großer Nachteil im Vergleich zu einem betreuten Training.

Hat man allerdings den nötigen Platz zu Hause und will ohnehin nicht in geschlossenen Räumen mit anderen trainieren, so findet man hier ein gut sortiertes Angebot, das laufend erweitert wird. Egal ob 20 Minuten Yoga am Morgen, um entspannt in den Tag zu starten, oder auch knallharte Trainings, die einem den Schweiß aus den Poren treiben, um sich von der Last eines stressigen Tages zu befreien. All diese Übungen könnte man natürlich auch ohne App bewerkstelligen, aber auch Klimmzüge funktionieren ohne Fitness-Band – einfacher gehen sie allerdings mit den dehnbaren Helferlein. Apple Fitness+ ist ebenfalls ein solches Helferlein, das Apple-typisch schick verpackt sehr gelungen mehr Sport ins Wohnzimmer bringt. (Alexander Amon, 30.11.2021)