Maria Hubmer-Mogg auf der FPÖ-Bühne bei der Demonstration in Wien am vorletzten Samstag in Wien. Kurz zuvor hat sie sich aus der Ärzteliste streichen lassen.

Sie ist seit Monaten eine der führenden Aktivistinnen im Kampf gegen die Corona-Maßnahmen und die Impfungen gegen Covid-19. In den letzten Tagen ist die steirische Allgemeinmedizinerin Maria Hubmer-Mogg wegen ihrer laut beklatschten Reden bei den Großdemonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen zu einer Art Galionsfigur der Bewegung geworden.

In Graz war sie zudem federführend an der Organisation des dortigen Demonstrationszugs beteiligt, dem sich laut Polizeiangaben 30.000 Menschen anschlossen. Eine Woche zuvor war sie bei der großen Demo in Wien auf der FPÖ-Bühne aufgetreten. Maria Hubmer-Mogg, die auch die Initiative "Wir zeigen unser Gesicht" mitgegründet hat, wirkt freundlich, smart und kompetent – nicht nur wenn sie auf der Bühne steht.

Das ist auch der erste Eindruck, wenn man sich ihr Interview ansieht, das sie vor rund einem Monat für FPÖ TV gegeben hat. Dieses Gespräch mit der Ex-ORF-Moderatorin Marie Christine Giuliani, die seit kurzem für den blauen Kanal arbeitet, hat seit Anfang November immerhin 650.000 Klicks erhalten, FPÖ-Chef Herbert Kickl hat es natürlich auch beworben.

Maria Hubmer-Mogg im FPÖ-TV-Gespräch mit Marie Christine Giuliani.

Desinformation und ein Verfahren

Die Reden von Hubmer-Mogg und das Gespräch strotzen vor den üblichen, aber besonders eloquent und überzeugend vorgetragenen Falsch- und Fehlinformationen. Diese unverantwortlichen Verdrehungen blieben nicht ohne Konsequenzen: Hubmer-Mogg wurde am Tag nach dem Hochladen des Interviews auf Youtube von jener Privatklinik gekündigt, für die sie gearbeitet hatte. Und auch die Ärztekammer hat ein Disziplinarverfahren gegen sie eingeleitet.

Dem Ausgang des Verfahrens griff die aktivistische Ärztin vor: "Frau Dr. Maria Hubmer-Mogg hat ihre ärztliche Tätigkeit eingestellt", heißt es von der Ärztekammer Steiermark auf Anfrage des STANDARD. "Sie wurde mit 19. 11. 2021 auf eigenen Wunsch aus der Ärzteliste gestrichen. Sie ist damit derzeit nicht berechtigt, ärztlich tätig zu sein – weder in der Niederlassung noch in einer Anstellung."

"Experimentelle Impfstoffe"

Hubmer-Mogg sei auf diese Tätigkeit als Ärztin nicht angewiesen, wie sie im FPÖ-Video vorsorglich erklärt: Sie habe 2020 eine Ausbildung zur Kräuterpädagogin und zur Resilienztrainerin gemacht. Jetzt ist sie aber in erster Linie einmal Aktivistin und warnt auf den Demobühnen und im Video vor den Impfungen gegen Covid-19, die sie immer wieder als "experimentell" bezeichnet, was eine schlaue, aber völlig irreführende Rahmung ist.

"Experimentelle Impfstoffe" sind nämlich solche, die sich in einem frühen Entwicklungsstadium und meist noch vor klinischen Tests mit Menschen befinden. Sämtliche zugelassenen Impfstoffe hingegen haben selbstverständlich alle drei nötigen Phasen klinischer Studien mit zehntausenden Probanden erfolgreich hinter sich und sind gründlich von etlichen Zulassungsbehörden rund um den Planeten – von der EMA bis zur FDA – geprüft worden.

Das Rätsel der "bestehenden Therapie"

Dann folgen im knapp 30-minütigen Gespräch die üblichen Impfgegner-Behauptungen, die in den wenigsten Fällen einem Faktencheck standhalten. Das beginnt mit der steilen Ansage, es sei "eine Schweinerei", dass "bestehende funktionierende Covid-19-Therapien nicht endlich öffentlich zugänglich gemacht werden" (ab Minute 6:55). Denn damit könne man sich die Impfungen quasi ersparen. Welche Therapien das sind, bleibt im Interview ähnlich offen wie Kickls Antwort auf die Frage, wie er sich therapiert hat.

Man darf vermuten, dass es sich in beiden Fällen um Ivermectin handelt. Dass so gut wie alle verlässlichen und noch nicht zurückgezogenen wissenschaftlichen Studien (wie auch diese zusammenfassende Metastudie) zu dem Schluss kommen, dass dieses Mittel gegen Covid-19 kaum wirkt – und wenn, dann nur in zu hoher Dosierung –, ficht die Wunder- und Wurmmittelanhänger natürlich nicht an. (Der "Economist" fasste den Forschungsstand kürzlich in einem Text mit folgender Überschrift sehr gut zusammen: "Ivermectin may help Covid-19 patients, but only those with worms.")

Fehlinformationen über Myokarditis

Die Ängste besorgter Eltern wegen der Impfung von Kindern und Jugendlichen sind das ideale Einfallstor, um besonders viele Menschen zu verunsichern. Hubmer-Mogg macht das perfekt und bezeichnet (mRNA-)Impfungen von Kindern wörtlich als "ein Verbrechen gegen die Menschheit" (25:40). Begründet wird das unter anderem mit der Nebenwirkung Myokarditis, die – und das stimmt – bei mRNA-Impfungen auftreten kann. Wenn auch nur äußerst selten, was die Ex-Ärztin geflissentlich verschweigt.

Dann aber wird es grob unrichtig, wenn Hubmer-Mogg (ab 11:40) behauptet: "Es gibt keine milden Herzmuskelentzündungen. Eine Herzmuskelentzündung heilt immer nur narbig ab." Und: Ein Jugendlicher habe deshalb im Laufe seines Lebens nicht mehr die volle Leistungskraft, was sein Herz betrifft. Das ist falsch, wie Mariann Pavone-Gyöngyösi erläutert, Professorin für Kardiologie an der Med-Uni Wien: "Die meisten Herzmuskelentzündungen heilen ohne Narben ab. Und es kommt bei der Mehrzahl der Myokarditis-Fälle auch zu keinen bleibenden Schäden." Laut neuen israelischen Studien im "New England Journal of Medicine" sind Myokarditis-Fälle selbst bei jungen Männern von 16 bis 39, bei denen die meisten Fälle nach Impfungen beobachtet wurden (8,2 pro 100.000), seltener als nach Covid-19-Infektionen.

Professionelle Angstmache

Ein anderer beliebter Verdacht der Impfgegner und damit auch von Hubmer-Mogg: Nach Impfungen gegen Covid-19 könnte es zu einer Schädigung des zellulären Immunsystems kommen (ab 12:40). Ihr diesbezüglicher Gewährsmann ist der US-Pathologe Ryan Cole, ein Ivermectin-Befürworter. Cole habe zwischen Jänner und September 2021 wegen der Impfung und ihrer angeblichen Schädigung des Immunsystems einen Anstieg der "Neu-Krebsfälle" im Vergleich zum Vorjahr gesehen. ("Das klingt fürchterlich", sagt darauf Giuliani, "das muss man erst einmal verdauen.") Auch diese Behauptungen sind selbstverständlich von verschiedenen seriösen Faktenchecks als unbegründet und falsch entlarvt worden, eignen sich aber als trefflicher Angstmacher.

Das gilt für viele andere Behauptungen in dem Interview, das schlichtweg gesundheitsgefährdend ist und eigentlich längst von Youtube hätte gelöscht werden müssen. Auf einen richtigen Hinweis Hubmer-Moggs (Geimpfte können nach Infektionen eine Viruslast im Nasen- und Rachenraum haben und das Virus übertragen, 17:00) folgen sofort wieder grobe Unwahrheiten. Etwa wenn sie behauptet, dass man bei einer Studie in Vietnam eine x-fach erhöhte Viruslast bei den Geimpften im Vergleich zu Ungeimpften gesehen habe.

Virenlast, Booster und Schwangere

Das ist natürlich Unsinn: Die Studie bezog sich auf die höhere Virenlast bei Delta im Vergleich zu früheren Varianten. Und auch wenn die maximale Virenlast bei Geimpften ähnlich hoch sein dürfte wie bei Ungeimpften, so bestätigen etliche Untersuchungen, dass Geimpfte kürzer infektiös sind als Ungeimpfte, wie etwa auch diese ganz neue Studie im "New England Journal of Medicine".

Anders als die Ex-Ärztin behauptet (15:20), helfen Booster-Impfungen selbstverständlich auch gegen alle bisher bekannten Virusvarianten (bei Omikron stehen entsprechende Bestätigungen noch aus). Und ihre Aussage, dass es "unverantwortlich bis dorthinaus sei", die Impfung Schwangeren zu geben (ab 28:00), ist selbst hochgradig unverantwortlich.

Selbstverständlich können und sollen sich Schwangere impfen lassen, weil sie durch mögliche schwere Covid-19-Verläufe (auch wegen der Delta-Variante, wie neue CDC-Daten zeigen) gefährdet sind. Neue Daten aus Großbritannien von Ende November bestätigen einmal mehr die Sicherheit der Impfung für Schwangere und ihren Nachwuchs.

Am Ende des Gesprächs hofft Hubmer-Mogg, dass die Wahrheit über Corona und die Impfungen früher oder später ans Licht kommen wird. Dieser Faktencheck hat sich bemüht, einen kleinen Beitrag dazu zu leisten. (Walter Müller, Klaus Taschwer, 2.12.2021)