Ali Bagheri Kani leitet die iranische Delegation bei den Atomverhandlungen.

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Es gibt da zwar die Empfehlung, nicht in der Mitte des Stroms die Pferde zu wechseln. Aber dass die im Juni gewählte iranische Regierung neue Verhandler zur Fortsetzung der Atomgespräche nach Wien schicken würde, lag auf der Hand: Die Kritik an der alten Mannschaft – und an dem von ihr abgeschlossenen Atomdeal – war ja wesentlicher Teil des Wahlkampfs von Präsident Ebrahim Raisi.

Der neue Chefverhandler heißt Ali Bagheri Kani und ist wie sein Vorgänger, Abbas Araghchi, Vizeaußenminister für politische Angelegenheiten. Das Atomdossier bleibt demnach im Außenministerium, auch wenn letztlich die Entscheidungen ganz oben, beim religiösen Führer, gefällt werden.

Der Neue ist sowohl karrieremäßig als auch familiär bestens im System verankert. Der 54-jährige Doktor der Wirtschaftswissenschaften ist Absolvent der Regime-Kaderschmiede Imam-Sadiq-Universität. Bis zu seinem Tod 2014 war sein Onkel, Ayatollah Mohammed-Reza Mahdavi Kani, deren Präsident. Die Kani-Familie hält dort weiterhin etliche hohe Posten. Bagheri Kanis älterer Bruder ist mit einer Tochter von Religionsführer Ali Khamenei verheiratet, gehört also quasi zu dessen Familie.

Förderer Saeed Jalili

Ali Bagheri Kani diente anfangs im Nationalen Sicherheitsrat, wechselte jedoch Mitte der 1990er-Jahre ins Außenministerium, wo er auf der Karriereleiter nach oben kletterte und auf den Mann traf, der bald eine wichtige Rolle in seinem Fortkommen spielen sollte: Saeed Jalili. Als Jalili 2008 Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats wurde, holte er Bagheri Kani als Stellvertreter. Auch damals, unter Präsident Mahmud Ahmadinejad, liefen bereits – letztlich erfolglose – Atomgespräche, und Jalili war dafür zuständig, assistiert von Bagheri Kani

Als Jalili 2013 bei den Präsidentschaftswahlen kandidierte, war Bagheri Kani sein Wahlkampfmanager. Damals siegte Hassan Rohani. 2021 trat Jalili noch einmal an, zog seine Kandidatur jedoch zugunsten Raisis, dessen Positionen er teilt, zurück. Dass sein Vertrauter Bagheri Kani dafür in die Chefverhandlerposition bei den Atomgesprächen kam, wurde von manchen als eine Art Entschädigung für Jalili betrachtet.

Die Dringlichkeit erhöhen

Bagheri Kani hat von Jalili gelernt, wie man aus der Hardlinerperspektive verhandelt. Der neue iranische Chefverhandler in Wien glaubt an das, was die Gegner des Iran als "nukleare Erpressung" bezeichnen würden: mit ständig neuen Schritten im iranischen Atomprogramm, die immer "gefährlicher" werden, die Dringlichkeit der Rückkehr zum Atomdeal für die Gegenseite erhöhen.

Von 2017 bis 2021 war Bagheri Kani übrigens in einem völlig anderen, ebenso umstrittenen Bereich tätig: Er war Chef des Menschenrechtsrats der Justiz– ein Posten, den zuvor Mohammed-Javad Larijani innegehabt hatte. Dessen Bruder Sadegh Larijani wiederum sorgte 2018 dafür, dass die Kanis die Präsidentschaft der Imam-Sadiq-Universität verloren. Die Larijanis – der bekannteste Larijani, Ali, war Parlamentspräsident und wurde vom Wächterrat bei den Präsidentschaftswahlen 2021 von der Kandidatenliste gestrichen – sind ja auch so eine iranische starke "politische Familie". Von außen mögen sie wie ein monolithischer Block wirken, innerhalb dieser Eliten geht es oft ganz schön brutal-kompetitiv her. (Gudrun Harrer, 1.12.2021)