Katia Wagner, Angela Alexa und Raphaela Scharf (v. re.) arbeiteten für Medienmanager Wolfgang Fellner und werfen ihm sexuelle Belästigung vor. Moderatorin Corinna Milborn befragte die Frauen nach den ersten erfolgreichen Klagen.

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Die TV-Moderatorin Raphaela Scharf brachte die Causa ins Rollen. Sie sagte am Dienstag: "Ich bin hier, um anderen Frauen Mut zu machen." Wer betroffen sei, könne es schaffen, "dann kannst du dich uns anschließen, und du kannst um dein Recht kämpfen".

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Fast sieben Monate und einige Gerichtsverfahren später hat Puls-24-Moderatorin Corinna Milborn zum zweiten Mal Ex-Mitarbeiterinnen von Medienmanager Wolfgang Fellner vor die Kamera geholt: Unter dem Titel "Jetzt sprechen die Frauen" berichteten dieses Mal drei Frauen am Dienstagabend über ihre Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen Fellner. Neben Raphaela Scharf und Katia Wagner, die bereits Anfang Mai bei "Milborn Spezial" ihre Vorwürfe geschildert hatten, trat die Radiomoderatorin Angela Alexa erstmals öffentlich auf.

Alle drei arbeiteten bei Fellner, alle drei sagen, er habe sie als damaliger Chef sexuell belästigt. In ihrem damaligen Arbeitsumfeld in der Mediengruppe Österreich seien sie Angst und Druck ausgesetzt gewesen. Fellner bestreitet die Vorwürfe, mit Ausnahme jener Aussagen, die Wagner öffentlich machte. Anfang November bekannte er sich deshalb vor Gericht der üblen Nachrede schuldig und wurde nicht rechtskräftig verurteilt. Er kündigte volle Berufung an. Die meisten anderen Verfahren sind noch anhängig. Fellner sei laut Milborn zur Sendung eingeladen worden, weder er noch sein Anwalt hätten reagiert.

Raphaela Scharf sprach über die Vorwürfe gegen Wolfgang Fellner. Er bestreitet diese und führt deshalb auch ein Verfahren gegen seine Ex-Mitarbeiterin.

Alexa, die Fellner unter anderem vorwirft, sie bei einer Weihnachtsfeier 2017 begrapscht zu haben – dieser bestreitet –, erläuterte, warum sie die Vorwürfe öffentlich machte: Sie habe Scharf und Wagner lange Zeit beobachtet und sich in sie hineinversetzt: "Würde ich alleine dastehen, würde ich mir auch wünschen, dass jemand zu mir steht", habe sie sich damals gedacht. Ähnlich Wagner: Sie habe lange zu den Belästigungen geschwiegen, als aber über Scharfs Fall medial berichtet wurde, habe sie es als "ihre Pflicht" angesehen, sich zu Wort zu melden.

In die "Höhle des Löwen" geschickt

"Wo beginnt sexuelle Belästigung?", fragte Milborn. Alexa schilderte jenen Moment, den sie bereits vor Gericht bezeugte: Vor ihrem ersten Treffen mit Fellner persönlich sei sie von dessen Assistentin gefragt worden, ob das Outfit ihr Ernst sei. Die Mitarbeiterin habe ihr dann quasi eine Anleitung für das Treffen gegeben. Sie solle sich auf kein Abendessen einlassen und vor Fellner so viel wie möglich über ihren Freund sprechen, so ihr Ratschlag. "Ich wurde da quasi in die Höhle des Löwen geschickt", sagte sie. Als 22-Jährige habe sie ihrem über 60-jährigen Chef erklären müssen, dass sie nicht gerne mit ihm auf Urlaub fahren oder Abendessen gehen will. Fellner bestreitet die Vorwürfe Alexas.

Wagner antwortete auf dieselbe Frage, dass sie damals, im Jahr 2015, überfordert gewesen sei. Sie habe versucht, sich herauszuwinden. Wenn ein Chef seine Mitarbeiterin "Luxus-Geisel" nenne und frage, ob er ihr Kleid aufzippen könne, sei das definitiv eine Grenzüberschreitung. Sie habe damals aber Angst gehabt. Erst das Verfahren von Scharf habe sie motiviert, ein Zeichen zu setzen.

"System Fellner"

Scharf gab an, sich zu Beginn noch gefreut zu haben, dass sie "im Blickfeld Wolfgang Fellners" gewesen sei. Sie habe beruflich aufsteigen wollen. Deshalb habe sie auch darüber hinweggesehen, als ihr Chef Nachrichten mit Essenseinladungen geschickt habe – an ihre private Nummer. Die Medienbranche sei klein, außerdem sei es ein "ungeschriebenes Gesetz" bei Fellners Sender, dass der Chef weibliche Mitarbeiterinnen zum Abendessen einlädt. Fellner bestreitet jegliche Vorwürfe Scharfs und betonte bei mehreren Gelegenheiten, dass in seinen Unternehmen sexuelle Belästigung nicht toleriert werde.

Alles werde in Fellners Medienhaus "unter den Teppich gekehrt", sagte Scharf. Fellner sagte bereits mehrmals an anderer Stelle, dass er in seinen Unternehmen sexuelle Belästigung nicht toleriere.

Anders sahen das Wagner und Alexa: Für jene Arbeitskollegen, denen Alexa von den Vorwürfen erzählt habe, seien die Vorfälle "keine Sensation" gewesen und von diesen wie eine "Selbstverständlichkeit" aufgenommen worden. Sie habe erkannt, dass das "System Fellner" so funktioniere, sagte Wagner. In der Medienbranche hätten alle von den Vorwürfen gewusst, Fellner habe die gesamte Republik "jahrelang in Angst-Geiselhaft" gehalten. Er sei sich bewusst, dass man vor ihm Angst habe, und spiele damit.

Tage nach Veröffentlichung "nicht einfach"

Alle drei Frauen berichteten aber auch von den zahlreichen positiven Reaktionen, die sie bekommen hätten, "von der Hausfrau bis zu Politikerinnen" – und auch ihre Studiogäste würden Scharf zu ihrem Schritt, an die Öffentlichkeit zu gehen, gratulieren. Das zeige, dass offenbar viele Menschen gewusst hätten, wie Fellner sein "Machtkonstrukt" aufgebaut habe. Alexa gab zu, dass die Tage nach der Veröffentlichung "nicht einfach" gewesen seien, aber es sei "wichtige Arbeit, dass wir das aufzeigen".

Nach ihrem ersten Auftritt bei Puls 24 habe Fellner in seinen Medien über sie und Scharf schlecht geschrieben, sagte Wagner. Fellner zeige damit, dass er als Medienmacher Leute "zerstören" könne. Sie und Scharf klagten gegen einige der Artikel in Fellner-Medien, Fellner musste bereits mehrere Gegendarstellungen veröffentlichen – DER STANDARD berichtete. Was allfällige Reaktionen Fellners auf ihr jetziges Interview betrifft, gab sich Wagner entspannt: "Ich bin auch gespannt, ob wir drei morgen die Titelseite [von Fellners Zeitung, Anm.] beherrschen werden." (Laurin Lorenz, 30.11.2021)