Eine Kurzarbeitsvereinbarung kann indirekt Einfluss auf den allgemeinen Kündigungsschutz haben.

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Kündigungen können auch während der Kurzarbeit rechtswirksam ausgesprochen werden. Das hat der Oberste Gerichtshof (OGH) in einer aktuellen Entscheidung bestätigt. Bis zuletzt war unklar gewesen, ob Sozialpartnervereinbarungen über Kurzarbeit auch einen "individuellen Kündigungsschutz" auslösen. Das Oberlandesgericht Linz und das Oberlandesgericht Wien hatten die Frage unterschiedlich beantwortet, der OGH sorgte nun für eine Klarstellung (OGH 22.10.2021, 8 ObA 48/21y).

Beschäftigungsstand muss gleich bleiben

Kurzarbeit ist seit den 1920er-Jahren eine bewährte Strategie, um Arbeitsverhältnisse in wirtschaftlich schwierigen Zeiten aufrechtzuerhalten. Grundlage dafür ist eine Vereinbarung zwischen den überbetrieblichen Sozialpartnern, der Arbeitgeberin und den betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bzw. dem Betriebsrat: Vereinbart wird eine vorübergehende Verkürzung der Arbeitszeit und eine anteilsmäßige Kürzung des Entgelts, die Entgeltdifferenz wird weitestgehend durch die Kurzarbeitsbeihilfe des AMS ausgeglichen.

Bei Abschluss der Sozialpartnervereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit verpflichtet sich die Arbeitgeberin zur Aufrechterhaltung des Beschäftigtenstands für einen bestimmten Zeitraum. Diese sogenannte Behaltefrist ist differenziert ausgestaltet: Während der Kurzarbeit ist der Beschäftigungsstand des gesamten Betriebs aufrechtzuerhalten, das heißt auch für jene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die nicht in Kurzarbeit sind. Nach Ende der Kurzarbeit erfasst die Behaltepflicht (in der Regel für die Dauer eines Monats) nur mehr jene Beschäftigten des Betriebs, die von der Kurzarbeit unmittelbar betroffen waren.

Kündigungen dürfen, so die Sozialpartnervereinbarung, frühestens nach Ablauf der jeweiligen Behaltefrist ausgesprochen werden. In weiterer Folge listet die Sozialpartnervereinbarung jedoch Fallkonstellationen auf, in denen nach einer ausgesprochenen Kündigung der Beschäftigtenstand aufzufüllen ist. Dies ist beispielsweise bei einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus personenbezogenen Gründen der Fall.

Gerichte waren sich uneinig

Strittig war allerdings, ob diese Bestimmung in der Sozialpartnervereinbarung einen besonderen individuellen Kündigungsschutz begründet oder nur beihilfenrechtliche Relevanz hat: Das Oberlandesgericht Wien war der Auffassung, dass die Sozialpartnervereinbarung so zu verstehen ist, dass während der Behaltepflicht betriebsbedingte Kündigungen nichtig sind, also Arbeitsverhältnisse während der Kurzarbeit nicht rechtswirksam gekündigt werden können. Demgegenüber war das Oberlandesgericht Linz der Auffassung, dass während einer Behaltepflicht kein besonderer individueller Kündigungsschutz besteht und Arbeitsverhältnisse nach den allgemeinen Regelungen rechtswirksam beendet werden können. Verstöße gegen die vereinbarte Behaltepflicht haben nach dieser Auffassung lediglich beihilfenrechtliche Konsequenzen.

Nun hat sich der OGH erstmals zu der Frage von Kündigungen während einer vereinbarten Kurzarbeit geäußert und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass innerhalb der Sozialpartnervereinbarung kein besonderer individueller Kündigungsschutz der betroffenen Arbeitnehmer besteht.

Schutz des Arbeitsmarkts

Der OGH begründet sein Ergebnis mit dem Zweck der Sozialpartnervereinbarung. Diese schafft die Voraussetzung für die Gewährung der Kurzarbeitsbeihilfe durch das AMS. Die gesetzliche Grundlage für die Gewährung von Kurzarbeitsbeihilfen legt fest, dass die Sozialpartnervereinbarung, die für die Gewährung einer Kurzarbeitshilfe notwendig ist, das Aufrechterhalten des Beschäftigungsstands sicherstellen soll. Ein individueller Kündigungsschutz wird vom Gesetzgeber nicht gefordert.

Daraus ergibt sich, so der OGH, dass der Preis der Kurzarbeit das Halten eines bestimmten Beschäftigtenstands, nicht aber das Halten einzelner Beschäftigter ist. Geschützt ist also der Arbeitsmarkt in einem bestimmten Wirtschaftszweig. Den einzelnen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wird im Rahmen der Sozialpartnervereinbarung kein besonderer individueller Kündigungsschutz gewährt. Kündigungen sind daher auch während einer vereinbarten Kurzarbeit nach allgemeinen Spielregeln rechtswirksam möglich.

Allgemeiner Kündigungsschutz besteht trotzdem

Dies bedeutet aber nicht, dass Kurzarbeit keine Auswirkungen auf betriebsbedingte Kündigungen hat. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssen zum Beispiel im Rahmen von Anfechtungsverfahren betriebsbedingte Kündigungen weiterhin nach dem allgemeinen Kündigungsschutz rechtfertigen können. Mittelbar zeigt Kurzarbeit hier sehr wohl Auswirkungen, denn im Regelfall werden es Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber kaum begründen können, weshalb die Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern trotz Kurzarbeitsbeihilfen betrieblich nicht möglich ist.

Dieses Ergebnis ist für jene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Betriebsräte, die Sozialpartnervereinbarungen zur Einführung von Kurzarbeit im Vertrauen auf einen individuellen Kündigungsschutz unterzeichnet haben, wohl ein vergleichsweise schwacher Trost. Allerdings kann man sich wohl der vom OGH geäußerten Vermutung anschließen, dass für Unternehmen der reine Austausch von Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmern in der Regel ebenso wenig erstrebenswert ist wie der Verlust von großzügigen Förderungen. (Daniela Krömer, 3.12.2021)