Wie lange dauert dieser Lockdown noch? Bis 11. Dezember sind Geschäfte und Co jedenfalls zu, dann könnten erste Länder vorpreschen. Oberösterreich bleibt zumindest bis 17. Dezember im Sperrmodus.

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Wirkt er, oder wirkt er nicht? Seit zehn Tagen ist Österreich im Lockdown, doch von Beginn an regten sich Zweifel. Zu bevölkert schienen Straßen, Öffis und Fußgängerzonen mancherorts, um einen massiven Einbruch bei den zwischenmenschlichen Kontakten zu erwarten.

Nun haben Mobilfunkanbieter anhand anonymisierter Handydaten Bewegungsstromanalysen vorgelegt. Diese bestätigen den Eindruck: Tatsächlich ist der aktuelle Lockdown von allen vier bisherigen österreichweiten Versuchen am schwächsten ausgeprägt.

Um 18 Prozent habe sich die Mobilität gegenüber der Vor-Pandemie-Zeit verringert, hat die A1-Tochterfirma Invenium erhoben – kein Vergleich mit der Premiere im März 2020, als das Minus 40 Prozent betrug. Auch in den beiden Lockdowns im letzten Herbst und Winter fiel die Reduktion mit 25 und 26 Prozent geringer aus. Maßstab ist dabei der Anteil der Menschen, deren täglicher Bewegungsradius einen Kilometer überschreitet.

Motivationsprobleme

Angesichts des gesunkenen Vertrauens in die Regierung und ungeimpfte Mitmenschen könnte die Motivation, sich aus dem öffentlichen Leben zurückzunehmen, erodiert sein, lautet eine, aber nicht die einzige Erklärung. Denn verändert haben sich auch die Rahmenbedingungen. Nie war der Druck, die Kinder aus der Schule zu nehmen, so schwach wie diesmal. Auch die Impfung wird die Lockdown-Moral alles andere als anstacheln.

Der Mitbewerber "3" hat seine Analysen auf spezielle Hotspots konzentriert. Demnach waren in den Einkaufsstraßen um 37 Prozent weniger Menschen als vor dem Lockdown unterwegs. An den Bahnhöfen nahm die Frequenz um 26 Prozent ab, an stichprobenartig ausgewählten HTLs um 19 Prozent. Die Bürger hätten ihre Mobilität damit schwächer eingeschränkt als beim Herbstlockdown des Vorjahres, so die Conclusio.

"3" stieß dabei auf erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesländern. Während sich die Frequenz in der Wiener City um 54 Prozent verringert hat, betragen die Rückgänge in den Innenstädten von Eisenstadt, Bregenz und St. Pölten mit 18 bis 24 Prozent nicht einmal die Hälfte. Die Spannweite zwischen den restlichen Landeshauptstädten reicht von 30 Prozent in Klagenfurt bis 42 Prozent in Linz.

Innenstadt spürt Lockdown besonders

Daraus lässt sich aber nicht automatisch auf einen Schlendrian mancherorts schließen. Wie stark die Mobilität in den Städten abnehme, hänge stark von der Struktur ab, heißt es bei Invenium. Wo die Zentren üblicherweise besonders viele Menschen zum Shoppen, Essen oder Sightseeing anziehen, falle der Einbruch nun umso stärker aus.

Für die Wiener Innenstadt kommt Invenium im Vergleich zur Zeit vor Corona auf einen Mobilitätsknick von 59 Prozent – im März 2020 betrug dieser noch 89 Prozent. Ein stichhaltiger Beleg, dass Lockdowns in manchen Bundesländern ernster genommen würden als in anderen, lasse sich aus den Daten aber nicht herauslesen.

Reicht die an den Tag gelegte Zurückhaltung aus, um Österreich aus der vierten Welle zu manövrieren? Die Auswirkungen des Lockdowns schlagen sich erst allmählich in den Infektionszahlen nieder, zu sinken begonnen hat die Sieben-Tage-Inzidenz (Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern) aber bereits zu Beginn der vergangenen Woche – wohl eine Folge vorauseilender Vorsicht und des Lockdowns für Ungeimpfte davor. Österreichweit beträgt die Inzidenz derzeit 894,2. Am niedrigsten ist sie in Wien (480,4), am höchsten in Salzburg (1323,7).

Das Lockdown-Regime macht da aber keinen Unterschied – vorerst zumindest. Am Dienstag beschloss der Hauptausschuss des Nationalrats mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und SPÖ die pauschale Verlängerung bis 11. Dezember, dieser Akt ist alle zehn Tage nötig. Außerdem verhängte das Gesundheitsministerium Verschärfungen. Wie schon in früheren Lockdowns dürfen Geschäfte ab Donnerstag nur noch bis 19 Uhr offenhalten. Die Gültigkeit der Impfzertifikate wird von 360 auf 270 Tage verkürzt – es sei denn, man ist zweimal geimpft und genesen. Gute Nachricht: Christbäume dürfen verkauft werden.

Varianten des Lockdowns

Die Frage, ob mit 12. Dezember wirklich aufgesperrt werden kann, stößt in der Fachwelt auf unterschiedliche Einschätzungen. Dabei geht es nicht nur um das Wann, sondern auch um das Wo. Mehrere Varianten sind denkbar.

Die sicherste Möglichkeit, um die Überlastung der Intensivstationen zu verhindern, wäre eine Verlängerung des Lockdowns für alle – allerdings um den Preis des größten wirtschaftlichen Schadens. Wenn Verlängerung, dann für sämtliche Länder, meinte der steirische Landeshauptmann Herrmann Schützenhöfer (ÖVP). Doch aus Wien ist auch Gegenteiliges zu vernehmen.

Die aktuellen Zahlen legen ein Ost-West-Gefälle nahe: Wien, Niederösterreich und das Burgenland könnten sanft öffnen, der Rest bliebe zu. Für die Regierungen in den Lockdown-Ländern ist das eine besonders ungute Situation, weil sie ihren Bürgern dann erklären müssen, warum gerade diese nicht shoppen und Punsch trinken gehen dürfen.

Da etwa in Niederösterreich die Lage zwischen West und Ost extrem unterschiedlich ist, würden sich eigentlich regional abgestufte Öffnungsschritte anbieten. Doch das ist politisch und administrativ am kompliziertesten.

Hoffnungsfroh sind die Sozialpartner. Die Vertreter von Arbeitnehmern und Arbeitgebern haben sich darauf geeinigt, dass Geschäfte als Kompensation für den Lockdown erstmals an einem Sonntag, und zwar dem 19. Dezember, öffnen dürfen – sofern Österreich nicht im Sperrmodus bleibt. (Gerald John, 1.12.2021)