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So zünftig wie 2008 bei einem Festakt in München wird es am Donnerstag bei der offiziellen Verabschiedung von Angela Merkel nicht zugehen. Es wird eher ein wenig melancholisch werden.

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Am Donnerstag wird die deutsche Bundeskanzlerin mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedet werden. Und wie es sich für einen solchen Festakt ziemt, wird das Stabsmusikkorps der Bundeswehr für eine entsprechend feierliche Stimmung sorgen. Zur Tradition von Begräbnissen, Trauerfeiern, Verabschiedungen oder Ehrungen zählt natürlich die passende Musik. Im Falle der deutschen Kanzlerin durfte sie sich, ebenso traditionell wie zuvor etwa auch jeder deutsche Verteidigungsminister und jede Verteidigungsministerin, die Musik selbst aussuchen.

Gerd Schröder, ihr Vorgänger als Kanzler, Zigarrenraucher und Mann von altem Schrot und Korn, erwählte sich, man muss es so sagen, reichlich erwartbar den Machoklassiker My Way von Frank Sinatra. Es handelt sich dabei um ein Lied, das im deutschen Sprachraum neben der Träumerei von Robert Schumann, Ave Maria von Franz Schubert, Air von Johann Sebastian Bach, Amoi seg' ma uns wieda von Andreas Gabalier oder Time To Say Goodbye von Andrea Bocelli und Sarah Brightman zu den großen Begräbnisklassikern gehört.

Zu "My Way" in den Whiskey weinen

Allerdings weinen zu My Way auch gern Manager und Handelsreisende spätnachts in irgendwelchen Hotelbars des Grauens in ihre Double Shot Whiskeys, wenn der Tag gerade wieder besonders hart zu ihnen gewesen ist. Alles in Ordnung also mit Schröders Musikwahl von 2005.

Ursula von der Leyen gab es da schon etwas billiger. Als sie 2019 als Verteidigungsministerin verabschiedet wurde, wählte sie Wind Of Change, die Mauerfallhymne der deutschen Heavy-Metal-Sachbearbeiter Scorpions. Sänger Klaus Meine ist übrigens ein alter Buddy von Gerd Schröder. Alles hängt irgendwie mit allem zusammen.

Der scheidende Bundespräsident Joachim Gauck wünschte sich als alter Ossi 2017 bei seiner Verabschiedung Über sieben Brücken musst du gehn der Ostberliner Band Karat. Der deutsche Verteidigungsminister Thomas de Maizière schreckte 2014 nicht vor Opus mit Live Is Life zurück, Karl-Theodor zu Guttenberg hinterließ 2011 in selber Position mit Smoke On The Water von Deep Purple verbrannte Erde.

Jetzt muss sie denn zum Städtele hinaus

Angela Merkel nun verbindet in ihrer Musikauswahl, gut ausgewogen zwischen Ost und West, einen alten Klassiker aus der Zone mit einer wunderbaren, heiter-melancholischen Ballade aus dem Westen.

Das dritte Lied bei einem Großen Zapfenstreich in Berlin muss meist ein Kirchenlied sein. Merkel suchte sich Großer Gott, Wir loben Dich aus. Dazu kommt der alte, latent-subversive DDR-Jugendklassiker Du hast den Farbfilm vergessen von Nina Hagen, als sie in Ostdeutschland noch ein Schlagerstar war.

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Zum Kehraus wird dann mit Hildegard Knef gebeten werden. Bei Für mich soll's rote Rosen regnen kommen den Hörern und Hörerinnen hoffentlich die Tränen. Das Stabsmusikkorps der Bundeswehr hat ja vielleicht den Beserlschlagzeug-Swing und die Blue Notes des Originals nicht soo gut drauf. Und der letzte Refrain ist für einen Abschied mit sehr vielen Taschentüchern ideal geeignet. Er weist noch dazu in eine Zukunft. Wenn Angela Merkel denn aus dem Städtele hinaus und wir hierbleiben müssen, dann so:

"Für mich soll's rote Rosen regnen

Mir sollten ganz neue Wunder begegnen

Mich fern vom Alten neu entfalten

Von dem, was erwartet, das meiste halten

Ich will, ich will"

(Christian Schachinger, 1. 12.2021)