Die Architektin Rita Reisinger-Schöbel hat für sich, ihre Familie und ihre vielen Gäste in einer ehemaligen Druckerei im achten Bezirk in Wien ein Zuhause geschaffen – inklusive versteckter Zweitküche.

"Wir haben früher in einer Dachgeschoßwohnung ums Eck gewohnt. Um von der Küche auf die Terrasse zu kommen, mussten wir zwei Stockwerke überwinden, weshalb wir sie nur selten genutzt haben. Mein Mann, unsere Tochter und ich haben von einer Wohnung geträumt, in der sich unser Wohnen auf einer Ebene abspielt – und das unbedingt im achten Bezirk. Ich habe schon als Studentin im Pfeilheim gewohnt und wollte aus diesem Grätzel nie raus.

Rita Reisinger-Schöbel in ihrer Wohnung, in der früher Telefonbücher gedruckt wurden.
Foto: Lisi Specht

Im Internet bin ich auf diese Fläche im Hinterhof eines Gründerzeithauses gestoßen. Sie ist Teil einer ehemaligen Druckerei. Früher wurden hier Telefonbücher und Zeitungen gedruckt, später wurde daraus ein Büro. Ursprünglich war sie für uns unerschwinglich, aber diese Immobilie ist mir über die Monate immer wieder bei meiner Suche untergekommen, und der Preis wurde immer weiter reduziert. Irgendwann haben wir sie uns aus reinem Interesse angeschaut. Sie war immer noch zu teuer, aber wir haben uns alles durchgerechnet und dann ein für uns realistisches Angebot gemacht. Es wurde angenommen. 2015 sind wir eingezogen, nachdem wir die gesamte Halle ausgehöhlt und ganz neu konzipiert hatten.

Mein Mann hat ebenfalls Architektur studiert. Wir haben uns bei der Planung viele Gedanken dazu gemacht, was uns beim Wohnen wichtig ist. Ein großes Thema sind für uns Gäste. So sind wir beide aufgewachsen, und es ist uns wichtig, dass Freunde und Familie zu uns kommen und sich wohlfühlen.

Bei den Möbeln gefallen Rita Reisinger-Schöbel Klassiker. Eines ihrer Lieblingsstücke ist die Leuchte von Megumi Itō über dem Esstisch.
Fotos: Lisi Specht

In der alten Wohnung hatten wir eine ganz kleine Küche, das war mit Besuch immer mühsam. Darum wollten wir im Zentrum eine große Küche – und, dahinter versteckt, eine ,Dirty Kitchen‘, mit weiteren Küchengeräten und Kühlschränken, wo mein ganzes Klumpert steht. Die Tapete in der Küche ist übrigens ein Originalfoto der ehemaligen Buchdruckerei Herold, das genau hier aufgenommen wurde. Ich habe es im Fotoarchiv der Firma gefunden. Eine der größten Änderungen beim Umbau war die Raumhöhe, die ursprünglich bei über vier Metern lag. Vom Innenbereich führten einige Stufen zur Terrasse hinauf. Wir wollten ebenerdig hinauskommen, daher haben wir den gesamten Raum um 30 Zentimeter angehoben. Die Installateure und Elektriker waren glücklich, weil es so genug Bodenaufbau für Leitungen gab.

Dafür muss man nun vom Eingangsbereich ein paar Stufen in den Wohnbereich nehmen. Um Barrierefreiheit zu gewährleisten, gibt es eine Rampe, die vor allem Kinder lieben. Überhaupt steht man bei uns, sobald man bei der Türe reinkommt, mitten im Geschehen.

Es ist ein Haus für uns und für unsere Gäste. Wir sind auch kein Schuhauszieher-Haus, jeder darf das halten, wie sie oder er möchte. Daher haben wir auch einen Boden gewählt, der leicht zu reinigen ist. Licht war bei der Planung ein zentrales Thema, weil die Wohnung durch ihren schlauchförmigen Schnitt nur einseitig belichtet ist. Alle Funktionsräume sind an der fensterlosen Seite aufgefädelt. Zusätzlich habe ich mit hellen Materialien gearbeitet. Ich bin keine Wandanstreicherin, wie es gerade modern ist. Bei uns leben die Wandflächen von Werken befreundeter Künstler, die wir uns im Laufe des Lebens angeschafft haben.

"Wohnraum muss für uns in erster Linie funktionieren", sagt Rita Reisinger-Schöbel. An den Wänden hängt bei ihr Kunst.
Fotos: Lisi Specht

Noch eine Besonderheit unserer Wohnung: Ich habe sie so geplant, dass man sie später irgendwann zweiteilen kann. Alle Anschlüsse sind schon gerichtet, es gibt auch zwei Elektro- und Heizsysteme.

Viele unserer Möbel haben wir aus unserer alten Wohnung mitgenommen. Uns gefallen eher die Klassiker. Eines meiner Lieblingsstücke ist die Esstischleuchte von Megumi Itō. Weihnachtszeit bedeutet jetzt wieder, dass mein Mann wieder Lichterketten draußen auf der Terrasse aufhängt. Da muss ich durch. Solange er keine Elche mit blinkendem Geweih aufstellt, soll es mir recht sein.

Ich lade Kunden gern zum Erstgespräch zu mir ein. Es gibt viele, die gleich beim Hereinkommen sagen: Hier fühl ich mich wohl. Die Wohnung ist also auch Repräsentationsfläche. Vor allem ist sie aber mein Herzensprojekt. Wir sind wahnsinnig gern zu Hause. Das hat zur Folge, dass wir nur wenig weggehen. Aber die Leute kommen eh zu uns.

Der Architekt Corbusier hat gesagt: ‚Ein Haus ist eine Maschine zum Wohnen.‘ Was er vertikal für seine Unité d’Habitation erdacht hat, wollten wir horizontal, auf einer Ebene, schaffen. Wohnraum muss für uns in erster Linie funktionieren, und die Abläufe müssen unkompliziert sein. Ich denke, das ist mir gelungen. Ich würde zumindest im Rückblick nichts anders machen." (6.12.2021)