Bild nicht mehr verfügbar.

Meghan Markle, Ehefrau von Charles' jüngerem Sohn Prinz Harry, konnte sich in einem Gerichtsstreit gegen Tabloid-Medien durchsetzen.

Foto: REUTERS

Eigentlich geht es vor dem Geschworenengericht in Manhattan um die dunkle Vergangenheit einer High-Society-Dame. Aber keine Aussage im Prozess gegen Ghislaine Maxwell vergeht, ohne dass ein alter Freund der Angeklagten genannt wird. "Ist Ihnen Prinz Andrew, der Herzog von York, ein Begriff?", lautet die Frage der Anklägerin. Natürlich, antworten die Zeugen, erinnern sie sich an persönliche Begegnungen mit dem britischen Royal, und rücken den Lieblingssohn von Elizabeth II damit täglich in die Nähe schlimmer Sexualverbrechen.

Wohlgemerkt in die Nähe. Sowohl der Achte der britischen Thronfolge, 61, wie seine frühere Flamme Maxwell, 59, beteuern ihre Unschuld: Sie hätten von den Sexualstraftaten des mittlerweile verstorbenen New Yorker Finanzjongleurs Jeffrey Epstein nichts gewusst.

Für die Tochter des früheren britischen Zeitungszaren Robert Maxwell steht die Freiheit auf dem Spiel: Sie muss sich wegen Beihilfe zu Epsteins Sexualverbrechen gegen minderjährige Mädchen, die jüngsten gerade erst 14 Jahre alt, verantworten. Kommt es in den sechs Einzeldelikten zu einer Verurteilung, würde die seit 16 Monaten in Untersuchungshaft sitzende Maxwell für bis zu 35 Jahre hinter Gittern verschwinden. Zusätzlich wartet auf sie noch ein Verfahren wegen Meineids.

"Unbesonnener, arroganter Trottel"

Für den Herzog geht es jedenfalls nicht um seine Reputation. Diese hat der einstige Playboy-Prinz durch seine langjährige Freundschaft mit Epstein und seine lachhaften Äußerungen dazu ("Ich habe die Tendenz, besonders ehrenhaft zu sein") gründlich verspielt. In der britischen Öffentlichkeit wird er bestenfalls noch als "unbesonnener, arroganter Trottel" wahrgenommen, wie es in der "Times" hieß.

Der Institution freilich, der Andrew sein privilegiertes Leben verdankt, fügt jede neue Erwähnung seiner Epstein-Verbindung neuen Rufschaden zu. Dabei hat der Advent ohnehin wenig erfreulich begonnen für die Queen und ihren Clan. Zu Wochenbeginn kappte die Karibikinsel Barbados ihre vorletzte Verbindung zur alten Kolonialmacht: Statt der Monarchin im fernen London dient nun eine Präsidentin den knapp 300.000 Inselbewohnern als Staatsoberhaupt.

Tapfer wohnte Thronfolger Charles der festlichen Zeremonie bei, sprach von bleibenden Verbindungen, aber auch vom kolonialen Erbe der Sklaverei, "die auf immer unsere Geschichte beschmutzt". Immerhin will Barbados im 54 Mitglieder zählenden Club britischer Ex-Kolonien bleiben, was den zukünftigen Chef des Commonwealth freuen wird. Dass er aber von seiner Mutter die Rolle als Staatsoberhaupt nur mehr in 15 Staaten der Welt erbt, muss den 73-Jährigen mit Besorgnis erfüllen.

Absetzbewegungen nicht nur in Barbados

Zumal auch andere, deutlich wichtigere Länder Absetzbewegungen erkennen lassen. Erstmals erbrachte eine Umfrage im bisher so royalistischen Kanada eine Mehrheit für die Verwandlung in eine Republik. Ähnlich sieht es in Australien aus. Im Falle Neuseelands sehen Beobachter lediglich noch den Respekt vor der Lebensleistung der mittlerweile 95-jährigen Queen als Hindernis für die endgültige Ablösung von London an.

Auch die Heimat bereitet dem zunehmend deutlicher als Prinzregent agierenden Charles Kopfzerbrechen. Dass Stargeiger Nigel Kennedy ihn als "besseren Sozialisten als die Labour Party" lobt und damit potenziell bei Boris Johnsons konservativer Regierung in Misskredit bringt, kann der Thronfolger noch verkraften.

Ein Urteilsspruch des Appellationsgerichts hingegen wird im Buckingham-Palast als zweischneidig wahrgenommen. Denn Siegerin des Verfahrens war dort Meghan Markle, Gattin von Charles' jüngerem Sohn Prinz Harry. Im Streit um das Copyright eines Briefes an ihren schwatzhaften Vater Thomas setzte sich die mittlerweile mit ihrer Familie in Kalifornien lebende Herzogin von Sussex nicht nur gegen die Boulevardblätter "Daily Mail" und "Mail on Sunday" durch. Sie veröffentlichte auch eine triumphierende Erklärung, in der von der "Neugestaltung" der Branche die Rede war.

"Nichts verneinen, nichts erklären"

Nun sind die Royals zwar bekanntermaßen stets schlecht auf die Medien zu sprechen, weil diese sich nicht immer so manipulieren lassen, wie man es bei Hofe gern sähe. Das gilt besonders für die berüchtigten Tabloids von "Sun" über "Mirror" bis zur "Mail". Die schrecken vor wenig zurück, ganz gewiss nicht vor einer vermeintlichen oder echten Verletzung der Privatsphäre. Aber im Buckingham-Palast gilt, bis auf Extremfälle, die Maxime "nichts verneinen, nichts erklären". Schließlich bleiben Elizabeth II und ihr Clan auf das Wohlwollen der Londoner Boulevardblätter angewiesen, um das Überleben ihrer anachronistischen Institution zu gewährleisten.

Prinz Andrew leistet dazu, so viel dürfte feststehen, keinen Beitrag. Von allen öffentlichen Funktionen hat ihn sein älterer Bruder Charles ohnehin entbunden. Das New Yorker Verfahren kann nach der schon wenig erfreulichen ersten Verhandlungswoche nur schlimmer werden: Bald dürfte auch jenes Epstein-Opfer aussagen, das den Royal schwer belastet.

Virginia Giuffre hat in einer Zivilklage Andrew beschuldigt, er habe sie, damals noch minderjährig, vor zwanzig Jahren mehrfach sexuell missbraucht. Der Herzog hat stets beteuert, an den Vorwürfen sei nichts dran: "Ich habe keinerlei Erinnerung an ein Treffen mit dieser Lady." Ein Foto, das die beiden gemeinsam zeigt, bezeichnete er als Fälschung.

Keine positive PR

Die Anwälte des Prinzen haben im Gegenzug schwere Vorwürfe gegen Giuffre erhoben: Diese sei nur an Geld interessiert; in der Hoffnung auf eine Millionenzahlung stehle sie der Justiz die Zeit, echten Straftaten nachzugehen. Womöglich sei sie sogar selbst an Sexualverbrechen beteiligt gewesen.

Selbst wenn der Prozess weder in einer Verurteilung endet noch echte Neuigkeiten über den Prinzen zutage fördert – in den Weltmedien ist in diesem Dezember jeden Tag aufs Neue von Andrew in Zusammenhang mit einem verurteilten Sexualverbrecher und dessen Umtrieben zu lesen. Positive PR fürs Königshaus sieht anders aus. (Sebastian Borger aus London, 5.12.2021)