Das Lachen der Hyänen ist plötzlich ganz deutlich zu hören. Irgendwo da draußen in der Dämmerung, nicht weit von Alan Bosiela Monnaaletsatsis Safariwagen, muss ein ganzer Clan der Tiere unterwegs sein. "Sie machen sich wohl gerade auf zu ihrem Beutezug", sagt der Guide und lauscht. In Botswanas Okavangodelta beginnt nach Sonnenuntergang die Stunde der Räuber: Löwen, Leoparden, Wildhunde und Tüpfelhyänen – kaum irgendwo sonst in Afrika teilen sich so viele Fleischfresser einen Lebensraum.

Das Okavangodelta ist das größte Binnendelta der Erde und Unesco-Welterbe – eine für den Menschen schwer zugängliche Wildnis aus endlosem Sumpfland und unzähligen Inseln, Seen und Wasserarmen. Das gigantische Feuchtgebiet zieht abertausende Wildtiere aus der umliegenden Kalahari an.

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Das Okavangodelta ist eines der größten und tierreichsten Feuchtgebiete Afrikas.
Foto: Getty Images

Für Monnaaletsatsis Safarigäste endet die Fahrt mit einem besonderen Erlebnis. Sie beobachten, wie ein Leopard im Scheinwerferlicht ihres Wagens das Unterholz nach Warzenschweinen durchstöbert. Unweit des vornehmen Qorokwe-Camps beginnt die Nacht mit einem Konzert aus hunderten Froschkehlen.

Hochpreisiges Safariziel

Schon lange vor der Pandemie galt das Okavangodelta als eines der exklusivsten Naturreiseziele Afrikas. Viele Tierdokumentationen, die hier gedreht wurden, lockten Touristen aus aller Welt an. Botswana hat sich in den letzten Jahrzehnten von einem der ärmsten zu einem der reichsten Länder Afrikas entwickelt. Neben der Diamantenförderung spielte dabei zunehmend auch der Tourismus eine entscheidende Rolle.

Vor allem unter dem früheren Präsidenten Ian Khama, einem engagierten Artenschützer, wurde das Land als hochpreisiges Safariziel etabliert. Durch die Pandemie ist das Erfolgsmodell jedoch bedroht. Nach dem Abebben der letzten Corona-Welle waren erst im September wieder die ersten Touristen zurückgekehrt. Nun droht mit den jüngsten Nachrichten über die Omikron-Variante, die erstmals in Botswana und Südafrika nachgewiesen wurde, das südliche Afrika erneut zur No-go-Zone zu werden.

Strikte Reisewarnungen

Viele Staaten weltweit, darunter auch Österreich, haben in den letzten Tagen strikte Reisewarnungen für Botswana verhängt. Für Rückkehrer gelten harsche Einreise- und Quarantäneregeln. Es sieht ganz so aus, als müsse sich das südliche Afrika erneut auf Wochen oder gar Monate fast ohne ausländische Touristen einstellen.

Ein Elefant nimmt ein Bad im Okavangodelta.
Foto: AFP/MONIRUL BHUIYAN

Das hat nicht nur dramatische Folgen für die Wirtschaft, sondern auch für den Naturschutz: Bleibt das Geld durch die Safaris aus, geraten die Schutzgebiete immer mehr unter Druck. Mit fehlenden Einnahmequellen für die Bewohner der Dörfer rings um das Delta nimmt die Armut und damit auch die Versuchung der illegalen Fleischjagd zu.

Rückkehr der Wilderer

"Vor allem während der Lockdown-Monate sind Wilderer über die nördliche Grenze ins Okavangodelta gekommen", sagt Monnaaletsatsi. Sie nutzten die Gelegenheit, dass derzeit keine Touristen und allgemein viel weniger Menschen in der Region unterwegs waren. Vorwiegend aus Sambia dringen international vernetzte Banden ins Land ein.

Ihr Ziel: Die Nashörner, deren Horn entgegen allen wissenschaftlichen Studien in China und Vietnam als medizinisches Wundermittel gehandelt wird. In den letzten Jahren wurden erstmals nach langer Zeit auch im Zentrum des Deltas Nashörner gewildert.

In einer Pressemitteilung gab Botswanas nationale Naturschutzbehörde Ende Oktober die Zahl der 2019 und 2020 gewilderten Nashörner mit 92 an. Im Jahrzehnt davor waren nur einzelne Tiere der Wilderei zum Opfer gefallen. Wie viele Nashörner im laufenden Jahr 2021 bereits getötet wurden, ließ die Pressemitteilung unbeantwortet.

Nichts zu feiern

"Für Botswana gibt es nichts zu feiern", postete der frühere Präsident Ian Khama zum Welt-Nashorn-Tag am 22. September auf Facebook. "Und das Abschlachten geht weiter, wenn heutzutage auch in langsamerem Tempo, da kaum noch Nashörner zum Wildern in freier Wildbahn übrig sind." Dass es nun ausgerechnet die einst wachsende Nashornpopulation trifft, die um 2015 hierher aus Südafrika angesiedelt wurden, wo damals die Zahl gewilderter Tiere in die Höhe geschnellt war, ist von besonderer Tragik.

"Nichts ist demoralisierender als eine Nachricht wie die, die wir kürzlich erhalten haben. Einem Nashornkalb wurde die Wirbelsäule zerhackt – nur um an die 100 Millimeter seines Horns zu kommen", sagt Dereck Joubert. Wildhüter fanden das Tier noch lebend. Die preisgekrönten Naturfilmer und Artenschützer Beverly und Dereck Joubert haben um 2015 "Rhinos Without Borders" initiiert.

Zum Höhepunkt der Nashornwilderei flog die Organisation Spitz- und Breitmaulnashörner nach Botswana aus. "Wenn das Ziel war, 100 Nashörner aus Südafrika vor der Wilderei zu retten, und dann werden sie in Botswana gewildert, was haben wir erreicht?", fragt sich Joubert heute.

62 Jungtiere

Alternativen zu Umsiedlungen sieht der Naturschützer jedoch kaum. "Als wir mit dem Projekt begonnen haben, hieß es: Es ist vorbei mit den Nashörnern, wir können nichts mehr für sie tun."

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Vor der Pandemie fanden Nashörner in Botswana Zuflucht vor Wilderern. Nun scheinen sie auch dort gefährdet.
Foto: Getty Images

In Südafrika wurden zu diesem Zeitpunkt etwa 1.200 Nashörner im Jahr gewildert. Die nach Botswana ausgeflogenen Tiere vermehrten sich unterdessen. "Wir haben uns etwas mehr Zeit erkauft", sagt Joubert, "62 Jungtiere wurden in der Gruppe geboren." Botswanas Naturschutzbehörde gab im Oktober bekannt, sämtliche Spitzmaulnashörner aus dem Okavangodelta in leichter zu überwachende umzäunte Gebiete bringen zu wollen.

Öliger Schatten

Die Wilderei ist indes nicht die einzige Bedrohung, die während der Pandemie einen Schatten auf das Delta geworfen hat. Im Nordosten Namibias, nicht weit von der botswanischen Grenze, hat das kanadische Öl- und Gas-Unternehmen ReconAfrica im Frühjahr mit Testbohrungen begonnen.

Zu Jahresbeginn 2022 sollen mehrere Ölquellen erschlossen werden. Der Konzern hat eine Lizenz für eine Gesamtfläche von fast 35.000 Quadratkilometern in beiden Ländern – in etwa die Größe von Niederösterreich und der Steiermark zusammengenommen.

Das Gebiet grenzt an den Okavango. Naturschützer sehen eine mögliche Ölförderung sowohl in Namibia als auch in Botswana als eine unmittelbare Gefahr für das Ökosystem. Zuletzt riefen auch Prominente wie Prinz Harry und Leonardo DiCaprio zum Stopp der Ölbohrungen auf.

Nahe der Wanderrouten der Elefanten

Ein Sprecher von ReconAfrica wiegelt ab: "Wir sind entschlossen, die Arbeit in Zusammenarbeit und unter direkter Aufsicht der Regierungen beider Länder fortzuführen." Zum Okavango selbst sei eine Zehn-Kilometer-Pufferzone, zum Delta 20 Kilometer Abstand vorgeschrieben. Dass ein unbegradigter Strom wie der Okavango, seine Wasserarme und Zuflüsse keinen menschengemachten Grenzen folgen, bleibt dabei anscheinend unbedacht.

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Sonnenaufgang hinter einem Affenbrotbaum
Foto: REUTERS/Mike Hutchings

Auch die Stellungnahme, dass die Förderung nicht in Nationalparks stattfinde, ist irreführend. Die geplanten Ölquellen liegen nach Angaben von Naturschützern nahe der Wanderrouten von Elefanten innerhalb der Kavango-Zambezi Transfrontier Conservation Area. Das länderübergreifende Reservat beheimatet die größte Elefantenpopulation der Welt.

Im Herzen des Deltas

"Ich bin nicht optimistisch, dass die Pläne in Namibia aufgegeben werden", sagt Joubert. "Meine größte Angst ist, dass durch den derzeitigen Niedergang des Safaritourismus weiter nach anderen Alternativen Ausschau gehalten wird: Bergbau, fossile Brennstoffe und Viehhaltung." Durch die Auswirkungen der Omikron-Variante scheinen solche Sorgen berechtigter denn je.

Im Herzen des Deltas, nahe der luxuriösen Jao-Lodge, paddelt Dennis Smith in einem Mokoro-Einbaum durch einen von Seerosen gesprenkelten Wasserarm. "Wir wissen nicht genau, was mit dem Ölprojekt vor sich geht", sagt der Naturfotograf und Guide. "Es gibt kaum Nachrichten darüber. Aber die meisten Botswaner sind dagegen."

Botswaner lieben es, fast lautlos durch das Labyrinth des Lebens zu gleiten, das seit Jahren ihr Zuhause ist. Blaustirn-Blatthühnchen eilen über die ausgebreiteten Schwimmpflanzen. In Schwärmen steigen Pfeifgänse in den hellen Abendhimmel auf. Die Flusspferde beginnen ihre Weideausflüge im Mondlicht. "Wenn tatsächlich einmal Öl in diese Wildnis gelangt, wird uns das alle treffen", sagt Smith, "Tiere und Menschen gleichermaßen." (Win Schumacher, RONDO, 10.12.2021)