Fußball ist ein fordernder Sport.

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Schicker: "Es macht einen Riesenunterschied, wenn man nach einer Niederlage oder einem Sieg in die Kabine schaut."

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Überraschungen sind im Sport gerne gesehen. Außer von den Überraschten. Am vergangenen Bundesliga-Wochenende haben die vier Europacup-Starter gerade einmal einen mickrigen Punkt geholt. Salzburg kassierte gegen Austria Klagenfurt die erste Saisonniederlage, Sturm musste sich der Wiener Austria geschlagen geben, der LASK – in der Tabelle gar nur Vorletzter – verlor in Hartberg, einzig Rapid holte ein Remis bei Ried in Oberösterreich. Zufall? Vielleicht. Doppelbelastung? Mit Sicherheit.

Sind Österreichs Vereine gar zu schwach aufgestellt für internationale Spiele neben dem Ligaalltag? Das internationale Geschäft ist jedenfalls eine Krux: Alle wollen hin, in die Auslage, ins Scheinwerferlicht des europäischen Fußballs, sich mit Teams anderer Länder messen, wenn möglich erfolgreich. Das gibt Prämien, gesteigertes Zuschauerinteresse, Aufmerksamkeit. Gleichzeitig wird der Kader einem gesteigerten physischen und auch psychischen Druck ausgesetzt. Donnerstag Eindhoven, Sonntag Hartberg. "Es ist machmal schwierig, die Gier nach Siegen von der Europa League in die Liga mitzunehmen", sagt Andreas Schicker zum STANDARD. Schicker ist Geschäftsführer Sport beim SK Sturm. Die Grazer schwimmen derzeit so richtig: In den vergangenen elf Partien konnte gerade einmal ein Sieg (1:0 zu Hause gegen Ried) eingefahren werden.

Donnerstag als Alibi?

Hängt der SK Sturm also in den Seilen? "Es ist schon so, dass wir in entscheidenden Phasen wichtige Spieler wie Hierländer oder Kiteishvili durch Verletzungen verloren haben", sagt Schicker. In der Liga musste man den WAC vorbeiziehen lassen, von den vier Europacup-Startern sind mit Sturm und Salzburg nur zwei in den Top sechs. Zufall? Vielleicht. Doppelbelastung? Selbstverständlich. Dass alle internationalen Vertreter gerade schwächeln, hilft Schicker freilich nicht: "Wir wollen nicht jammern, nicht sudern, sondern auf uns schauen." Eine Saison mit internationalen Spielen kommt nicht überraschend daher, laut Schicker "diskutiert man laufend intern, wie man der Belastung standhalten kann". Trainer Christian Ilzer sagte nach der Niederlage gegen Hartberg Anfang Oktober über die Doppelbelastung: "Ich werde hier nicht sitzen und den Donnerstag als Alibi anführen. Weil dann geht nichts weiter." Ergänzte aber: "Es ist eine Herausforderung für uns Coaches und die Spieler, aber eine Sache, mit der man sich konfrontieren muss."

Was also tun? "Kader verbreitern, Rotation, Rotation, Rotation", ist ein erster Reflex von geübten Fußball-Manager-Spielern. Aber abgesehen von der budgetären Realität der Vereine – Salzburg einmal ausgenommen – birgt auch das Gefahren. Schicker winkt ab: "Quantität ist nicht die Lösung. Wenn du 22 gleichwertige Spieler im Kader hast und die Intensität im Frühjahr zurückgeht, bringt das Unruhe in den Kader. Wer spielt dann?" Bei Sturm setzt man darauf, junge Spieler im Training zu verbessern und an die Qualität der Stammelf heranzuführen. Laut Schicker hat man "eine gute Kadergröße".

Unterschied in der Kabine

"I look not back, I look in front", hat der Denker und ehemalige Weltfußballer Lothar Matthäus einst gesagt. Einmal in einer Serie des Misserfolgs gefangen, ist das leichter gesagt als getan. Das Mentale wird gerne übersehen. Schicker weiß: "Es macht einen Riesenunterschied, wenn man nach einer Niederlage oder einem Sieg in die Kabine schaut." Nicht nur die Physis, die Gesundheit muss gepflegt werden, auch die Gier, der Hunger nach Erfolg braucht Futter: "Das kann man nicht trainieren."

In der Liga steht für Sturm nach der Niederlage gegen die Austria nun das Nachholspiel gegen Altach (Mittwoch, 19 Uhr) auf dem Programm. Es ist die 26. Partie in 19 Wochen. Schicker will – wir erinnern uns – nicht jammern, voll auf die ausbleibenden Spiele fokussieren. Sehnt man sich beim SK Sturm schon sehr in die Winterpause? Der 35-Jährige umkurvt gekonnt: "Wir konzentrieren uns auf die kommenden Spiele." Und trotzdem: "Man muss auch sagen, dass wir schon lange nicht mehr normal trainieren konnten. Auch in den Länderspielpausen. Aber wir sind natürlich froh, dass unsere Spieler die Qualität haben und in die Nationalteams einberufen werden." Dass sie dort wieder trainieren, kicken, die Gier aufrechterhalten müssen, erklärt sich von selbst.

Die Doppelbelastung hat sich für Sturm mit Jahresende erledigt. In einer starken Europa-League-Gruppe ist man als Tabellenletzter ausgeschieden, das Heimspiel gegen Monaco am 9. Dezember ist der finale Vorhang hinter dem Auftritt auf Europas Bühne. Für heuer. Denn: "Natürlich wollen wir auch nächstes Jahr international spielen", sagt Schicker. (Andreas Hagenauer, 30.11.2021)

Technische Daten und mögliche Aufstellungen zum Nachtragsspiel der 14. Bundesliga-Runde am Mittwoch:

SCR Altach – SK Sturm Graz (Altach, Cashpoint-Arena, 19.00 Uhr/live Sky, SR Kijas). Bisheriges Saisonergebnis: 1:3 (a). Saison 2020/21: 0:4 (a), 2:1 (h)

Altach: Casali – Dabanli, Zwischenbrugger, Ndiaye – Bukta, Aigner, Haudum, Tartarotti, Edokpolor – Nuhiu, Bischof

Ersatz: Odehnal – Prokop, Prokopic, Mischitz, Schreiner, Meilinger, Reiter

Es fehlen: Thurnwald (Rücken), Krizman (Adduktoren), Netzer (Fußverletzung)

Sturm: Siebenhandl – Gazibegovic, Affengruber, Wüthrich, Dante – Sarkaria, Gorenc-Stankovic, Niangbo, Prass – Yeboah, Jantscher

Ersatz: Schützenauer – Geyrhofer, Jäger, Komposch, Ljubic, Borkovic, Wels, Lang

Es fehlen: Kuen (gesperrt), Hierländer (Knie), Kiteishvili (nach Syndesmoseband-OP), Ingolitsch, Trummer (beide im Mannschaftstraining), Mwepu (Knie)