Premiere: Erstmals leitet Beat Furrer die Wiener Symphoniker.

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Wien – Ein wenig melancholisch wirkte es schon, als Wien-Modern-Chef Bernhard Günther während einer Umbaupause die lange Liste mit den Namen jener Komponisten und Ensembles verlas, deren Werke und Auftritte dem jüngsten Lockdown zum Opfer gefallen waren. Immerhin: Ganz ausfallen soll nichts davon, nur verschoben ins kommende Jahr, teilweise bereits zum zweiten Mal.

Das betrifft etwa das Riesenprojekt ceremony II von Georg Friedrich Haas für Musikinstrumente aus sechs Jahrhunderten im Kunsthistorischen Museum, einen Teil des Zyklus des Quatuor Diotima oder Uraufführungen von Olga Neuwirth und Elisabeth Harnik.

Immerhin: Einige Konzerte konnten – wie schon im Vorjahr erprobt – noch live gestreamt werden. Darunter auch das Schlusskonzert, das am Dienstag über die Bühne des Wiener Konzerthauses ging. Erstmals leitete Beat Furrer die Wiener Symphoniker – bei zwei eigenen Werken, einem von ihm geschätzten Klassiker der Avantgarde (Edgard Varèse: Déserts) und einer Vertreterin der jüngeren Generation.

Surreale Inspiration

Letztere – Milica Djordjević – entwarf in Quicksilver eine raffinierte Klangfarbendisposition mit vierteltönig gegeneinander verstimmten Orchestergruppen und, davon ausgehend, eine schleichende Entwicklung von Akkordflächen über Melodiefragmente zu Pulsationen, die fast unmerklich von einem Zustand zum anderen gelangt.

Furrer selbst vermittelt auf ähnliche und doch ganz andere Weise in zwei seiner jüngeren Orchesterwerke zwischen musikalischen Zuständen und Prozessen. Als Inspiration für seine Tableaux I–IV nennt der Komponist die Waldbilder des surrealistischen Malers Max Ernst. Und auch seine Klangbilder schwanken zwischen Details und dem Ganzen: Nervöses Flirren hantelt sich durch Obertonfelder, Räume öffnen sich wie in gleißendem Licht und diffusem Schatten.

Auch das Konzert für Violine und Orchester führt solche Prozesse weiter, während das hochvirtuose Soloinstrument (Ilya Gringolts) gewissermaßen auf der Suche nach der Melodie ist. Das kleine Publikum aus einzelnen Rezensenten und Mitarbeitern gab dem Abend dankbare Resonanz. Vielleicht auch ein klein wenig melancholisch. (Daniel Ender, 2.12.2021)