Kufstein – Die meisten waren wohl gekommen, um ihren Kindern zumindest einen Krampus in Echt zeigen zu können. Denn auch die Perchten-Shows finden heuer wegen des Lockdowns nicht statt. Diese Sehnsucht nach folkloristischem Gaudium nutzte die Gruppe "Team Tirol" zusammen mit der FPÖ und dem "Brauchtumsverein Weilerpass" aus Kirchbichl, um am Sonntagnachmittag zu einer Mischung aus Corona-Demo und Krampuslauf zu laden. Knapp 1.000 Personen sind dem Aufruf gefolgt, "den Brauchtum" (sic!) zu retten.

Die kostümierten Kramperl trotzten dem unfreundlichen Wetter und lieferten am frühen Nachmittag gut eine Stunde lang Unterhaltung fürs Publikum. Sie hüpften im Kreis, wobei ihre riesigen Glocken ohrenbetäubend laut schellten. Dazu gab es getrommelte Rhythmen. Den Zuseherinnen und Zusehern gefiel es, vor allem den zahlreichen Kindern. Neben den Familien war das Publikum vor allem ein trinkfreudiges. Schon um 14 Uhr hatten die meisten die zweite oder dritte Bierdose in Arbeit. Einige drückten ihre Solidarität mit den Kramperln durch schwarze Gesichtsbemalung aus.

Nachdem die zottelige Show vorbei war, machte sich der eigentliche Demozug, angeführt vom erwähnten "Team Tirol" unter den Rufen "Frieden, Freiheit, keine Diktatur!" ungehindert und von der Exekutive begleitet auf seinen Weg durch die Kufsteiner Altstadt. Aber da waren die meisten Besucher schon wieder am Heimweg und nur mehr rund 400 Personen marschierten mit, so eine Schätzung der Polizei vor Ort. Die Demonstration zog friedlich, aber gut hörbar, durch die Festungsstadt und dann wieder zurück zum Parkplatz, wo man mit den dort wartenden Krampussen weiterfeierte.

Volkskundlerin: "Hat mit Brauchtum nichts zu tun"

Die Allianz aus Corona-Maßnahmen-Verweigerern, Rechten und Folkloretruppen kommt nicht von ungefähr, wie die Südtiroler Ethnologin und Philosophin Elsbeth Wallnöfer erklärt: "Dass Krampusse ein eigenständiges, heidnisches, wildes germanisches Bildprogramm seien, ist ein Mythos. Es ist ein Narrativ, das von den Nazis gegen die katholische katechetische Unterweisung in Umlauf gebracht wurde." Im Falle Kufstein, so Wallnöfer, zimmern es sich alte und neue Rechte zurecht, um gegen den Staat und gegen die Verordnungen zum Wohl der Gesundheit, subversiv zu agitieren. Sie hat dafür kein Verständnis: "Das ist eine rotzende, wild gewordene, schlecht erzogene Meute, die nichts außer Subordination im Schilde führt. Solche Umzüge fallen unter die Lockdown-Verordnung und haben nichts mit dem Erhalt oder dem Sinn von Brauchtum zu tun."

Denn mit Tradition haben Krampus-Shows nichts gemein, erklärt die Volkskundlerin: "Krampus-Umzüge wie wir sie aus der Gegenwart kennen, sind ganz frisch kreierter Folklorismus. Die Krampusse hatten in der Vergangenheit keine Soloauftritte. Der Krampus war eine Assistenzfigur, der als zweiter eines Pärchens, auch die zweitwichtigste Rolle spielte. Es gab den Krampus stets als Teil einer katechetischen Belehrung: Der Gute, also der Nikolaus, und der Böse, also der Krampus oder Tuifl, gehören zusammen. Sie verkörpern Gut und Böse. Meistens obsiegt der Nikolaus. Er ist die gütige Figur, während sein Mitläufer nur in Ausnahmefällen, zur Strafe nämlich, Ruten hinterlässt. Dieses Brauchtum dient der katholischen Unterweisung, der moralischen Schulung der Menschen."

Signalfeuer gingen im Schneetreiben unter

Heute sei diese Tradition vielerorts in Vergessenheit geraten. Dafür werden gerne große Umzüge nur mit Perchten oder Krampussen veranstaltet, die mit Pyrotechnik und Lasern aufgehübscht werden. Für Wallnöfer hat das mit Brauchtum nichts mehr gemein: "Die Krampusse allein gibt es erst seit gut 25 Jahren als eigenständige Umzüge und gar oft dienen sie der touristisch-folkloristischen Unterhaltung. Ihre moralische Unterweisung fällt weg. Diese Krampus-Umzüge dienen einem einzigen Vorwand, nämlich eine 'gute' Ausrede für subversives Verhalten zu sein."

Neben der Krampus-Demo in Kufstein wurde in Tirol von einschlägiger Seite auch dazu aufgerufen, am Sonntagabend Feuer auf den Bergen zu entzünden oder wahlweise eine Kerze ans Fenster zu stellen – als weithin sichtbare Zeichen des Widerstandes gegen die Corona-Maßnahmen. Ob das am Berg tatsächlich jemand gemacht hat, ist nicht bekannt. Es herrschte abends in fast ganz Tirol derart schlechtes Wetter, dass die Berge praktisch nicht zu sehen waren. (Steffen Arora, 5.12.2021)