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Schauplatz einer akuten Krise: die Grenze zwischen Belarus und Polen.

Foto: REUTERS/Janis Laizans/File Photo

Frierende Kinder im Schnee, Menschen, die sich an improvisierten Feuerstellen wärmen: Es sind Bilder wie diese, mit denen die staatliche Nachrichtenagentur Belta im autoritär regierten Belarus auch am Mittwoch wieder das Elend der Migrantinnen und Migranten an der Westgrenze des Landes zum Thema machte.

Dass damit der Europäischen Union, insbesondere dem Nachbarland Polen, die Verantwortung für das Leid der Menschen zugeschoben wird, sorgt wiederum genau dort für Verärgerung. Immerhin, so die Argumentation von Brüssel bis Warschau, sei es Belarus selbst, das die Migranten aus Nahost und Afrika erst ins Land gelockt habe, um sie dann an die Grenze zu lotsen und so den Migrationsdruck auf die EU zu erhöhen.

Beratungen

Am Mittwoch beriet daher die Europäische Kommission, wie man in der seit Monaten andauernden Krise weiter vorgehen will. Zwar sind bereits hunderte Menschen per Flugzeug aus Minsk in ihre Heimatländer zurückgekehrt, doch viele andere harren noch in Grenznähe aus. Die Temperaturen sinken indes immer weiter, polnische Medien hatten kürzlich von insgesamt bereits zwölf Toten berichtet.

EU-Kommissionsvizepräsident Margaritis Schinas und die auch für Migration zuständige Kommissarin Ylva Johansson präsentierten nun in Brüssel einen Vorschlag zur Aufweichung einiger EU-Asylregeln. Diese würden es erlauben, den Asylprozess zu verlängern und Abschiebungen zu vereinfachen. Dennoch: "Grundrechte werden nicht angefasst", erklärte Johansson. Konkret sollen die an Belarus grenzenden EU-Staaten Polen, Litauen und Lettland künftig vier Wochen statt wie bisher zehn Tage Zeit haben, um Asylanträge aufzunehmen. Der Asylprozess selbst dürfte dann bis zu 16 Wochen dauern. Außerdem will die Kommission schnellere Abschiebungen möglich machen.

Illegale Pushbacks

Die Maßnahmen, die zunächst für sechs Monate gelten sollen, müssen noch von den EU-Mitgliedsstaaten angenommen werden. Aus Sicht von Hilfsorganisationen dürften sie aber wohl nicht den Kern des Problems treffen. So wird unter anderem Polen ja vorgeworfen, mit illegalen Pushbacks an der Grenze das Stellen von Asylanträgen häufig zu verhindern und damit gegen Völkerrecht zu verstoßen.

Human Rights Watch etwa erklärte zwar, dass "Belarus diese Situation ohne Rücksicht auf die menschlichen Folgen herbeigeführt hat", fügt jedoch hinzu, dass "Polen die Verantwortung für das akute Leid in der Grenzregion mitträgt". Auch Warschau benennt Lukaschenko als Urheber der Krise, wehrt sich aber heftig gegen eine solch "symmetrische Betrachtung".

Die polnische Führung war zuletzt auch wegen des Ausnahmezustands in die Kritik geraten, der seit September im Grenzgebiet galt und Ortsfremden das Betreten der Region untersagte. In der Nacht auf Mittwoch lief dieser aus.

Rechtzeitig am Dienstag unterzeichnete Präsident Andrzej Duda jedoch eine Regelung, die den Ausnahmezustand de facto verlängert. Medienvertreter sollen aber ab sofort eintägige geführte Besuche in der Region unter Aufsicht des Grenzschutzes beantragen können. Vertreter von Hilfsorganisationen will man weiterhin nicht in die Grenzregion lassen. (Gerald Schubert, 1.12.2021)