Es kommt nicht so oft vor, dass Ökonomen eine so optimistische Prognose vorlegen – die Weltwirtschaft soll weiterwachsen, die Arbeitslosigkeit wird zurückgehen – und der Ton der Analyse dennoch von einer derart düsteren Grundstimmung getragen wird. Die Experten der Industriestaatenorganisation OECD haben genau das gemacht. Ihr am Mittwoch präsentierter Ausblick für die Weltwirtschaft bietet den Stoff für eine Achterbahnfahrt der Gefühle.

Inzwischen ist es den meisten Industrieländern gelungen, ihre Wirtschaftsleistung zumindest auf oder sogar knapp über das Vorkrisenniveau zu bringen. Die Wirtschaftsleistung der USA, von Dänemark, Australien, der Schweiz und Ungarn ist bereits höher als vor der Krise. Länder wie Schweden oder die Niederlande haben den Verlust durch die Pandemie immerhin schon wettgemacht. Dann bleiben noch Länder wie Österreich oder Deutschland. Hier klafft noch eine deutliche Lücke. Sie dürfte aber immerhin im Laufe des kommenden Jahres geschlossen werden.

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Denn die OECD erwartet 2022 weiterhin ein kräftiges Wirtschaftswachstum von durchschnittlich 3,9 Prozent in ihren 38 Mitgliedsländern. Eine weitere gute Nachricht lautet, dass die hohen Inflationsraten zurückgehen dürften.

Aktuell liegt die Inflationsrate in den wohlhabenden Ländern bei etwa fünf Prozent. Bis Ende 2022 soll die Teuerung bei den Verbraucherpreisen auf 3,5 Prozent sinken, erwarten die Ökonomen der Industriestaatenorganisation.

Die OECD rechnet einerseits damit, dass mehr Beschäftigte auf den Arbeitsmarkt zurückkehren werden. Aktuell sind immer noch sieben Millionen Menschen weniger in einem bezahlten Job als noch Ende 2019 in den Industrieländern. Aber das soll sich nun ändern. Mehr Arbeitskräfte, aber auch zusätzliche Investitionen in der Güterproduktion sollten dafür sorgen, dass die Probleme in den globalen Lieferketten nachlassen. Auch der Anstieg der Energiepreise soll abflachen. All das wird die Inflation dämpfen. Moderat preistreibend wirken werden höhere Lohnabschlüsse.

Risiken bleiben

So weit die guten Nachrichten. Daneben gibt es viele Risiken:

  • "Unsere Hauptsorge ist die globale Kluft bei den Corona-Fallzahlen, Krankenhauskapazitäten und Impfraten in der ganzen Welt. Das schlimmste Szenario ist, dass Gebiete mit niedrigen Impfquoten zu Brutstätten für tödlichere Virusstämme werden, die dann Leben und Lebensgrundlagen zerstören", heißt es in dem Bericht. Hinzu kommt, das auch ohne neue Virusvarianten vieles unsicher ist, etwa wie sehr Europa im Winter auf Lockdowns setzen wird.
  • Eine weitere Sorge betrifft China, wo die finanziellen Probleme des Immobilienentwicklers Evergrande globale Schockwellen ausgesendet haben. Sollte der chinesische Immobiliensektor zum Problem werden, könnte das Chinas Wirtschaft hart treffen, was weltweite Folgen haben würde. Die OECD erwartet für China aktuell fünf Prozent Wirtschaftswachstum für 2022.

Belasteter Arbeitsmarkt

Wie schnell sich solide Prognosen verschlechtern können, demonstriert aktuell Österreich. Der vierte bundesweite Lockdown wirkt sich bereits recht deutlich am Arbeitsmarkt aus, wie neue Zahlen des AMS zeigen. Demnach waren Ende November 363.494 Menschen arbeitslos gemeldet oder in Schulung. Das sind um rund 12.000 mehr als noch vor einer Woche.

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Österreich hat den Verlust durch die Pandemie noch nicht wettgemacht.
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Dieser Effekt dürfte vor allem, aber nicht allein aus dem Lockdown resultieren. Im Herbst steigt die Arbeitslosigkeit traditionell an, weil der Bau weniger Leute beschäftigt und die Landwirtschaft in den Winterschlaf geht. Zum Vergleich: Im November 2019, also noch vor der Pandemie, waren 365.900 Menschen beim AMS gemeldet, also etwas mehr. Die starke Erholung des Arbeitsmarkts in den vergangenen Monaten ist also noch nicht komplett verpufft. Das dürfte erst in den kommenden Tagen geschehen, Experten erwarten, dass die Zahl der Jobsuchenden nun kontinuierlich steigt, und zwar vor allem deshalb, weil Menschen, die Anfang Dezember eigentlich eine Stelle annehmen würden, dies nun im Lockdown nicht tun könnten.

Die Zahl der Menschen in Kurzarbeit ist ebenfalls gestiegen, um rund 3800 Personen. Insgesamt sind derzeit etwas mehr als 80.000 Menschen zur Kurzarbeit angemeldet.

(András Szigetvari, 2.12.2021)