Es sollte schon ein hundefreundliches Lokal sein, in dem Yoshi (21) und seine Freunde sich abends treffen, weil sie sich auch in der Öffentlichkeit gerne mal ihre Hundemasken aufsetzen und Puppy (Welpe) spielen. Devil (19), der nicht nur mit Maske zum Gespräch erscheint, sondern in vollem Welpenkostüm mit Kette um den Hals und Harness um die Schultern, kuschelt sich dann unter den Tisch und lässt sich kraulen, er knurrt dabei zufrieden und genießt die Zuwendung: "Wrrrrrr!" Wer nicht weiß, worum es hier geht, der könnte irritiert auf solches Verhalten reagieren, und das käme, geben die Freunde zu, auch immer wieder mal vor. "Aber wir halten zusammen", sagt Devil. "Wir verteidigen uns mit Worten!" Und manchmal knurren sie auch zurück, wenn sie angegriffen werden.

Pup-Play ist in der Fetisch-Szene gerade ziemlich angesagt. "Man begibt sich in den Headspace eines Hundewelpen", erklärt Yoshis Lebensgefährte Spark, der auch sein "Owner" ist, sein Besitzer also. "Man ist verspielt, verkuschelt, unerfahren und niedlich." Blödeste Frage also gleich zu Beginn: Muss man einen Hund gehabt haben, um Pup-Play zu verstehen? Oder wie läuft das?

Pup-Play-Treffen: Devil, Yoshi, Spark und Teddy (v. li.) treffen sich regelmäßig. Die Masken bleiben natürlich aufgesetzt.
Foto: Christian Fischer

Ausbruch aus dem Alltag

"Ich wollte immer in den Fetisch hinein!", lacht Yoshi. "Und Pup-Play war eine gute Möglichkeit, weil du dein Gesicht verbergen und dir einen anderen Namen geben kannst." Er selbst heißt eigentlich Angelo, und er war 19, als Spark, der Armin heißt, ihn mit der Szene bekannt machte. Kurz darauf war er bereits "Mr. Puppy 2019". Der Koch, der in einem noblen Ringstraßenhotel gelernt hat und nun im einschlägig bekannten Café Savoy an der Wienzeile arbeitet, stellte sich zusammen mit DJ Wildy ("I am a Doggo DJ from Austria Woof!") zur Wahl. Beide hatten die Aufgabe, für eine internationale Jury eine Choreografie einzustudieren, Yoshi stellte als Welpe Szenen aus seinem Arbeitsalltag nach: "Wenn der Sous-Chef kommt und dich fertig macht, solche Sachen." Für Yoshi war und ist Pup-Play nämlich immer auch ein Ausbrechen aus seinem oft beschwerlichen Alltag inklusive Burnouts, Beziehungs- und Familienproblemen: "Dieses Fetisch-Leben ist eine willkommene Abwechslung", sagt er. "Ich kann mich entspannen und das Kindliche wieder hochkommen lassen."

Ist Pup-Play also mehr ein sozialer denn ein sexueller Fetisch? "Darüber kann man streiten!", sagen Spark und Yoshi unisono, und in Deutschland täte die Szene das gerade auch sehr intensiv. Die einen sagen, das niedliche Pup-Play könne doch gar nichts mit Sex zu tun haben. Die anderen meinen, es käme aus der Fetisch-Szene, daher müsse es unbedingt etwas damit zu tun haben.

Interessant für die Jungen

In Wien ist die Fetisch-Szene recht übersichtlich strukturiert. Es gibt die LMC, die Leather & Motorcycle Community mit über 2000 ausschließlich schwulen Mitgliedern und wenigen Events pro Jahr (Wien in Schwarz). Und dann noch den von Wolfgang aka Lupo gegründeten Verein HFFK, die Homosexuelle Fetisch- und Freikörperkultur, in der Yoshi und Spark Vorstandsmitglieder sind und die vor allem das soziale Beisammensein fördert. Die HFFK ist auch für Heteros oder Pansexuelle offen, und auf ihre zwei weiblichen Mitglieder sind sie besonders stolz. Den "wertschätzenden Umgang miteinander" sowie die "Distanz zu rechtem Gedankengut" haben sie gleich mal in den Statuten festgeschrieben.

"Die ältere Generation stirbt uns weg", erklärt Spark, "und dann bröckelt die gesamte schwule Fetisch-Szene." Pup-Play aber hätte wieder viele junge Leute in die Szene gebracht, die zuvor abgeschreckt waren von Lack, Leder und Darkroom, der oft gleichgesetzt wurde mit Gewalt, Blut und Perversion: "Oh Gott, Fetisch! Das kann ich doch nicht machen, was würden die anderen von mir denken?" Mittlerweile ist Pup-Play aber so angesagt, dass einige Clubbetreiber Puppys als Stimmungsmacher schätzen, und DJ Wildy ist sowieso immer gut gebucht. Spark freilich sieht den Trend kritisch: "Viele machen es nur, weil es so ein Instagram-Ding geworden ist und sie auf den Hype-Train aufgesprungen sind!"

"Pup-Play bringt wieder viele junge Leute in die Szene, die zuvor von Lack und Leder eher abgeschreckt waren" meint Pup-Player Spark
Foto: Christian Fischer

Marillenkuchen statt Peitsche

Lupo (44) und Teddy (42) kommen in ihren Bundesheeruniformen im Rang eines Wachtmeisters zum Gespräch, ohne Hoheitsabzeichen freilich, das sie nicht tragen dürfen, dafür aber mit dem Abzeichen der von ihnen gegründeten PKW, der Panzer Kompanie Wien, in der sich "military gays, army gays und uniform gays" sammeln. Als Lupo das erste Mal in einem Fetischlokal war, hat er seine Lederjacke den ganzen Abend lang nicht ausgezogen, weil auch er dachte, da würde gleich Blut spritzen und überhaupt alles ekelhaft sein. Am Ende ging er mit ein paar sehr guten Marillenkuchenrezepten nach Hause.

"Fetisch ist viel mehr als nur das sexuelle Ausleben", sagt er. "Da gehört Freundschaft dazu, Safe Space oder in der Uniform am Lagerfeuer sitzen und Bier trinken." Darum organisieren sie Uniform-Fetisch-Treffen wie den Gstettenbrand ebenso wie gemeinsame Museumsbesuche, und an der Raffineriestraße auf der Donauinsel treffen sich die FKK-Fans während des Sommers in der Cruising Aera.

"Der Fetisch war bei mir zehn, zwölf Jahren da", sagt der Sozialpädagoge. "Man hat halt nicht gewusst, was das ist." Im Verein hätten sie auch Psychotherapeuten, sodass sie schnell merken würden, wenn jemand nur kompensieren will. Beim Uniform-Fetisch ginge es schließlich um Dominanz und Unterwerfung. Yoshi, der sich selbst als Hybrid bezeichnet und beide Fetische lebt, salutiert, wenn er den anderen begegnet, und darf die Hundestaffel leiten. "Selbstverständlich sind alle entwurmt und gechippt", lacht Lupo.

Streicheleinheit für Puppy

Devil sah Pup-Play anfangs nur als sexuellen Fetisch, bald aber rutschte er auch im Alltag in das Spiel. Er absolvierte eine Lehre beim Oberlandesgericht und wechselte ins Personalwesen der Finanzaufsicht, bevor er in einer Rechtsanwaltskanzlei zu arbeiten begann. "Alles Jobs, in denen ich im Anzug herumlaufe und viel zu checken habe. Als Puppy aber kann ich loslassen, werde gefüttert und gestreichelt." Seine erste Puppy-Maske kaufte er um 40 Euro im Web, mittlerweile ist sein gesamtes Outfit personalisiert, die Maske kommt aus San Francisco, der Harness ist mit seinem Namen beschrieben und mit exakt den Pfötchen verziert, die er darauf haben wollte. "Man startet klein und steigert sich!", sagt er, der sich auch in der U-Bahn als Puppy zeigt. "Wenn ich das nur zu Hause lebe, interessiert das doch niemanden!" Sagt’s und verschwindet unter dem Tisch, wo er sich wieder kraulen lässt. Dann knurrt er zufrieden. (Manfred Rebhandl, 3.12.2021)