Multinationalen Konzernen soll es erschwert werden, Gewinne zu kürzen oder zu verlagern, um so Steuern zu sparen.

Foto: Getty Images / iStock / alice-photo

Steuerrecht war schon immer eine Rechtsmaterie, die sich rasch verändert. In den letzten Jahren kam eine Internationalisierung des Steuerrechts hinzu, die auch zunehmend öffentlich wahrgenommen wird. Gemeint ist damit die verstärkte Tätigkeit der OECD als Initiatorin steuerpolitischer Diskussionen und Architektin von Lösungsvorschlägen, die über klassische Doppelbesteuerungsregelungen weit hinausgehen.

Startschuss für die wachsende Internationalisierung war das Anti-BEPS-Projekt, mit dem seit 2013 Maßnahmen zur Vermeidung von Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung (BEPS) identifiziert wurden. Dieses ist nunmehr in das Pillar-Projekt gemündet und wird auch hier sicherlich nicht haltmachen. Begünstigt wurde die Arbeit der OECD durch die Veröffentlichung von Steuerpraktiken multinationaler Konzerne und prominenter Privatpersonen und den damit einhergehenden, von der Öffentlichkeit forcierten politischen Druck.

Diese Projekte, die erst teilweise umgesetzt sind, haben auch auf EU-Ebene zu zahlreichen Gesetzesvorhaben geführt. Damit wurde ein weiterer Schritt in Richtung Harmonisierung bei Ertragsteuern gemacht. Und auch hier werden die kommenden Monate unter anderem für Körperschaftssteuerzahler und deren Berater bedeutsame Änderungen bringen.

Neues Besteuerungsrecht

Geht es nach der OECD und mehr als 130 Staaten weltweit, so sollen zwei Maßnahmenpakete im Rahmen des Pillar-Projekts in den nächsten Jahren umgesetzt werden. Erstens soll ein neues Besteuerungsrecht für Absatzmärkte eingeführt werden, wobei nur multinationale Unternehmen (MNEs) mit einem weltweiten Umsatz von über 20 Milliarden Euro und einer Profitabilität von mindestens zehn Prozent von diesem neuen Regime erfasst sein sollen (Pillar 1).

Das Besteuerungsrecht des Absatzmarktes wird begründet, ohne dass es einer klassischen Präsenz des Steuerpflichtigen in dem jeweiligen Staat, etwa über steuerliche Ansässigkeit oder eine Betriebsstätte, bedarf. Ein Teil des Gewinns soll anhand eines gewinnbasierten Verteilungsschlüssels den Absatzmärkten zugeteilt werden.

Damit gehen zwei wesentliche Änderungen im internationalen Steuerrecht einher. Es kommt zur Schaffung von Besteuerungsrechten ohne Präsenzerfordernis und zu einer formelbasierten Aufteilung von Steuerbemessungsgrundlagen.

Globale Mindeststeuer

Daneben soll eine globale Mindeststeuer eingeführt werden (Pillar 2). Diese aus mehreren Regelungen bestehende Maßnahme soll bei MNEs mit einem weltweiten Umsatz von mindestens 750 Millionen Euro eine 15-prozentige Besteuerung ihres weltweiten Einkommens sicherstellen. Konkret wird Pillar 2 bereits bekannte mit neuen Regelungen verknüpfen und so eine flächendeckendere Anwendung bewirken. Pillar 2 soll den internationalen Steuerwettbewerb nicht beenden, aber schafft dafür multilateral akzeptierte Beschränkungen.

Geht es nach der OECD, sollen die Regelungen des Pillar-Projekts 2023 beziehungsweise teilweise 2024 in Kraft treten. Vor allem in den USA wird die Umsetzung mit Spannung erwartet. In der EU wird eine Richtlinie die Basis für die Implementierung von Pillar 2 bringen, ein Entwurf soll noch heuer präsentiert werden. Die Regeln von Pillar 1 sollen hingegen über ein multilaterales Abkommen Anwendung finden.

Mehr Transparenz und Austausch

Ein weiterer Trend ist die zunehmende Transparenz über Steuerzahlungen von Unternehmen und der wachsende Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden. Diese Maßnahmen sind neben der weiteren Eindämmung von Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung auch im Lichte der Diskussion über Nachhaltigkeit und die Einhaltung von ESG-Kriterien zu sehen. Denn steuerliche Aspekte gehören bereits jetzt zu jenen Bereichen, zu denen Unternehmen im Rahmen der nichtfinanziellen Berichterstattung freiwillig Stellung nehmen.

Konkret wird es innerhalb der EU zu einer öffentlichen Berichtspflicht von MNEs bezüglich steuerlich relevanter Punkte kommen ("public country-by-country reporting"). Damit wird die bereits bestehende Berichtspflicht gegenüber den Steuerbehörden gegenüber der Öffentlichkeit teilweise ausgedehnt, indem Unternehmen diese Informationen auf ihrer Website und gegenüber öffentlichen Registern darstellen müssen werden. Mit ersten Berichten ist 2025 zu rechnen, möglicherweise bereits für das Jahr 2024.

Weitgehende Veröffentlichungen

Auch die im Rahmen von Pillar 2 ermittelten effektiven Steuersätze sollen innerhalb der EU von den betroffenen Unternehmen veröffentlicht werden. Details dazu werden noch dieses Jahr erwartet. Weitergehende Veröffentlichungen im Zusammenhang mit Steuern und ESG sind nicht ausgeschlossen.

Daneben werden gegenüber den EU-Steuerbehörden bestehende Berichtspflichten durch Anpassung der Richtlinie über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden (DAC) weiter ausgebaut. So sollen ab 2023 Online-Plattform-Betreiber bestimmte Informationen über die bei ihnen aktiven Händler einmelden. Einen ähnlichen Vorschlag gibt es auch von der OECD: Zusätzlich soll eine Meldeverpflichtung im Zusammenhang mit Kryptoassets eingeführt werden.

Digitalsteuern ausgesetzt

Auch hinsichtlich nationaler Digitalsteuern, die zuletzt zu Handelsstreitigkeiten mit den USA geführt haben, hat sich weltweit etwas bewegt. Dieses Thema war immer eng mit dem Pillar-Projekt der OECD verknüpft. So hat auch Österreich einen Kompromiss mit den USA gefunden, nach dem die Digitalsteuer mit Inkrafttreten von Pillar 1 ausgesetzt wird.

Für eine Übergangszeit soll es Ausgleichsmechanismen für die betroffenen Unternehmen geben. Parallel dazu plant jedoch die EU weiterhin eine EU-Digitalabgabe, die WTO-konform ausgestaltet sein und daher den USA keine Angriffsfläche bieten soll. Ein Gesetzesentwurf wird ebenfalls noch heuer erwartet.

Die einzige Konstante ist, wie schon Heraklit einst sagte, die ständige Veränderung. (Katharina Kubik, 2.12.2021)