Ein bissl traurig wirken sie, die sonst so stolzen Glitzerkugeln am Lichtbogen vor dem Rathausplatz – statt auf Christkindlmarktbesucher leuchten sie nur auf zugenagelte Hütterln herunter. Trotzdem leuchten sie wacker vor sich hin. "Für die sind wir allerdings nicht zuständig", bemerkt Gerald Wötzl von der MA 33 – Wien leuchtet. "Nur für die Uhr dahinter am Rathaus", meint Kollege Gerhard Dully. Die beiden sind sozusagen die Oberbeleuchter von Wien: Wötzl als Leiter des technischen Kompetenzzentrums, Dully als Referatsleiter für Spezialanlagen, darunter fallen auch die Anstrahlungs- und Effektbeleuchtungsanlagen, die zum Einsatz kommen, wenn die Sonne Feierabend hat. Insgesamt steht die MA 33 in Wien hinter der gesamten öffentlichen Beleuchtung – dazu gehören die Straßenbeleuchtung, Ampelanlagen und das Lichtdesign im öffentlichen Raum (dazu noch die öffentlichen Uhren und auch das öffentliche WLAN).

Zaubern mit Licht

Wenn man mit diesen beiden Lichtgestalten kurz vor dem aktuellen Lockdown einen Ringspaziergang macht, dann öffnen sich ganz neue Blickwinkel. Die schwächelnde Straßenlaterne hoch über dem Zaun des Volksgartens, die sonst kaum jemandem auffällt, kann sich vor Wötzl nicht lange in der Dunkelheit verstecken. Bald wird sie wieder hell erstrahlen.

Beim Theseustempel wird innegehalten. Seit seiner letzten Renovierung 2011 strahlt der ehemalige Treffpunkt der Wiener Kifferia fast magisch, und das ganz ohne Drogen. "Zuerst wollten wir die Beleuchtung relativ einfach lösen", erzählt Dully. "Aber dann sind wir dagestanden mit dem Bundesdenkmalamt, und die haben gesagt: Na ja, ganz gefällt uns das nicht." Also ließ sich Dully etwas einfallen. "Dazu wollten wir allerdings Scheinwerfer in den Boden einbauen. Da war das Denkmalamt natürlich entsetzt. Dann habe ich zum nächsten Termin ein paar Scheinwerfer mitgenommen, auf den Boden gelegt und dem Chef gezeigt, wie das ausschauen könnte – und er war begeistert." Nicht nur er.

Die Karlskirche im Licht-Nachthemd: Seit 1956 wird sie angestrahlt, seither wurde die Beleuchtung viermal erneuert.
Foto: Gini Brenner

Weiter geht's Richtung Heldenplatz. Die prächtig beleuchtete Hofburg als Kulisse ist ein vertrautes Bild, als wäre das immer schon so gewesen – dabei gibt es das Lichtkonzept hier erst seit relativ kurzer Zeit. "Die Beleuchtung haben wir anlässlich des EU-Beitritts 1995 errichtet", erzählt Dully. "Keiner hat gewusst, wie das gehen soll. Mein damaliger Chef und Lehrmeister und ich sind zwei Nächte lang auf dem Heldenplatz gesessen und haben uns gefragt: 'Was tun wir da überhaupt?'" Offensichtlich haben sie es bald herausgefunden. Und wieder gibt's erhellende Erkenntnisse, wie zum Beispiel, wo die Scheinwerfer angebracht sind, die die beiden Fernkorn'schen Reiterstatuen beleuchten. "Gute Beleuchtung ist immer unsichtbar", bemerkt Wötzl.

Apropos beleuchtete Statue: Warum steht eigentlich der Engel links oben auf der Hofburg im hellen Licht, während der auf der rechten Seite in tiefer Dunkelheit darbt? Engeldiskriminierung, oder wie? Dully: "Der links ist nicht absichtlich beleuchtet. Er steht im Weg. Dahinter sind fünf große Scheinwerfer auf die Hofburgfassade gerichtet. Man hat ihn halt nicht wegreißen können."

Out of the dark

Inzwischen ist die Dunkelheit vollständig hereingebrochen, und ebenso wie die Lichtanlagen bei den Gebäuden haben auch die Straßenlaternen längst ihren Nachtdienst angetreten. Woher wissen die eigentlich alle so genau, wann sie angehen müssen? Wötzl: "Das wird von einem zentralen Lichtsensor gesteuert, ab einem gewissen Lichtfaktor schalten sich die Lampen ein." Dieser Mastermind des Lichts ist eine unscheinbare weiße Kuppel, die auf dem Dach des Zentralgebäudes der Wiener Netze in Erdberg steht. "Wenn man da den Hut drüberhängt, leuchtet den ganzen Tag das Licht. Und wenn Sie zu Mitternacht mit der Taschenlampe draufleuchten, dann geht in ganz Wien das Licht aus." Nein, wir kommen jetzt nicht auf blöde Gedanken.

Mittlerweile stehen wir am Robert-Stolz-Platz ums Eck vom Opernring, zwischen den Dichterfürsten. Wie passend – "Mehr Licht!" waren ja angeblich Goethes letzte Worte. "Da oben sind die beiden ältesten Scheinwerfer angebracht, die wir in Wien noch in Betrieb haben", erzählt Dully und zeigt auf die Fassade des Hauses Nr. 4. "Mit einem wird der Goethe angestrahlt, mit dem anderen der Schiller. Die sind noch aus dem Zweiten Weltkrieg, da waren sie auf Flak-Geschützen montiert. Und bis heute ist dies das einzige Modell, das es möglich macht, über die komplette Ringstraße drüberzuleuchten, ohne Straßenbahner, Autofahrer oder Anrainer zu blenden. Wir haben schon alles Mögliche ausprobiert, es ist nichts gegangen." Bis auf die beiden Veteranen eben. Aber wie lange noch? "Die brauchen 24-Volt-300-Watt-Glühbirnen. Davon gibt's noch genau 16 Stück."

Neue Erleuchtung

Konventionelle Leuchtmittel sind in Wien generell in der Auslaufphase. "Wir sind derzeit bei der Umstellung der Straßenbeleuchtung auf LED", erklärt Wötzl. Ein Riesenprojekt, gelassen ausgesprochen: Hier geht es um nicht weniger als über 150.000 Leuchten, die sukzessive umgerüstet werden. Anhand praktischer Beispiels zeigt Wötzl, warum das sinnvoll ist: Hier am Schillerplatz sieht man neue und alte Leuchten nebeneinander. Die voluminösen alten Leuchten verstrahlen das Licht großflächig. "Das ist wegen der Hitzeentwicklung technisch nicht anders möglich." Die LED-Leuchten hingegen bleiben kühl. Wötzl: "Die leuchten nur nach unten, dabei ist die Leuchtkraft sogar oft besser. Und es hilft gegen die Lichtverschmutzung. Damit wird die Stadt transparenter: Man sieht wieder den Himmel!" Auch für die Insekten ist das von Vorteil: Je weniger Fernwirkung, desto weniger werden sie angelockt. Auf der Ringstraße selber stehen immer noch die Laternen im Nostalgielook, vor allem für die Touristen. "Licht zum Herzeigen" nennt Wötzl sie. "Man sieht das Licht, aber nicht das Beleuchtete."

Wir gehen weiter Richtung Karlsplatz. Die Karlskirche taucht hinter den nackten Bäumen auf, ein wunderschönes, zauberhaftes Lichtbild in sanften Farben … "Na geh!", unterbricht Dully missmutig die Träumerei. Was ihn anficht? Ein paar der Scheinwerfer, die das schöne Lichtensemble bilden, sind ausgefallen. "Es ist immer so. Wenn was fotografiert werden soll, dann fehlt garantiert irgendwo ein Lamperl."

Seit 1956 wird die Karlskirche angestrahlt, seither wurde die Beleuchtung viermal erneuert, auch hier wird sukzessive auf LED umgestellt. "Die erste Beleuchtungsvariante verbrauchte circa so viel Strom wie fünf Haushalte – heute sind wir bei einem Fünftel davon", freut sich Dully. Auch wenn die neue Technologie ganz neue Anforderungen stellt: "Ich mache diesen Job seit 30 Jahren, und da weiß man an sich ein bissl, was man tut. Aber mit LED habe ich ganz neu zu lernen angefangen. Es gibt andere Ausleuchtungscharakteristiken, andere Leistungen, neue technische Werte …" Und so ist er auch mit der Karlskirche noch nicht ganz zufrieden: Die Unterschiede der Farbtemperatur zwischen Gebäude und Kuppel würde er gerne noch angeglichen haben. Aber das ist ein längerfristiges Projekt. Jetzt stehen erst einmal die Weihnachtslichterln auf dem Programm. Gibt's zu Hause eigentlich auch professionelle Beleuchtung? "Vor Jahren habe ich das ein einziges Mal probiert. Da sind die Nachbarn verrückt geworden mit mir, die ganze Gasse war hell. Und ich hab mir ausgerechnet, was das für sechs Wochen kostet." Jetzt gibt's nur mehr echte Kerzen, zumindest am Heiligen Abend. "Ich seh das ganze Jahr lang LED-Lichter, dann hab ich's am Christbaum auch noch? Na, danke." (Gini Brenner, 8.12.2021)