Die Alten reden über die Jungen. Die Alten sagen den Jungen, wie sie angeblich sind und was sie angeblich wollen. Natürlich nie ohne die Anmerkung, was alles nicht passt an den jungen Generationen: Mangelnde Leistungsbereitschaft, zu viel Party, zu wenig Belastbarkeit werden da gerne bekrittelt. So läuft das in der Politik und in den meisten Medien. Die Jungen werden systematisch ausgeklammert, in sämtlichen Diskussionsrunden über sie fehlen gerade sie. Nur manchmal darf ein Schulsprecher sagen, was er von geöffneten oder geschlossenen Schulen hält.

Am weitgehend abgegrenzten Diskurs der älteren Eliten-Generationen zu sämtlichen zentralen Zukunftsfragen konnte nicht einmal die Pandemie etwas ändern. Obwohl manifest wurde, dass es sehr vielen jungen Menschen sehr schlecht geht, sie sich nicht gehört, nicht wahrgenommen, nicht eingebunden fühlen: Laut Untersuchung der Donauuniversität Krems leidet fast die Hälfte an depressiven Symptomen, mehr als die Hälfte unter Essstörungen.

Vielen jungen Menschen geht es sehr schlecht, sie fühlen sich nicht gehört und nicht wahrgenommen.
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Aktuell schlägt das AKH mit völlig überlasteter Kinder- und Jugendpsychiatrie in Wien Alarm, weil eine Verdoppelung der Suizidversuche unter Jungen registriert wird. Wer sich selbst nicht als zentral gestaltende Kraft der Zukunft erleben kann, tut sich notgedrungen schwer, sich eine eigene Zukunft überhaupt vorzustellen.

Repräsentationskrise

Wie dramatisch diese Repräsentationskrise der Jungen im gestaltenden öffentlichen Diskurs ist, zeigt die diesjährige Jugendwertstudie unter mehreren Tausend 16- bis 29-Jährigen in Deutschland und Österreich. Demnach fühlen sich sieben von zehn Jungen vom politischen Diskurs ausgeschlossen. Nur mehr ein Drittel in dieser Altersgruppe traut der Politik noch. Von Unternehmen und ihren vielen Versprechungen in Sachen gesellschaftlicher Verantwortung sind die Jungen ebenfalls längst enttäuscht, zeigen internationale Umfragen (etwa zuletzt Deloitte Millennial Survey). Quittiert wird das mit bedauerndem Achselzucken.

Wiewohl: Für manche Jungen kann es noch schlimmer sein, als bloß auch einmal erwähnt zu werden. Sie werden ignoriert. So geht es beispielsweise den rund 108.000 Lehrlingen, ihren stockenden Ausbildungen, verschobenen Prüfungen und ratlosen Ausbildungsunternehmen in der Pandemie mit ihrem Bildungsminister. Heinz Faßmann thematisiert die Situation dieser jungen Leute als zuständiger Minister nicht einmal.

Selbstverständlich muss längst kräftig in psychologische und psychotherapeutische Infrastruktur zur Begleitung der Jungen investiert werden – flächendeckend, in aufsuchender Betreuung und auf Krankenschein.

Das ist aber nur eine selbstverständliche Maßnahme. Tatsächlich muss sich radikal ändern, wie wir mit unserer Zukunft umgehen. Die Politik, vom Bundeskanzler abwärts, muss die Jungen aktiv einladen, den Nachwuchs konsequent öffentlich sichtbar fragen und sich auch die Antworten anhören. Diskussionsrunden, Kongresse und Medienwirklichkeiten dürfen nicht mehr "jugendfrei" – also ohne Junge – stattfinden.

Ein bisschen besorgtes Gerede und ein kleines Plakat mit den "Zukunftschancen" reichen nicht. Vertrauen entsteht durch Taten, berechenbare und konsistente Aktionen. Sonst bleibt den Jungen nur das Gefühl der Ohnmacht, weil die Arrivierten nur mit sich selbst beschäftigt sind. (Karin Bauer, 30.11.2021)