Toto Wolff will es wissen.

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Lewis Hamilton soll bei der Formel-1-Premiere in Saudi-Arabien mit seinem starken Mercedes-Motor aus dem Brasilien-Rennen ein WM-Finale gegen Red-Bull-Pilot Max Verstappen erzwingen. "Jetzt kommt die richtige Granate wieder rein für Saudi-Arabien und Abu Dhabi. Wir haben uns dieses Feuer für die letzten zwei Rennen aufbewahrt", kündigte Mercedes-Teamchef Toto Wolff nach Hamiltons jüngstem Sieg in Katar an.

Im Grand Prix zuvor in Brasilien hatte der Engländer mit einem frischen Aggregat brilliert, anschließend in Katar wurde der Motor aber nicht eingesetzt und aufgespart. "Wir sind auf der Jagd, motivierter denn je und freuen uns auf das Renndebüt in Saudi-Arabien", betonte Wolff vor der Premiere auf dem neuen Jeddah Corniche Circuit, der mit seinen langen Vollgaspassagen und den schnellen Kurven Mercedes liegen sollte.

Ruhig

Hamilton hat nach zwei Grand-Prix-Siegen nacheinander seinen WM-Rückstand zwar auf acht Punkte verkürzt, Verstappen könnte aber trotzdem schon an diesem Sonntag (18.30 Uhr MEZ, live Sky, ServusTV) erstmals Weltmeister werden. "Ich fühle mich ruhig. Ich weiß, dass ich immer versuchen werde, mein Bestes zu geben", sagte der Niederländer und versicherte: "Es wird ein aufregendes Saisonende werden."

Ralf Schumacher hofft auf eine sportliche faire Entscheidung in der so spannenden WM 2021. "Das ist eine Mega-Saison. Eine der spannendsten seit langem. Es wäre schade, wenn die FIA entscheiden müsste, wer Weltmeister wird", sagte der ehemalige Formel-1-Fahrer und Bruder von Rekord-Weltmeister Michael Schumacher am Mittwoch im Sky Press Talk. ServusTV-Experte Christian Klien pflichtete dem bei. "Verbale Sticheleien haben wir nur zwischen den Teams erlebt, nicht zwischen den Fahrern. Sie verhalten sich professionell und machen ihren Job."

Bauen

Hamilton könnte sich mit seinem achten Titelgewinn vor Michael Schumacher an die Spitze der ewigen Rangliste setzen und als alleiniger Rekord-Weltmeister weitermachen. "Lewis geht aber die Zeit aus und keiner weiß, wie das Auto nächstes Jahr läuft", rät Schumacher, den achten Titel besser gleich dieses Jahr einzufahren. Hamilton habe deshalb aus seiner Sicht auch mehr zu verlieren. "Der Druck lastet eher auf Lewis. Und es ist schwer abzuschätzen, wie viel Unterstützung er von Valtteri Bottas bekommt."

Red Bull hingegen baut gleich auf vier Autos, nachdem neben Sergio Perez auch die Fahrer des zweiten Mateschitz-Teams AlphaTauri Verstappen eher nicht in die Quere kommen werden. Schumacher ist überzeugt, dass Hamilton bei Kollisionsgefahr deshalb eher zurückziehen wird, wie er es ja auch schon in Brasilien getan habe. "Lewis muss sehr aufpassen. Denn wenn es kracht, könnte Max es darauf ankommen lassen. Ich hoffe das zwar nicht, aber jetzt geht es um alles."

Laut dem Deutschen lägen bei Fahrern und Teams die Nerven blank. "Aber es ist schön zu erleben, dass es bis zum letzten Rennen geht." Verstappen würde ohne seine – teils unverschuldeten – Ausfälle ohnehin längst Weltmeister sein, ist Schumacher überzeugt. Nun mit einem Motorenwechsel fünf Plätze in der Startaufstellung zurückzugehen und dafür im letzten Rennen in Abu Dhabi wie Mercedes über ein starkes Triebwerk zu verfügen, sei durchaus eine Option. Es gehe aber nicht nur um den Motor. "Mercedes war zuletzt vor allem beim Handling mit den Reifen besser."

Ersparen

Weitere Einsprüche der beiden um den Titel kämpfenden Teams würde er sich und den Zuschauern gerne ersparen, so Sky-Experte Schumacher. "Es wäre schade um dieses spannende Duell." Früher habe das Bernie Ecclestone anders geregelt. "Er kam zu uns rein und hat gesagt, wer immer sich einmischt, kriegt nächstes Jahr keine Superlizenz." Ein Titelduell sei hart, müsse aber auch fair bleiben. "Man muss sich auch weiterhin in die Augen schauen können. Das sollte diesmal auch klappen die beiden werden es unter sich ausmachen."

Ein zusätzliches Spannungselement ist, dass die Strecke in Jeddah so neu ist, dass noch bis Mitte der Woche geschraubt und geteert wurde. Herausgekommen ist der mit über 250 km/h Schnitt schnellste Stadtkurs überhaupt. Gefahren wird hier von der Königsklasse aber nur ein Mal. (APA, 1.12.2021)

Details zur Premiere der Formel 1 auf dem Jeddah Corniche Circuit in Saudi-Arabien:

Die Strecke: Neun Monate wurde bis zuletzt an dem neuen Kurs im Wüstenstaat gebaut. Verantwortlich für das Design war wieder einmal der Hofbaumeister der Formel 1, Hermann Tilke, zusammen mit seinem Sohn Carsten. Der Jeddah Corniche Circuit ist mit 6,174 Kilometern hinter Spa-Francorchamps der zweitlängste Kurs des Rennkalenders. Zugleich ist er der längste Stadtkurs noch vor Baku. Das Spektakel findet unter Flutlicht statt.

Die Lage: Der Kurs verläuft entlang der Küste des Roten Meeres und schlängelt sich durch die Lagune rund um die "schwimmende Moschee". Die Al-Rahma Moschee fußt auf weißen Stelzen, bei Flut wirkt es so, als ob sie auf den Wellen vor sich hintreibt. Das Panorama an der Uferpromenade stimmt also – das Tempo auch. Simulationen zufolge erreichen die Piloten bis zu 350 km/h. Durch gleich 27 Kurven (11 rechts, 16 links) – so viele wie auf keiner anderen Strecke – jagen sie mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 252 km/h, nur Monza mit 264 km/h wäre noch schneller.

Der Konflikt: Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat schon bei der Ankündigung im vergangenen Jahr den Grand Prix scharf kritisiert. Saudi-Arabien wolle mit dem Gastspiel von der schlechten Menschenrechtslage im Land ablenken. Mercedes-Superstar Lewis Hamilton verwies 2020 darauf, dass die Formel 1 eine "kraftvolle Plattform" sein könne, "um Dinge in Bewegung zu setzen" und die Welt zum Besseren zu verändern. Hamilton hat nun angekündigt, auch bei den letzten beiden Saisonrennen in Saudi-Arabien und Abu Dhabi seinen neuen Helm mit Regenbogen-Lackierung zu tragen. Er will sich damit unter anderem für eine freie sexuelle Orientierung einsetzen.

Das Besondere: Saudi-Arabien ist das 34. Gastgeberland eines Formel-1-Rennens. Das lässt sich das Königreich Medienberichten zufolge auch einiges kosten. Von angeblich 900 Millionen US-Dollar Antrittsprämie für zehn Jahre ist die Rede. Schon seit 2020 ist der saudi-arabische Mineralöl-Konzern Aramco Hauptsponsor der Rennserie. Der Wüstenstaat will sich mit seinem Reformprogramm "Vision 2030" bis zu jenem Jahr unabhängiger machen vom Öl – auch durch Investitionen im Ausland und eben im Sport.

WM-Stand

1. Max Verstappen (Niederlande) 351,5 Punkte
2. Lewis Hamilton (Großbritannien) 343,5
3. Valtteri Bottas (Finnland) 203
4. Sergio Perez (Mexiko) 190
5. Lando Norris (Großbritannien) 153
6. Charles Leclerc (Monaco) 152
7. Carlos Sainz jr. (Spanien) 145,5
8. Daniel Ricciardo (Australien) 105
9. Pierre Gasly (Frankreich) 92
10. Fernando Alonso (Spanien) 77
11. Esteban Ocon (Frankreich) 60
12. Sebastian Vettel (Deutschland) 43
13. Lance Stroll (Kanada) 34
14. Yuki Tsunoda (Japan) 20
15. George Russell (Großbritannien) Williams 16
16. Kimi Räikkönen (Finnland) 10
17. Nicholas Latifi (Kanada) Williams 7
18. Antonio Giovinazzi (Italien) 1

Bei Punktgleichheit werden für die Ermittlung der jeweiligen Platzierung die besten Einzelresultate hinzugezogen.