Russlands Präsident Wladimir Putin bei einem Empfang für ausländische Botschafter im Kreml.

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Einmal KGB, immer KGB: Russlands Präsident Wladimir Putin gefällt sich darin, seine Nachbarn zu verunsichern. Speziell in der Ukraine-Krise zündet der Kreml Nebelkerzen. Beim Investmentforum "Russia Calling" antwortete Putin auf die Frage, ob Investoren einen russischen Einmarsch in der Ukraine fürchten müssten, mit einem vagen Lächeln: Das sei doch bisher auch nicht passiert, obwohl schon seit Jahresbeginn darüber spekuliert werde.

Seit Anfang 2021 hat Russland aber an der Grenze zur Ukraine sein Militär konzentriert, um den Nachbarn zu enervieren. Diesbezügliche Vorwürfe wischen Offizielle stets entweder mit dem Verweis zur Seite, dass es sich um Truppenübungen auf russischem Gebiet handle, über die Moskau nicht rechenschaftspflichtig sei, oder – wie jüngst Außenamtssprecherin Maria Sacharowa – mit Gegenanschuldigungen, dass auch die Ukraine dort viel Militär zusammengezogen habe.

Nun scheint aber die Möglichkeit eines ukrainischen Angriffs auf Russland einzig dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko eine reale Möglichkeit zu sein, für deren Fall er vorsorglich Moskau schon einmal seiner Solidarität versicherte. Die russische Führung hingegen hat schon 2014 bewiesen, dass die territoriale Souveränität der Ukraine für sie nicht unantastbar ist – auch damals übrigens mit vielen Dementis zu einem möglichen Einsatz der Spezialeinheiten, die Russland an die Grenze verlegt hatte.

Eskalationsgefahr

Klar ist, dass die jetzige Truppenkonzentration auf beiden Seiten die Gefahr einer Eskalation birgt. Am Aufflammen der Kämpfe im Donbass oder gar einem vollwertigen Krieg zwischen Russland und der Ukraine kann Europa kein Interesse haben.

Brüssel sollte daher mäßigend auf beide Seiten einwirken. Dabei müssen Russlands Sicherheitsinteressen beachtet werden. Das heißt aber nicht, dass die EU oder die Nato angesichts der russischen Drohkulisse einknicken oder den Anschein von Schwäche erwecken dürfen. Dass die Europäer unselbständig und feige seien und ohnehin keinen Finger rühren würden, um Kiew zu helfen, ist eines der häufigsten Argumente kremlnaher Politologen und Militärexperten in Moskau bei der ziemlich offen geführten Debatte, welche Konsequenzen ein russischer Einmarsch hätte.

Von der EU ist Klarheit gefordert. Einerseits muss sie Kiew bewusst machen, dass es keine militärische Lösung der Donbass-Frage gibt. Andererseits muss sie auch Moskau verdeutlichen, dass die Kollateralschäden eines militärischen Abenteuers in der Region wirtschaftlich untragbar für Russland wären. Mit dem Vorschlag eines überwachten Truppenabzugs auf beiden Seiten ließe sich die Lage wohl am besten deeskalieren. (André Ballin, 2.12.2021)