Im polnischen Sejm wird erneut über eine Verschärfung des Abtreibungsrechts debattiert.

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Warschau – Am Mittwoch und Donnerstag debattiert das polnische Parlament einen Gesetzesvorschlag, der Abtreibungen ohne Ausnahme verbieten soll, also auch bei Vergewaltigung, Inzest und Todesgefahr für die Schwangere. Er sieht für Betroffene und medizinisches Personal bis zu 25 Jahre Haft bei der Durchführung von Abtreibungen vor.

"Der Gesetzesvorschlag zielt auf die totale staatliche Kontrolle über die Körper von Frauen und insbesondere von Schwangeren ab", hieß es von Monika Vana, Delegationsleiterin der österreichischen Grünen im Europaparlament. Sie sprach in einer Aussendung am Mittwoch von einer "frauenfeindlichen Dystopie", die damit in Polen geschaffen werde, "die es so innerhalb der Europäischen Union nicht geben darf".

Auch Kritik von SPÖ

Auch Evelyn Regner, Vorsitzende des Ausschusses für Frauen und Gleichstellung im EU-Parlament, zeigte sich "fassungslos" über "das Ausmaß der Menschenverachtung mitten in Europa". Gesetze wie dieses würden Frauen töten. "Und die, die nicht daran sterben, sollen jetzt weggesperrt werden. Weil sie über ihren Körper selbst entscheiden wollen." Die polnischen Parlamentsparteien müssten sich gegen diese Verschärfungen stellen, forderte Regner. Auch die Verschärfungen des Abtreibungsrechts, die Anfang des Jahres in Kraft getreten waren, müssten zurückgenommen werden.

Im Jänner war jenes Gesetz in Kraft getreten, das Abtreibungen auch bei schweren Fehlbildungen des Fötus untersagt – was ohnehin nur mehr eine von wenigen Ausnahmen war, abseits von Vergewaltigung, Inzest und Todesgefahr für die Schwangere. Nach dem Tod einer Frau, der Ärzt*innen eine Abtreibung verweigert hatten, demonstrierten Zehntausende in Polen Anfang November gegen die restriktiven Gesetze. Hinter der Verschärfung stand damals ein Antrag von Abgeordneten der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS).

Mehr als 100.000 Unterschriften

Für den neuen, noch radikaleren Entwurf, der derzeit im Sejm debattiert wird, ist die radikale Stiftung Pro – Prawo do Życia (Pro Recht auf Leben) verantwortlich, die zuvor die dafür nötigen 100.000 Unterschriften gesammelt hatte, um die Gesetzesvorlage im Parlament einzubringen.

Die PiS und ihre Verbündeten haben im Unterhaus des polnischen Parlaments eine absolute Mehrheit, aber nicht im Senat. Sollte die Regierung das Gesetz unterstützen, kann die Opposition den Prozess im Senat einen Monat lang verzögern, eine Verabschiedung in der zweiten Lesung im Unterhaus aber nicht verhindern.

Verknüpfung mit Corona-Hilfen

Vana von den Grünen sieht Brüssel angesichts der Lage in Polen in der Pflicht: "Die europäischen Corona-Hilfen für Polen dürfen von der EU-Kommission nicht freigegeben werden, solange die polnische Justiz derart politisch vereinnahmt ist und Frauen- und LGBTIQ-Rechte eingeschränkt werden." Vana fordert, dass Einschränkungen sexueller und reproduktiver Rechte im Rahmen der Anhörungen im Europäischen Rat zum laufenden Artikel-7-Verfahren thematisiert werden. (maa, 1.12.2021)