Das große Geschäft könnte bald zum Hightech-Erlebnis werden.

Die Impfung und das Penicillin können einpacken: Keine Erfindung hat mehr Leben gerettet als die Toilette, heißt es oft. Denn die häusliche Einrichtung ist nicht nur bequem, sondern entsorgt auch hocheffizient Krankheitserreger.

Die ersten Toiletten soll es schon vor rund 5000 Jahren gegeben haben. Still war das Örtchen im alten Rom allerdings nicht. Die öffentlichen Klos waren nicht nur ein Ort für das kleine und große Geschäft, sondern luden mit ihren bis zu 50 Sitzplätzen auch zum Get-together ein – ohne Trennwände, versteht sich. Sogar Kanalsysteme gab es schon. Im Mittelalter landete der Nachttopf wieder vermehrt auf der Straße – und damit auch Krankheitserreger wie Cholerabakterien. Erst in der Neuzeit wurde die Toilette wieder en vogue, diesmal dafür gleich mit Wasserspülung. Bis zum eigenen Klo für alle sollte es in Europa allerdings noch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts dauern.

Der Milliardär mit dem Kotglas

Zu einem Ende gekommen ist die Entwicklung der Toilette aber noch lange nicht. Rund zwei Milliarden Menschen haben immer noch keinen Zugang zu sicheren Sanitäranlagen, 673 Millionen praktizieren laut UN den Stuhlgang sogar noch im Freien, was Durchfallerkrankungen grassieren lässt. Bill Gates hat deshalb schon 2018 – mit einem Glas Kot auf dem Rednerpult – die Toilettenrevolution ausgerufen: Mehr als 200 Millionen US-Dollar will der Milliardär in innovative Toiletten stecken, die auch ohne Kanalisation funktionieren und den Kot und Urin etwa an Ort und Stelle desinfizieren oder in Dünger umwandeln.

Auch im Hightech-Bereich tut sich einiges: Die in vielen Haushalten Japans üblichen Toiletten bieten alles, was der Allerwerteste begehrt. So lässt sich vieler(stiller)orts die Brille beheizen, Musik abspielen, oder in die Toiletten ist eine Bidetfunktion mit anschließender Trocknung integriert. Schon 1997 war der Weltmarkt für Hightech-Toiletten 800 Millionen US-Dollar schwer.

Ein Auswuchs einer Gesellschaft, die schon alles hat? Womöglich. Fakt ist aber, dass sich im Stuhl allerhand Biomarker finden, die smarte Toiletten analysieren könnten. Das wissen wir spätestens, seit Epidemiologen die nächste Corona-Welle schon vor der Politik in den Abwasserkanälen sahen. Auch dass Kufstein den landesweit höchsten Pro-Kopf-Konsum an Kokain hat, wissen Experten aus dem Abwasser der Tiroler Gemeinde.

Wertvolle Daten

"Fast jedes Gerät in unserem Alltag wird zunehmend dafür genutzt, um unser Leben besser und sicherer zu machen", sagt Sonia Grego vom Smart Toilet Lab an der Duke University zum STANDARD. Dass das bei der Toilette nicht der Fall ist, sieht sie als "Verschwendung", weil Exkremente sehr aufschlussreich über den Gesundheitszustand unseres Körpers sein können.

Das Duke Smart Toilet Lab forscht deshalb an einer Toilette, die Menschen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen oder Reizdarmsyndrom helfen könnte. Bisher mussten diese nämlich ihren Stuhl genau beobachten oder fotografieren, damit Ärzte die Behandlung anpassen können – eine enorme Hemmschwelle.

Die Toilette von morgen könnte ihnen diese unappetitliche Arbeit abnehmen und die Daten direkt an eine Ärztin weiterleiten. Auch gesunden Menschen könnten smarte Klos wertvolle Daten liefern und etwa Krankheiten frühzeitig erkennen – und personalisierte Ernährungsempfehlungen gleich dazuliefern. Dass die Tech-Toilette einen Facharzt ersetzt, glaubt Grego zwar nicht, aber sie könnte so etwas sein wie die Warnleuchte im Auto: Nämlich der Hinweis, dass irgendetwas nicht stimmt. "Eines Tages wird die Toilette uns etwa sagen: Dieses Essen verträgst du nicht", sagt Grego.

Von Ernährung bis Sport weiß die Toilette alles

Andere konzentrieren sich wiederum auf Urin. Der Chemiker Joshua Coon sammelte etwa für eine Studie zehn Tage lang den Urin von zwei Menschen. Er fand heraus, dass sich anhand der Proben sagen ließ, ob eine Person Sport betrieben, gesund gegessen oder gut geschlafen hatte, auch Medikamentenrückstände findet man dort. Auch dort könnten Ärztinnen – oder sogar eine künstliche Intelligenz – Krankheiten frühzeitig erkennen.

Proben chemisch zu analysieren ist freilich keine triviale Technologie, die sich ohne weiteres in jede Toilette integrieren lässt. Vieles lässt sich auch mit Kameras lösen, glaubt Vik Kashyap. Der US-amerikanische Unternehmer ist schon seit zwei Jahrzehnten in der Branche. Seine kürzlich entwickelte smarte Klobrille "TrueLoo" lässt sich auf jeder Toilette anbringen. Sensoren analysieren dann Volumen, Konsistenz und Farbe des Stuhls – hygienisch und berührungsfrei. So lasse sich etwa Blut feststellen.

Anusstruktur als Identifizierungsmerkmal

Die Vision von Kashyap ist, dass die Toilette einmal "das wichtigste Medizinprodukt zu Hause" wird, sagte er dem Guardian. So wie sich viele Menschen heute von Smartwatches tracken lassen, könnte auch die intelligente Toilette bald ganz normal werden.

Auch für das Problem, die Proben der richtigen Person zuzuordnen, suchen Forscher bereits nach einer Lösung. Die smarte Klobrille "TrueLoo" soll den Benützer etwa am Gewicht und der Sitzhaltung erkennen. Die Stanford School of Medicine wiederum arbeitet an einem Scanner, der Menschen an der Struktur ihrer Analschleimhaut zu erkennen versucht – die ist nämlich so einzigartig wie ein Fingerabdruck. Das wirft wiederum ungeklärte Fragen der Privatsphäre auf – denn gegen einen geleakten Analprint sind die öffentlichen Plaudertoiletten des alten Roms nichts. (Philip Pramer, 7.12.2021)