1.200 Polizeikräfte waren bei den Corona-Demos am Samstag in Wien im Einsatz.

Foto: APA/FLORIAN WIESER

Eine Demo führte über den Wiener Ring.

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Beinahe seit Ausbruch der Corona-Pandemie gibt es auch Demonstrationen gegen Schutzmaßnahmen. Besonders großen Zulauf erhielten diese Anfang dieses Jahres, im Laufe der Zeit sind die Teilnehmerzahlen jedoch abgeflacht. Seit die Bundesregierung vor zwei Wochen verkündete, dass eine Impfpflicht eingeführt werden soll, nehmen die Proteste wieder Fahrt auf. Vor zwei Wochen kam es deshalb mit etwa 40.000 Teilnehmern zur bisher größten Demonstration gegen Corona-Maßnahmen.

Seither kam es immer wieder zu Protesten, etwa vergangenen Mittwoch, als ein "Warnstreik" gegen die Impfpflicht ausgerufen wurde. Es handelte sich jedoch nicht um einen gewerkschaftlich organisierten Streik, die Organisatoren wiesen die Teilnehmer lediglich darauf hin, dass man sich an dem Tag freinehmen könne.

Zahlreiche Versammlungen

Nun wurden auch für dieses Wochenende erneut Kundgebungen angemeldet. Bundesweit waren es mit Stand Freitagmittag nach Auskunft des Innenministeriums etwa 40 Versammlungen mit Bezug zu Corona. Zur wohl größten Demonstration kommt es am Samstag in der Wiener Innenstadt. Zahlreiche Kundgebungen wurden in der Bundeshauptstadt angemeldet, die meisten laufen rund um den Heldenplatz zusammen, wo die größte Versammlung stattfindet.

Polizei: "Dynamische Lage"

Am frühen Nachmittag waren viele Gruppen aber bereits am Ring unterwegs, dementsprechend unübersichtlich war die Lage. Rund 1.200 Polizisten sind im Einsatz. Um 16 Uhr schätzte die Polizei die Demo-Teilnehmeranzahl auf über 10.000 Personen. Nur wenig später, um 16:45 Uhr, sprach sie aber von aktuell über 40.000 Teilnehmern.

Die Lage sei "sehr dynamisch" hieß es zuvor bereits von Seiten der Polizei gegenüber der APA. Immer wieder strömten Personen zum Heldenplatz bzw. bewegten sich wieder weg. Strafen gab es wegen Nichteinhaltung der Maskenpflicht. Laut Exekutive haben Demonstranten zudem Polizistinnen und Polizisten mit pyrotechnischen Gegenständen beworfen. Die Exekutive reagierte daraufhin mit Pfefferspray. Einige Demonstranten seien wegen des Verdachts des Widerstandes gegen die Staatsgewalt festgenommen worden. In der Nähe der U-Bahn-Station Landstraße soll es laut Augenzeugen zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten gekommen sein.

Wegen der zahlreichen Marschkundgebungen werden zahlreiche Verkehrsbehinderungen erwartet. Unter anderem sperrte die Polizei Schwedenbrücke und Marienbrücke, weil sich dort rechte und linke Gruppierungen gegenüberstanden – kurzfristig wurde auch eine Absperrung durchbrochen. Eine größere Abordnung der Identitären um Martin Sellner mit Transparenten wie "Uns kriegt ihr nie" und "Wir sind das Volk" wurde schließlich in Richtung Landstraße umgeleitet. Die linke Gegendemo war am Stephansplatz gestartet – laut Polizei mit rund 1.500 Teilnehmern. Motto dort: "Mund-Nasen-Schutz aufsetzen. Gegen Nazis, Staat und Kapital".

Der Haupt-Demozug wurde um 15.15 Uhr beim Gartenbaukino gestoppt, was kurzfristig zu Unmutsbekundungen und aufgeheizter Stimmung führte. Nach einer Viertelstunde ging es dann weiter. Die lauteste Kritik der Maßnahmengegner richtete sich gegen die geplante Impfpflicht – Transparente verkündeten etwa "Impfungen sind Völkermord". Immer wieder trennten sich kleinere und größere Abordnungen vom Demozug, was die Lage unübersichtlich machte.

Ein Polizeieinsatz bei einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen.
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Sechs Versammlungen waren in Wien untersagt worden. Spezifische Gründe für die Untersagungen nannte die Landespolizeidirektion Wien (LPD Wien) nicht – betonte aber, dass manche Versammlungen am selben Ort stattgefunden hätten. Aufgrund der derzeitigen epidemiologischen Lage ersuche sie die Bürger, von einer Teilnahme an den Demos Abstand zu nehmen.

Angemeldet wurde der Großteil der Versammlungen von Einzelpersonen, die meist in Zusammenhang mit einschlägigen Gruppen aus dem Querdenkermilieu stehen. Schon am Vormittag veranstaltete die Impfgegner-Partei MFG eine Demonstration am Schwarzenbergplatz, deren Teilnehmer sich gegen Mittag zum Teil Richtung Heldenplatz bewegten.

Gegen 16 Uhr zogen die Demonstranten am Schwedenplatz vorbei
DER STANDARD

FPÖ unterstützt

Im Vorfeld sprachen Organisatoren davon, "die größten Demos der Geschichte" vorzubereiten. Dass dem so sein wird, ist allerdings zu bezweifeln – vor allem angesichts der Tatsache, dass die FPÖ die Demos zwar auf ihrer Website bewirbt, aber dieses Mal keine eigene Versammlung angemeldet hat. Inhaltliche Unterstützung gibt es jedoch: "Wir zeigen der Regierung die rote Karte für ihre Lockdown-Politik und den Impfzwang – nicht nur im Parlament, sondern auch gemeinsam mit zigtausenden Österreichern auf der Straße", war auf Facebook zu lesen.

Zündstoff könnte die Tatsache liefern, dass Innenminister Karl Nehammer Bundeskanzler Alexander Schallenberg (beide ÖVP) in seiner Funktion nachfolgen wird. Nehammer wird in der Szene als Feindbild bemüht, hatte er doch als Innenminister die Kontrollen der Corona-Maßnahmen zu verantworten. In einschlägigen Chats war im Vorfeld der Demos zu lesen, dass man "zum Einstand von Nehammer am besten gleich das ganze Land lahmlegen" werde, an anderer Stelle wurde Nehammer mit Engelbert Dollfuß, dem Begründer des austrofaschistischen Ständestaats, verglichen. Nehammer kam beim Medientermin nach der Sitzung des ÖVP-Bundesparteivorstands am Freitag selbst auf die Corona-Demos zu sprechen: "Wir alle gemeinsam haben es in der Hand, die Freiheit für uns alle wieder zurückzuerlangen", sagte er. Diese sei nicht durch parteipolitische Entscheidungen eingeschränkt, sondern durch das Virus.

Ideen, die auf Corona-Demos verbreitet werden, sind oft als rechts, antisemitisch und Holocaust-verharmlosend einzustufen. Eine Aufarbeitung der häufigsten Symbole und Begriffe.

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"Eskalationsspirale"

Aktivist Martin Rutter sprach am Freitag vom "Nehammer-Regime" und prognostizierte eine "große Kriminalisierungkampagne". Es werde in den nächsten Wochen zu vielen Hausdurchsuchungen kommen, ebenso zu Versuchen, die friedliche Bewegung "in eine Eskalationsspirale reinzutreiben". Der Protest solle aber gewaltfrei sein.

In den letzten Wochen war eine zunehmende Radikalisierung von einzelnen Gruppen und Aktivisten im Milieu der Corona-Leugner und Impfgegner zu beobachten. Im Vorfeld der Demo vor zwei Wochen kam es zu Todesdrohungen gegen Regierungsmitglieder. Immer wieder kommt es zudem bei Demos zu Angriffen auf Journalisten, ebenso zu Anzeigen wegen mutmaßlichen Verstößen gegen das Verbotsgesetz.

"Katholischer Widerstand"

Eine eigene Mobilisierung gibt es auch aus der erzkonservativ-katholischen Ecke. Unter dem Namen "Katholischer Widerstand" werden Christen dazu aufgerufen, sich am Protest gegen Corona-Maßnahmen und Impfpflicht zu beteiligen. Der mit der Initiative verbundene Aktivist Alexander Tschugguel – er sammelte unter anderem politische Erfahrungen bei den "Reformkonservativen" von Ex-FPÖler Ewald Stadler – sprach etwa kürzlich davon, dass man den "Impfzwang und andere Terrormaßnahmen" verhindern könne. Nach einem Gebet wolle man auch an der Demo am Samstag teilnehmen.

Erst am Mittwoch, als auch der "Impfstreik" stattfand, zog ein Marsch mit betenden Demonstranten durch die Wiener Innenstadt. Dafür Werbung hatte auch die Piusbruderschaft gemacht, und zwar konkret für eine Initiative, die seit kurzem zu Rosenkranz-Gebeten aufruft, die Gläubige jeden Mittwoch öffentlich vollziehen sollen. Und zwar so lange, "bis die aktuelle Gesellschaftskrise sich friedlich gelöst hat und die Regierenden auf ihre Zwangspläne definitiv verzichtet haben", heißt es in einer Social-Media-Gruppe.

Linke Gegendemo

Für Samstag wurde auch eine linke Gegendemonstration angemeldet. Antifaschistische Gruppierungen rufen unter dem Motto "Gegen Antisemitismus und Faschismus, solidarisch gegen die Pandemie" zum Protest auf. Man wolle "der extremen Rechten und ihren Mitläufer:innen die Straßen von Wien" nicht überlassen, wie es im Aufruf heißt. Unterstützt wird die Demo unter anderem von der Jüdischen HochschülerInnenschaft, der Sozialistischen Jugend und dem KZ-Verband.

Eine Demo in Wien.
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Bei der LPD Wien ging man von einem friedlichen Verlauf des Demotags aus. Kritische Infrastruktur werde geschützt, heißt es. Derzeit werden Spitäler von der Exekutive verstärkt bestreift, da es immer wieder zu Vorfällen mit Impfgegnern kommt. Auch bei einer Schule in Wien hat es kürzlich laut Polizei einen Zwischenfall mit Impfgegnern gegeben, als dort eine Impfaktion durchgeführt wurde. Nach einem Einsatz sei aber alles ruhig verlaufen. (Vanessa Gaigg, 4.12.2021)