Der Master Chief muss sich im Spiel nach einer Niederlage erst wieder zurück in die Schlacht kämpfen.

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Wieder einmal ist eine KI sehr wichtig für den Master Chief – und für die Zukunft der Menschheit.

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Auf der Karte deckt man immer mehr Orte auf, die man besuchen beziehungsweise erobern kann.

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Auf den eroberten Basen kann man Fahrzeuge bestellen. Je nach Fortschritt wird die Auswahl an Gefährten größer.

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Die Gebäude, die man in der Story besucht, ähneln einander optisch stark.

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Vor 20 Jahren begann eine gemeinsame Reise. Microsoft veröffentlichte seine erste Konsole – die Xbox –, und im Gepäck hatten sie ein Spiel, das die lange Reise mitmachen sollte: "Halo: Combat Evolved". Während das Game das Shooter-Genre auf den Konsolen so richtig salonfähig machte, wurde sein Held, der Master Chief, das Gesicht der Xbox und das Studio hinter dem Spiel, Bungie, zu einer in der Szene hochgeschätzten Brand.

Nach zuletzt eher mittelmäßigem Erfolg, einem neuen Entwicklerteam und sechs Jahren Pause wagt es Microsoft, seine millionenschwere Marke in das Weihnachtsgeschäft 2021 zu entlassen. Mit ausreichend Neuerungen im Gepäck, aber auch viel Nostalgie wartet vor allem auf Fans ein hochwertiger Nachfolger. Ob auch Neueinsteiger ihren Spaß mit dem letzten Highlight des Spielejahrs 2021 haben werden, verrät im Idealfall folgender Test.

HALO

The Story so far

"Halo Infinite" spielt 18 Monate nach den Geschehnissen von Teil fünf und versetzt den Spieler einmal mehr in die Rüstung des Spartaners John – besser bekannt unter dem Namen Master Chief. Ohne zu viel von der Handlung verraten zu wollen, geht es erneut um eine ringförmige Energiewaffe, auch genannt Zeta Halo, aufgebrachte Außerirdische, die die Menschheit auslöschen wollen, und einen Spartaner, der das verhindern will.

Begleitet wird der Master Chief die meiste Zeit von dem Soldaten Echo 216 und der KI namens "Waffe". Die kleine Gruppe ist hauptverantwortlich dafür, dass man von bisherigen Ereignissen erfährt und durch die Handlung geführt wird. Dabei wird man gerade als Neueinsteiger von Begriffen wie "Flood" oder "Cortana" erschlagen. Als Veteran der Serie findet man schneller ins Geschehen und kann so auch Anspielungen und kurze Erwähnungen schneller zuordnen – sofern man sich noch an die älteren Teile und diverse Spin-offs erinnern kann.

Aber auch ohne tief in der Materie zu stecken, kann man "Halo: Infinite" spielen und seinen Spaß haben. Der grüne Soldat ist der Gute – die grimmig dreinschauenden Gorillas sind die Bösen. Dazwischen wird viel geschossen, und die durchsichtig schimmernden Frauen im Spiel sind künstliche Intelligenzen, die mehr Macht haben, als es zunächst scheinen mag. Mit einem kurzen Rückblick in Form eines Videos hätte man es allerdings allen Spielern sehr viel einfacher machen können, noch mehr von der Handlung mitzunehmen.

Gadgets wie dieser Energieschild helfen in den oft fordernden Kämpfen, die Oberhand zu behalten.
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Sehr vertraut

Wer schon einmal "Halo" gespielt hat, weiß sehr genau, was ihn mit der Neuauflage erwartet. Sowohl optisch als auch spielerisch hätte das Spiel in ähnlicher Qualität auch gut vor fünf Jahren erscheinen können. Die größte Neuerung ist tatsächlich, dass man diesmal nicht ausschließlich schlauchförmig durch das Spiel geführt wird, sondern sich frei auf einer großen Karte bewegen kann. Dort wählt man sein nächstes Ziel und steuert es dann zu Fuß oder mit einem Fahrzeug an. Das kann die nächste Hauptmission sein oder aber ein feindliches Lager beziehungsweise kleine Belohnungen in Form von Upgrades für den Master Chief oder Rüstungsteile für den Multiplayer-Modus.

Hat man also mehr Zeit im Gepäck, dann sucht man die Karte nach kleinen Stützpunkten ab, die erobert werden dürfen. Diese FOBs werden dann als eigene Basisstationen genutzt, die zum Aufmunitionieren oder als Schnellreisepunkt genutzt werden können. Zusätzlich deckt man durch die Eroberung nahe gelegene Geheimnisse auf, wie eben die oben erwähnten Upgrades oder Rüstungsteile.

Je mehr man den Feind zurückdrängt, desto mehr "Ehre" verdient man sich. Diese schaltet nach und nach neue Waffen und Fahrzeuge frei, die dann für das weitere Erobern genutzt werden können. Das klingt jetzt sehr nach ähnlichen Spielen wie "Far Cry", aber "Halo: Infinite" bleibt immer überschaubar und das Kämpfen wird nie zur Routine, sondern liefert immer ausreichend Herausforderungen, um an der Stange zu halten.

Spielt man weniger den Aufdecker, sondern mehr von Hauptmission zu Hauptmission, fühlt sich "Halo Infinite" wie ein klassisches "Halo" an. Man fährt über grüne Wiesen und findet sich dann bei einer technischen Einrichtung wieder, die man von Feinden befreit. Viele davon inkludieren einen sehr fordernden Zwischenboss, der dem Master Chief mit zwei Schüssen beziehungsweise Schlägen ein frühzeitiges Game Over bescheren kann. In einer kurzen Zwischensequenz wird ein wenig Hintergrund erzählt und eine Motivation gefunden, an einem anderen Ort der Karte erneut eine technische Einrichtung zu besuchen.

Besonders kreativ sind die Missionsziele also nicht; auch wenn man sich gelegentlich in einem Panzer oder in der Luft befindet, fühlt sich alles sehr vertraut an. Speziell gegen Ende ging der Kreativität der Entwickler ein wenig die Luft aus, und es reiht sich ein langer Kampf an den nächsten. Gut, dass das Schießen im Spiel so viel Spaß macht und die gleich näher erläuterten Mittel im Kampf ihr Übriges dazutun, dass man sich nie langweilt.

Die offene Welt bietet sich dazu an, den einen oder anderen Hügel zu erkunden.
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Die Neuerungen

Neben der großen Map, die es zu erkunden gilt, gibt es tatsächlich einige spielerische Neuerungen. Mit den neuen Gadgets kann man die Kämpfe taktischer angehen als früher – etwa einen Schild an der richtigen Stelle aufstellen, um eine Flanke kurzzeitig zu sichern oder mit einem seitlichen Schub schnell aus der Reichweite eines Bossgegners zu gelangen. Die größte Neuerung ist allerdings der Enterhaken, mit dem man sich ganz neue Wege zu einem feindlichen Lager suchen kann – etwa über eine unüberwindbar scheinende Steinwand. Auch um schnell an höher gelegene Positionen zu gelangen, etwa den Unterschlupf eines gut verschanzten Scharfschützen, ist die neue Waffe ein Segen.

Auch aktiv im Kampf kann der Enterhaken eingesetzt werden. Man visiert einen Gegner an und zieht sich dann zu ihm. Durch Verbesserungen kann man die Widersacher durch diese Aktion sogar noch kurzzeitig lähmen und unter Strom setzen. Sehr praktisch, vor allem im späteren Verlauf. Da man allerdings, ähnlich wie bei den verschiedenen Granatentypen, immer nur eine dieser Spezialaktionen auf einer Taste liegen hat und erst via Digitalkreuz zwischen den Aktionen umschalten muss, erfordert ein schneller Wechsel zwischen beispielsweise stationärem Schutzschild und Enterhaken schon ein wenig Geschick.

Neben diesen neuen Gadgets gibt es natürlich auch die klassischen Feuerspucker, mit denen der Held der Geschichte die meiste Arbeit verrichten muss. Von klassischen MGs über diverse Energiewaffen und natürlich auch Spezialwaffen à la Scharfschützengewehre darf nichts im Repertoire fehlen. Da man immer nur zwei Waffen gleichzeitig tragen darf, muss man auch hier taktisch denken. Mit Energiewaffen schaltet man etwa Schilde von Gegnern leichter aus, manche Waffen funktionieren vor allem auf kurze Distanz und so weiter.

Oft ist deshalb eine schlaue Kombination sinnvoll, um in größeren Gefechten einfacher voranzukommen. Das Duo Distanzwaffe plus Brecher auf kurze Distanzen hat sich etwa als genauso sinnvoll erwiesen wie eine Kombination aus Energiewaffe und klassischem Gewehr. Jeder Spieler wird so wohl seine eigenen Lieblingswaffen finden, die ihm im Kampf am besten stehen – eine große Auswahl gibt es in jedem Fall.

Ein paar schöne Momente bietet das Spiel – wirklich spektakulär wird es aber selten.
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Technisches Mittelmaß

Nachdem das Spiel nach einer Präsentation im Vorjahr aufgrund technischer Schwächen vom Publikum mit harscher Kritik aus dem Netz gefegt wurde, hat man sich offenbar nochmals hingesetzt und an ein paar Schrauben gedreht. Nichtsdestotrotz ist "Halo: Infinite" ein hübsches Spiel geworden, das allerdings in keiner Minute besonders beeindruckt. Da das Spiel auch auf der alten Xbox One laufen muss, blickt man auf sehr vertraute Landschaften und Innenräume, die auch in jedem anderen "Halo" hätten auftauchen können. Auch die fehlende optische Abwechslung scheint vermeidbar gewesen zu sein. Weder Schnee noch kleinere Städte bieten den Augen neue Eindrücke. So sieht man sich recht schnell an den Waldlandschaften satt, die immer wieder von den Stützpunkten der Gegner unterbrochen werden.

Die offene Welt ist allerdings schön modelliert, auch wenn sie lediglich mit zweckmäßigen Gebäuden gefüllt ist. Wie immer bei "Halo" geht es bei den Stützpunkten ja auch nicht um besonders schön designte Architektur, sondern darum, dass ausreichend Deckungsmöglichkeiten geboten werden, um auch auf härteren Schwierigkeitsgraden nicht zu verzweifeln. So darf man sich tatsächlich nicht allzu viel erwarten, und auch die sehr ähnlichen Innenleben der Alien-Einrichtungen erinnern an alte "Halo"-Teile. Dennoch gibt es ein paar sehr schöne Momente in der rund zehn bis 15 Stunden dauernden Kampagne, die man durch etwa noch einmal so viele Stunden erweitern kann, wenn man jedes Geheimnis auf der Karte aufdecken will.

Der größte Blocker für viele Spieler – das sehr eigenwillige Design der Aliens – wurde nicht verändert. Noch immer trifft man auf viele bekannte Gesichter, die man schon seit ein paar Teilen kennt. Ein paar Variationen mehr sorgen für mehr spielerische Herausforderung, große Überraschungen darf man sich aber nicht erwarten.

Wie immer sehr gut eingesetzt ist der Sound. Egal ob die Geräusche der unterschiedlichen Waffen oder das Kreischen und Grummeln der Feinde – alles fängt einen sehr gut in die Welt ein. Besonders gefällt der dezente Einsatz der Musik. Das bekannte Theme sorgt für einige Gänsehautmomente, und wenn mitten im Kampf auf einmal ein Musikstück die eigenen Handlungen begleitet, erhöht das ebenfalls die cineastische Note des Moments.

Viel zur Stimmung tragen auch die Synchronsprecher bei. Während die englischen Stimmen wirklich sehr gelungen sind, geben sich auch die deutschen Sprecher sichtlich Mühe, auch wenn sie nicht an das Original heranreichen.

Eine letzte Sache: Den Schwierigkeitsgrad kann man im Spiel nicht mehr verändern, das heißt, man sollte sich gut überlegen, welche Erfahrung man mitbringt. Auf "Normal" kommen erfahrene Spieler gut durch, aber speziell Endkämpfe erfordern es, die vorhandenen Fähigkeiten gut einzusetzen. Die zwei Schwierigkeitsgrade darüber können nur ambitionierten Spielern empfohlen werden. Hier gilt es, jede Deckung auszunutzen, immer die richtigen Waffen im Gepäck zu haben und im richtigen Moment auch einmal das Weite zu suchen.

Die neuen Gadgets sind für den Kampf essenziell und sollten aufgerüstet werden.
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Multiplayer-Modus

Ein paar Wochen vor dem Release der Story hat Entwickler 342 Industries die Fans mit dem Onlinestellen des Multiplayer-Modus überrascht. Dieser ist erstmals kostenlos, was zu Recht viel Skepsis verursacht hat. Für das Hereinholen möglichst vieler Spieler haben die Entwickler nämlich ein sehr langsames Fortschreiten auf der Erfahrungskurve programmiert, damit man kaum an neue Gegenstände oder Rüstungen für seinen Avatar gelangt. Zugegeben, es geht nur um das Freischalten von kosmetischen Dingen, dennoch mussten die Entwickler bereits in der Beta zweimal nachbessern, um die Fans bei Laune zu halten.

Warum dieser offensichtlich für Zorn sorgende Schritt? In der Branche ist es mittlerweile lukrativer, Multiplayer-Spiele kostenlos anzubieten, um erst durch kosmetische Dinge das Geld der Spieler einzufordern. Das klingt fair, schließlich muss keiner Geld investieren. Wenn man allerdings wie im Fall von "Halo" als Normalspieler quasi gar nichts freispielen kann und jede Woche immer nur sieht, was man mit dem sogenannten Battle Pass freischalten könnte, dann ist das einfach kein sauberer Zugang.

Wie gesagt, die Entwickler arbeiten laufend am Feedback der Spieler, und vielleicht öffnet man sich hier noch ein wenig. So bekommen etwa Game-Pass-Kunden laufend etwas geschenkt, und auch im Story-Modus kann man einzelne Teile freischalten.

Abgesehen von diesen Dingen ist der Multiplayer-Modus ein Fest für "Halo"-Spieler. In der Beta ist die Zahl der Maps zwar noch überschaubar, aber die meisten davon sind schon jetzt in den verschiedensten Modi gut spielbar. In den meisten Modi dürfen zwei Teams im Modus vier gegen vier antreten, um Punkte zu erobern, einen Ball möglichst lang im Team zu halten oder einfach nur die meisten Abschüsse zu machen. Zusammenspiel ist bei so kleinen Teams natürlich unumgänglich, und so lohnt es sich, ein paar Freunde in sein Squad zu laden.

In der Beta befindet sich bis jetzt zusätzlich eine große Map, auf der zwölf gegen zwölf Spieler antreten können. Hier ist der verstärkte Einsatz von Fahrzeugen gefragt und ein wenig mehr Chaos als auf den kleinen Karten. Zusammenfassend kann man aber jetzt schon sagen, dass sowohl Gameplay als auch Leveldesign bisher hohen Ansprüchen genügen und hier im besten Fall ein sehr langlebiger Multiplayer-Shooter entstanden ist. Man darf gespannt sein, mit wie vielen neuen Inhalten die Entwickler zum Release der Story-Kampagne und darüber hinaus überraschen wollen.

Ein letztes Problem sei an dieser Stelle noch erwähnt: Da das Spiel auch für den PC erscheint, spielt man, sofern man es nicht deaktiviert, immer auch mit PC-Spielern zusammen. Hier hat sich bereits eine Cheater-Szene in der Beta entwickelt, die für Unruhe in der Community sorgt. Auch hier sind die Entwickler gefragt, schnellstmöglich zu reagieren. Sonst wäre es wohl die kürzeste Karriere für einen "Halo"-Multiplayer.

Der Multiplayer-Modus hat vor allem wegen des integrierten Shops und des langsamen Fortschrittssystems einige Kritik zum Start einstecken müssen.
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Fazit

"Halo Infinite" ist vielleicht das beste "Halo" bisher, allerdings fußt dieser Erfolg viel auf den Erfahrungen der letzten 20 Jahre. Die sehr dosiert eingesetzten Neuerungen geben spielerisch ein paar Möglichkeiten mehr, ohne an der Grundformel viel zu ändern. Technisch wird wenig Spektakuläres geboten, da das Spiel auch auf der alten Generation gut laufen muss. Das Fehlen eines Koop-Modus, der laut Entwicklern erst Mitte 2022 nachgeliefert wird, muss an dieser Stelle als Minus verbucht werden. Gemeinsam würde die Kampagne wohl noch mehr Spaß machen.

Allen Unkenrufen zum Trotz steht auch der Multiplayer-Modus auf einem starken Fundament und bietet zusammen mit der Story ein rundes Gesamtpaket mit den im Text erwähnten Schwächen. Neueinsteiger können sicher auch Spaß mit dem Spiel haben, wenn auch aufgrund der sturen Weitererzählung der alten Geschichte vor allem Fans mit der Story mitfiebern werden. So ist "Infinite" ein "Halo", das keine neuen Maßstäbe setzt, aber der Franchise ausreichend neue Energie einschießt, um idealerweise als Startschuss für weitere 20 Jahre großen Shooter-Spaß zu dienen.

Für einen möglichen Nachfolger, der via Teaser angedeutet wird, wünscht sich der Autor dieser Zeilen in jedem Fall eine kürzere Wartezeit als sechs Jahre, die eine oder andere epische Schlacht mehr und noch mehr Mut, spannende Geschichten rund um den Master Chief oder auch andere Spartaner zu erzählen. Die Fans der letzten 20 Jahre hätten sich das verdient.

Für den Test auf der Xbox Series X wurde der Redaktion das Spiel zur Verfügung gestellt. Im Handel ist "Halo: Infinite" ab dem 8. Dezember 2021 erhältlich. Game-Pass-Besitzer finden das Spiel ab dem Erscheinungstag in ihrem Abo. Der Zugang zum Multiplayer-Modus ist kostenlos. (Alexander Amon, 8.12.2021)