100 Schulen wurden durch einen Vergleich eines "Belastungsindex" und der Bildungsstandard-Ergebnisse für ein Pilotprojekt auserkoren und können mehr Ressourcen anfordern.

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Von den "100 Schulen" war das erste Mal vor rund zwei Jahren zu hören. Damals hat die türkis-grüne Koalition bei ihrem Antritt angekündigt, dass sie in einem Pilotprojekt hundert ausgewählten Schulen mehr Ressourcen zur Verfügung stellen will. Das Wort "Brennpunktschulen" wurde absichtlich vermieden, man sprach lieber von "Schulen mit besonderen Herausforderungen". Ziel des Projekts: herauszufinden, welche Faktoren auch an Schulen, die unter schwierigen Bedingungen arbeiten, zu Verbesserungen und Erfolgen beitragen können. Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt von einem Forscherteam des Instituts für Psychologie und der Entwicklung und Bildung an der Universität Wien.

Die SPÖ-Abgeordnete Nurten Yilmaz wollte nun mittels einer parlamentarischen Anfrage an Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) wissen, wie viel bei dem Projekt schon weitergegangen ist und nach welchen Kriterien die hundert Schulen ausgesucht und subventioniert werden. Die Antworten des Ministeriums liegen dem STANDARD vor – und gleich vorweg: Eine Liste der hundert Schulen ist nicht dabei. Eine "Veröffentlichung der einzelnen Standorte ist aufgrund der hohen Sensibilität nicht vorgesehen", schreibt Faßmanns Ressort.

Belastungsindex

Mehr Informationen gibt es aber dazu, wie die Standorte ausgewählt wurden: Zunächst wurden 200 strukturell benachteiligte Pflichtschulen anhand des "Belastungsindex" ermittelt. Dieser Index stammt vom ministeriumseigenen Institut für Qualitätssicherung (vormals Bifie) und setzt sich aus drei gleich gewichteten Komponenten zusammen: dem Anteil der Eltern mit maximal Pflichtschulabschluss, dem sozioökonomischen Status der Eltern und einer weiteren Komponente, die aus dem Anteil der Kinder mit nichtdeutscher Umgangssprache und deren Migrationshintergrund kombiniert wird.

Overperformer und Underperformer

Bei den so gefundenen 200 Schulen wurde dann von den Forschern der Uni Wien analysiert, wie sie bei den Bildungsstandard-Testungen in den Fächern Mathematik und Lesen reüssiert haben. Als interessant galten jene, die besser oder schlechter als statistisch erwartbar abgeschnitten haben, weil man sich hier Aufschlüsse erhofft, warum Schulen trotz ähnlicher Voraussetzungen deutlich unterschiedliche Erfolge erzielen. Schulen, die nahe am Erwartungswert lagen, wurden aussortiert. Insgesamt wurden 40 Over-Performer und 41 Under-Performer in Lesen und Mathematik ausgewählt, die restlichen 19 haben gemischte Profile: Sie sind also in einem Fach besser und im anderen schlechter als erwartbar. Ein Drittel aller nach diesen Kriterien gewählten Schulen liegt in Wien, danach folgt Oberösterreich mit 19 Schulen. Aus dem Burgenland wurde bloß eine Schule, eine Volksschule, in den Pool aufgenommen.

15 Millionen reserviert

Was ist seit dieser Auswahl passiert? Die Schulen wurden angeschrieben, fünf davon wollten nicht teilnehmen und mussten daher nachbesetzt werden. Alle mussten dann eine Analyse des Ist-Standes zu Herausforderungen und Ressourcenproblemen übermitteln, dieses Prozedere ist laut Anfragebeantwortung mittlerweile abgeschlossen. Insgesamt habe sich das Projekt aufgrund der Pandemie aber um ein halbes Jahr verzögert, räumt Faßmann ein. Das sei auch der Grund, warum bisher kein Cent aus den für das Projekt reservierten 15 Millionen Euro an die Schulen geflossen sei. Das soll erst kommendes Semester passieren, zunächst müssen die Schulen noch beantragen, welche Ressourcen sie konkret haben wollen – etwa mehr Lehrkräfte, administratives Personal, Schulsozialarbeiter oder auch bauliche Maßnahmen.

Die wissenschaftliche Evaluierung kostet zusätzliche 600.000 Euro und soll Ende 2023 abgeschlossen sein. "Als die drei zentralen Ergebnisqualitätskriterien wurden der Lernfortschritt, die Veränderung der Lernmotivation und die Veränderung des schulischen Wohlbefindens der Schülerinnen und Schüler festgelegt", heißt es. An allen Schulen sollen quantitative Befragungen durchgeführt werden, darüber hinaus 13 qualitative Fallstudien. Am Ende – so der Anspruch des Ministeriums – werde sich zeigen, welche Maßnahmen und Ressourcen an Brennpunktschulen Wirkung zeigen.

Umfassende Förderung nicht gesichert

Wie die Regierung die erhofften Erkenntnissen in Handlungen ummünzen will, ist allerdings noch fraglich. Ob es etwa eine Ausweitung der Finanzierung auf alle Schulen mit hoher Belastung geben wird, ist laut Faßmann etwa offen. Das kritisiert auch SPÖ-Integrationssprecherin Nurten Yilmaz im Gespräch mit dem STANDARD: "Mir fehlt ein klares Bekenntnis des Ministers, dass der Chancenindex in ganz Österreich ausgerollt wird." Da die Regierung jetzt schon wisse, welche Schulen besonders belastet sind, brauche es überdies sofort großflächige Investitionen. Das auf 100 Schulen begrenzte Forschungsprojekt habe zwar Hand und Fuß, bleibe aber nur ein "Tropfen auf den heißen Stein", befindet die Abgeordnete. (Theo Anders, 2.12. 2021)