Der Stillstand des nicht lebensnotwendigen Handels wird zu einem Fall für die Justiz.

Foto: Christian Fischer

Wien – 62 österreichische Händler haben eine Klage beim Verfassungsgerichtshof eingebracht, erfuhr DER STANDARD. Sie fechten die behördliche Schließung der nicht lebensnotwendigen Geschäfte im Zuge des vierten Lockdowns an. Der Individualantrag wurde Freitagabend erstellt. Unternehmen quer durch alle Branchen, vom Mode- über den Sport- bis hin zum Elektrofachhandel, schlossen sich ihm an. Am Montag wurden die Landeshauptleute und die Bundesregierung darüber informiert.

Die Händler sehen in der Schließung ihrer Geschäfte einen Verstoß gegen das Grundrecht auf Eigentum und auf Erwerbsfreiheit. Der Gleichheitssatz werde ebenso verletzt wie das Legalitätsgebot.

Ziel der Maßnahmen gegen die Corona-Krise sei es, persönliche Kontakte von Menschen durch Betretungsverbote zu reduzieren. Kontakt sei aber nicht gleich Kontakt, heißt es in der Erklärung. Die kurzen Kontakte, die mit FFP2-Maske erfolgten und seit 8. November ausschließlich Geimpften und Genesenen gewährt seien, würden kein bzw. nur ein vernachlässigbares Infektionsrisiko mit sich bringen.

"Als Hebel instrumentalisiert"

Eine "überwältigende Mehrheit" der Handelsunternehmen in Österreich unterstütze die Anrufung des Verfassungsgerichtshofs, sagt Rainer Will, Chef des Handelsverbands, auf Nachfrage. "Sie wollen nicht länger als Hebel für eine Pandemiebekämpfung instrumentalisiert werden, die nur halbherzig vorangetrieben wird." Der Handel werde derzeit ohne wissenschaftliches Fundament zum Infektionshotspot erklärt, während eine "Klientelpolitik" andere Bereiche wie Dienstleistung und Produktionen am Laufen halte.

Dass der Handel vielmehr ein "Safespot" sei, werde durch aktuelle Studien wie jene der Nationalen Akademie der Wissenschaften der USA nachweislich belegt, sagt Will. Im Schnitt kauften Kunden lediglich 13 Minuten lang in Geschäften ein. Die Ansteckungsgefahr liege auch nach 20 Minuten nur bei rund 0,1 Prozent, selbst wenn sich infizierte und gesunde Menschen in Innenräumen auf kurzer Distanz begegnen. Mindestabstand, Entlüftungsanlagen, kurze Aufenthaltsdauer, Schutzmasken sowie die 2G-Regeln würden dafür ausreichend Sorge tragen.

Effektivität der Lockdowns sinkt

"Zudem belegen alle Mobilitätsdaten, dass die Effektivität der Lockdowns stark abnimmt", ergänzt Will. Österreich sei mittlerweile in der EU neben der Slowakei das einzige Land, das sich einen kompletten Lockdown leiste.

Viele Unternehmen sehen sich trotz starker Eigentumsbeschränkungen nicht in den Genuss der staatlichen Entschädigungen kommen. Große Händler fänden mit den gedeckelten Hilfen kein Auslangen. Eine Hürde sei zudem der Nachweis von Umsatzverlusten von zumindest 30 Prozent im Vergleich zum entsprechenden Kalendermonat des Jahres 2019. Die für das letzte Adventwochenende geplante Sonntagsöffnung gleiche die Verluste nur zu einem Bruchteil aus.

Eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs erfordert in der Regel mehrere Monate. Der Handel erwartet sich durch die Klage rechtliche Klarheit im Fall weiterer Lockdowns. (Verena Kainrath, 7.12.2021)