Die Funkmasten sind großteils versilbert, nun suchen die Telekombetreiber Investoren – und Tech-Riesen als Mitzahler.

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Brüssel/Wien – Europas Telekomkonzerne wollen amerikanische Tech-Giganten bei Internet-, Cloud- und Streamingdiensten (Filme, Musik) in die Pflicht nehmen. Adressat der Forderung, einen Teil der immensen Kosten für die Aufrüstung der Telekom- und Kabelnetze mit Glasfaser und 5G auf US-Anbieter wie Netflix, Disney+, Spotify, Facebook, Google und Co abzuwälzen, ist die EU-Kommission. Nationalstaatlich sei die Schieflage nicht zu beseitigen, heißt es.

Um ihrem Anliegen Nachdruck zu verleihen, riefen Deutsche-Telekom-Chef Timotheus Höttges und Telekom-Austria-Chef Thomas Arnoldner zusammen mit elf anderen Vorstandsvorsitzenden in einem offenen Brief dazu auf, in Sachen Datennutzung und Netzauslastung aktiv zu werden. Namentlich genannt sind in dem Schreiben, das dem STANDARD vorliegt und über das Reuters zuerst berichtete, weder die EU-Kommission noch die angesprochenen US-Anbieter.

"Fairer Beitrag"

Es ist aber unschwer zu erkennen, wer gemeint ist. "Ein großer und wachsender Teil des Netzwerkverkehrs wird von großen US-Plattformen generiert und monetarisiert, aber das erfordert kontinuierliche, intensive Netzwerkinvestitionen und Planung durch den Telekommunikationssektor", schreiben die Telekomchefs in ihrem Appell.

Dieses Modell könne nur dann nachhaltig sein, wenn die großen Tech-Plattformen auch einen "fairen Beitrag" zu den Kosten leisten würden, schreiben sie mit Verweis auf die enormen Investitionen im europäischen Telekomsektor, die im Vorjahr mit 52,5 Milliarden Euro auf ein Sechsjahreshoch stiegen.

Um diese Ausgaben stemmen zu können, benötigen die Telekomkonzerne Hilfe. Vielerorts tun sie sich inzwischen mit langfristig orientierten Investoren zusammen. So hat der Bonner Dax-Konzern ein Joint Venture mit dem Infrastrukturinvestor IFM aus Australien geschlossen, um gigabitfähige Anschlüsse in der Bundesrepublik zu bauen.

Investoren gesucht

In Österreich und Polen halten die Deutschen nach ähnlichen Deals Ausschau, berichtet das Handelsblatt. Mittels einer solchen Allianz soll beispielsweise die in Österreich vor bald einem Vierteljahrhundert (damals als Maxmobil) gestartete Magenta Milliardeninvestitionen stemmen und so zum größten Glasfaserbetreiber aufsteigen.

Die Gruppe der Unterzeichner besteht aus Vodafone, Telefonica, Orange, KPN, BT Group, Vivacom, Proximus, Telenor, Altice Portugal, Telia, Swisscom – und der in Zentral- und Osteuropa tätigen A1 Telekom Austria.

Über Lösungsvorschläge, also wie man sich die Umsetzung der kursorisch formulierten Generalforderung vorstellen darf, gibt das Papier keine Auskunft. Klar ist nur, dass die Telekoms für Finanzinvestoren attraktiver werden wollen – die Aufrüstung auf Gigabit-Networks wird auf 300 Milliarden Euro an zusätzlichen Investitionen taxiert – und auch regulatorische Änderungen verlangen, womit die EU-Kommission in Ziehung kommt. Denn einheitlich ist der EU-Telekommarkt bis dato nur aufseiten der Endkunden (Stichwort Roaming), nicht aber bei Netzausbau und Großkundentarifen.

Fiskalische Fantasie

Der Fantasie scheinen bei diesem Thema übrigens kaum Grenzen gesetzt; vorstellbar sei eine Digitalsteuer für Infrastruktur ebenso wie die Einhebung einer Art Gigabyte-Zoll nach Vorbild der Autobahnmaut, heißt es. Diesbezüglich seien die Milliarden, die für Funkfrequenzen zu berappen waren, das falsche Signal gewesen, man sieht sich als "Melkkuh" der Nationalstaaten missbraucht.

Unproblematisch wäre so ein Aufschlag oder eine fiskalische Abgabe – die Digitalsteuer ging zuletzt in der weltweiten Mindeststeuer auf oder wird von dieser abgezogen– nicht. Denn was die Telekomkonzerne nicht an die große Glocke hängen: Sie verdienen am Bedarf an Bandbreite, deren Kosten sie beklagen. 80 Prozent des Zuwachses an Netztraffic sei von Tech-Giganten induziert. Denn Streaming steigert die Nachfrage nach höherwertigen Netzanschlüssen. (Luise Ungerboeck, 29.11.2021)