Die Art der Beben erinnert an solche, die bisher nur in Zonen mit vulkanischer Aktivität festgestellt wurden; auf dem Foto ist der Mount Merapi in Indonesien zu sehen.
Foto: Devi Rahman / INA Photo Agency

Wenn der Schreibstift eines Seismografen ausschlägt, kann das verschiedene Gründe haben. Neben Erschütterungswellen, die sich etwa durch vulkanische Aktivitäten im Erdkörper ausbreiten, sorgen auch Menschen für beträchtliche Beben. Sprengungen und Nuklearwaffenexplosionen zählen zu den sogenannten induzierten Beben.

Auch beim einfacheren Fördern von Erdöl und Erdgas werden Erschütterungen erzeugt. Beim Fracking, kurz für "Hydraulic Fracturing", bohrt man in den Boden und presst dabei ein Wassergemisch in eine Erdschicht. So entstehen Risse, durch die das verteilte Öl oder Gas zum Fließen und dann an die Oberfläche gebracht wird. Dabei können auch Erdbeben ausgelöst werden. Die britische Aufsichtsbehörde stoppte vor zwei Jahren aufgrund dieser Gefahr Fracking in England.

Analyse von Frackingbeben

Um die Beben, die von Frackinganlagen ausgehen, genauer zu analysieren, beteiligten sich Forschende der Ruhr-Universität Bochum an einem Forschungsprojekt in Kanada. Hier betreibt man Fracking mindestens seit den 1960er-Jahren. In der Provinz Quebec im Osten des Landes wurde 2014 – wie später in England – ein Moratorium verhängt. In Westkanada wird die Methode weiterhin angewandt. Rund um ein Bohrloch in der Provinz British Columbia baute die kanadisch-deutsche Forschungsgruppe acht seismische Stationen auf und wertete 350 Erdbeben aus. Die Ergebnisse veröffentlichte sie im Fachmagazin "Nature Communications".

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Im Westen Kanadas wird Hydraulic Fracturing, auch bekannt als Fracking, verwendet, um Öl- und Gasvorkommen zu nutzen.
Foto: REUTERS/Rod Nickel

Zur Entstehung der durch Fracking verursachten Beben gibt es bisher zwei Theorien, die in relevanten Details voneinander abweichen, aber beide von folgender Entwicklung ausgehen: Die Flüssigkeit, die in den Erdboden gepresst wird, erhöht dort den Druck. Dieser Druck breitet sich weiter aus oder überträgt sich über große Distanzen, was Beben auslösen kann.

Aus Vulkangebieten bekannt

Es gibt aber auch andere Arten geologischer Bewegungen, die Fracking bewirken kann und auf die die Forschungsgruppe aufmerksam wurde: Bei rund zehn Prozent der 350 dokumentierten Beben am Bohrloch handelte es sich quasi um langsame Beben. Diese sind bis dahin vor allem in der Nähe von Vulkanen aufgefallen. Bei vom Menschen induzierten Beben sind sie allerdings noch nicht aufgefallen, obwohl bereits Laboruntersuchungen und theoretische Modelle auf ihre Existenz hindeuteten. Dies dürfte der Forschungsgruppe geglückt sein.

Die langsamen Erdbeben zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass bei ihnen seismische Aktivität nicht oder nur stark reduziert vorkommt, was sie entsprechend schwierig zu messen macht. Trotzdem verschiebt sich bei ihnen der Untergrund, ähnlich wie bei Beben niedriger Frequenz, die in Übergangszonen verschiedener Kontinentalplatten vorkommen.

Neue Bebenart hält länger an

Die Forschungsgruppe bezeichnet diese neu entdeckten langsamen Beben als "hybrid-frequency waveform earthquakes" oder EHW. Denn sie nimmt an, dass es sich dabei um eine Zwischenform zwischen üblichen Erdbeben und erdbebenlosen Bewegungen handeln könnte. Die Beben dürften nicht nur in vulkanischen Gegenden vorkommen, sondern auch rund um ein Bohrloch.

"Eigentlich waren wir davon ausgegangen, dass die meisten Erdbeben die gleiche Bruch-Geschwindigkeit von zwei bis drei Kilometern pro Sekunde haben", sagt Rebecca Harrington, eine der Studienautorinnen, die an der Universität Bochum die Gruppe Hydrogeomechanik leitet. Dies trifft offenbar nicht immer zu, die Beben breiten sich also nicht gleich schnell aus. Ein übliches Erdbeben der Stärke 1,5 beispielsweise, das im Rahmen der Studie aufgezeichnet wurde, war in der Regel nach sieben Sekunden vorbei. Ein EHW-Beben mit derselben Stärke aber dauerte mehr als zehn Sekunden an.

Kritik an Fracking

"Wenn wir verstehen würden, wann der Untergrund auf den Frackingprozess mit Bewegungen reagiert, die kein Erdbeben und somit keinen Schaden an der Oberfläche anrichten, könnte man die Prozesse entsprechend anpassen", vermutet Harrington. Andere Kritikpunkte am Frackingprozess dürfte eine solche Anpassung aber nicht entkräften.

In der Kritik steht die Methode auch, weil befürchtet wird, sie könne Grundwasser verschmutzen. Und gerade in trockenen Gebieten ist der hohe Wasserverbrauch ein Problem, etwa im Okavangodelta im südlichen Afrika. Es zählt zum Unesco-Weltnaturerbe; in der Nähe beanspruchte allerdings ein kanadisches Ölunternehmen nach Testbohrungen ein großes Gebiet für sich. (sic, 6.12.2021)