Wieder einmal ist er am Zug und muss ausrücken, um eine innenpolitische Krise zu beenden: Bundespräsident Alexander Van der Bellen gelobt am Montag zum mittlerweile sechsten Mal in seiner Amtszeit eine Kanzlerin oder einen Kanzler an. Allein in dieser Legislaturperiode des Nationalrats wird das dritte Regierungsoberhaupt, diesmal Karl Nehammer, gestellt.

Sebastian Kurz war der erste Kanzler, den Alexander Van der Bellen angelobt hat. Damals 2017 als Regierungschef von Tükis-Blau.
Foto: Heribert Corn
Hartwig Löger wurde nach dem Ende der Koalition von Alexander Van der Bellen mit den Aufgaben des Kanzlers zwischenzeitig betraut.
Foto: Regine hendrich
Brigitte Bierlein war Alexander Van der Bellens Wahl – und die erste Frau, die 2019 zur Bundeskanzlerin angelobt wurde.
Foto: Robert Newald
Nach den Wahlen 2019 einigten sich ÖVP und Grüne auf eine Regierung. 2020 Gelobte Alexander Van der Bellen Sebastian Kurz zum zweiten Mal als Kanzler an und Werner Kogler als dessen Vize.
Foto: Heribert Corn
Nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz lobte Alexander Van der Bellen Alexander Schallenberg im Oktober als Kanzler an.
Foto: Heribert Corn

Dass er mit dem Akt des Angelobens so beschäftigt sein wird, dürfte sich Van der Bellen, als er Anfang 2017 das Amt als Bundespräsident übernahm, wohl nicht erträumt haben. Mittlerweile hat das Staatsoberhaupt rund 60 Ministerinnen und Minister, Staatssekretärinnen und Staatssekretäre mit ihren Ressorts und Arbeitsbereichen betraut.

Montagmittag wird Van der Bellen neben dem designierten Kanzler Nehammer weitere vier Regierungsmitglieder bestimmen. Einer der Neuen kennt die Zeremonie in der Hofburg bereits besonders gut: Alexander Schallenberg spazierte erstmals im Juni 2019 ins Maria-Theresien-Zimmer, um nach dem türkis-blauen Regierungsende in der Beamtenregierung von Brigitte Bierlein das Amt des Außenministers übertragen zu bekommen. Für selbiges Ressort wurde er im gleichen Jahr von Van der Bellen in der türkis-grünen Koalition angelobt, und nun erhält er die Außenministeriumsagenden nach einem kurzen Ausflug ins Bundeskanzleramt schon wieder zugeteilt.

Vier neue Minister

Angelobt werden von Van der Bellen außerdem der bisherige ÖVP-Staatssekretär im grünen Klimaschutzministerium Magnus Brunner als Finanzminister, der Rektor der Universität Graz Martin Polaschek als Bildungsminister, Gerhard Karner als Innenminister und Claudia Plakolm als Staatssekretärin. Die ÖVP könne als stimmenstärkste Partei "natürlich selbst entscheiden, wen sie für Ministerämter nominieren und vorschlagen möchte", betonte Van der Bellen Freitagabend in einer Fernsehansprache. Mahnte jedoch im Nachsatz von der Volkspartei ein: "Sie muss sich aber auch bewusst sein, dass es um die Besetzung der höchsten Staatsämter geht und nicht um Parteilogiken."

Van der Bellen werde außerdem darauf achten, dass "nicht nur auf Macht- und Einflusssphären geschaut wird", sondern auf die Menschen im Land. Dafür brauche es jetzt aber auch "eine starke, handlungsfähige, umsichtige Regierung".

Was damit gemeint ist? Nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz von seinen politischen Funktionen – sowohl als türkiser Bundesparteiobmann als auch als Klubchef im Parlament – hätte es eigentlich nicht zwingend einen Regierungsumbau inklusive neuen Kanzlers gebraucht. Schallenberg wurde erst im Oktober angelobt, als Kurz die Kanzlerschaft zurückgelegt hatte. Dem neuen Regierungschef folgte gleichzeitig Michael Linhart als Außenminister nach.

Doch Schallenberg stellte nur wenig Stunden nach dem Kurz’schen Abgang auch seine Funktionen zur Verfügung. Er sei der Auffassung, dass die Kanzlerschaft dem Bundesparteichef der Volkspartei zustehe. Diese Funktion habe er jedoch selbst nie angestrebt. Schallenberg brauchte also wieder einen neuen – oder seinen alten – Job, Linhart wollte eigentlich bleiben. Und der Abgang von Bildungsminister Heinz Faßmann hätte per se ebenfalls nicht sein müssen – auch in der Besetzung des Bildungsministeriums soll es vor allem um die Machtaufteilung zwischen den nun wiedererstarkten ÖVP-Bundesländern gegangen sein.

Keine Neuwahl, aber eine Wahl

Und so waren es am Sonntag die schwarzen Landesfürsten, die ausritten, um den Neuwahlrufen der Opposition Einhalt zu gebieten und den Regierungsumbau zu verteidigen. Tirols Landeshauptmann Günther Platter gab sich in der ORF-Pressestunde zuversichtlich, dass die Bundesregierung trotz der Turbulenzen in der ÖVP halten wird. Für Neuwahlen sieht Platter keinen Anlass. Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer sagte der "Kleinen Zeitung": "Das Land braucht Führung und Orientierung. Wir haben keinen Grund, die Koalition nicht fortzusetzen."

Bei den Grünen hingegen war die Verteidigung der Regierung Chefinnen- und Bundessache: Die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer betonte in der ORF-Sendung Hohes Haus erneut die gute Gesprächsbasis mit dem künftigen Kanzler Nehammer. Die ÖVP habe sich nach den internen Problemen neu aufgestellt, die Grünen würden indes für Stabilität sorgen. Neuwahlen seien zumindest "zum jetzigen Zeitpunkt sicher keine Option". Wie sich die Lage aber weiterentwickle, könne "niemand voraussehen".

Gewählt wird aber kommendes Jahr trotzdem. Dann läuft die Amtsperiode des Angelobenden aus. (Oona Kroisleitner, 6.12.2021)