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Für gehörige Aufregung sorgte am späten Dienstagnachmittag die Kanzlei Ainedter & Ainedter, die per Aussendung einen Personalzugang verkündete. Linda Poppenwimmer, Oberstaatsanwältin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die zuletzt bei der Generalprokuratur gearbeitet habe, werde sich mit 15. Dezember von der Justiz karenzieren lassen und ins Anwaltsbüro von Manfred und Klaus Ainedter wechseln.

Es ist aber nicht diese Tatsache, die bei Juristen allerorten für Empörung sorgt, sondern die ausführliche Begründung für ihren Wechsel, die in der Aussendung zitiert wurde. Poppenwimmer ließ Folgendes wissen: Sie habe "schweren Herzens erkennen" müssen, "dass die staatsanwaltschaftliche Arbeit zunehmend durch ein vergiftetes und von Freund/Feind-Denken bestimmtes Klima überlagert wird.

Die Gründe dafür sehe ich vor allem in einer massiven Zerrissenheit innerhalb der Strafjustiz, einer ausufernden Anzeigen-Unkultur, aber auch einer medialen und politischen Vereinnahmung der Justiz von verschiedenen Seiten. Diese Situation hat sich in den letzten Wochen und Monaten – auch für die Öffentlichkeit erkennbar – bedauerlicherweise weiter verschärft. (…)" Unter den gegebenen Bedingungen könne sie nicht mehr "guten Gewissens mit der notwendigen persönlichen Überzeugung dienen".

Ministerium überprüft Compliance-Regeln

Das Besondere daran: Laut Aussendung lässt sich die Juristin ab 15. Dezember 2021 karenzieren – das heißt, sie ist derzeit noch für die Justiz tätig. Ihre harsche Kritik an selbiger Justiz könnte dienstrechtliche Folgen haben.

Das Justizministerium gab am Mittwochvormittag eine Stellungnahme ab: Allgemein gelte, dass Karenzierungen von der Dienstbehörde genehmigt werden, im konkreten Fall sei das die Oberstaatsanwaltschaft Wien. Im Fall einer Karenzierung unterliege die karenzierte Person nach ihrem Wechsel selbstverständlich weiterhin dem Amtsgeheimnis. Das bedeute, dass sie ihr Wissen zu einzelnen Fällen, das sie aufgrund ihrer Tätigkeit für die Justiz erlangt hat, nicht verwenden bzw. weiter geben dürfe. Und, so eine Sprecherin des Ministeriums: Alle Staatsanwälte hätten "die justizinternen Compliance-Regeln einzuhalten. Wir prüfen, ob die Compliance-Regeln ausreichend sind und ob Nachschärfungen erforderlich sind."

Staatsanwältin gibt keine Auskunft

Poppenwimmer selbst kann man dazu nicht befragen: Sie werde sich "ausschließlich auf die juristische Arbeit konzentrieren und steht für Medienanfragen, Interviews und Stellungnahmen nicht zur Verfügung", ließ Ainedter & Ainedter wissen. Dem STANDARD sagt Manfred Ainedter, Poppenwimmer sei eine "Spitzenjuristin" und, angesprochen auf die Kritik an der Justiz, meint Ainedter, sie beschreibe halt, warum sie wechsle.

Die Kanzlei war zuletzt in die Schlagzeilen gekommen, weil sie die Rechtsschutzbeauftragte Gabriele Aicher bei dem Verfassen einer Pressemitteilung über die Arbeit der WKStA beraten hatte. (Renate Graber, Fabian Schmid, 30.11.2021)

*Der Artikel wurde am 1.12. Vormittag um die Stellungnahme des Ministeriums erweitert.