Der Naturpark Ötscher-Tormäuer gilt als Modellregion dafür, wie verschiedene Ansprüche unter einen Hut gebracht werden können.

Foto: Weinfranz / Franz Weingartner

Der Ötscher ist einer der markantesten Berge Niederösterreichs. Obwohl er nur knapp 1900 Meter hoch ist, beherrscht er weithin sichtbar das Mostviertel. Die ihn umgebende Landschaft ist geprägt von markanten Schluchten einerseits und seit Jahrhunderten bewirtschafteten Almen andererseits. Nun soll die Gegend, die bereits einen Naturpark beherbergt, auch ein Forschungszentrum bekommen, dessen Themen nicht aktueller sein könnten: Klimawandel und Biodiversität.

Am Fuße des Ötschers verläuft die Erlauf in den tief eingeschnittenen Schluchten der Vorderen und Hinteren Tormäuer. Hier sollte in den 1960er-Jahren ein Kraftwerk gebaut werden. Das Projekt stieß jedoch auf heftigen Widerstand der Bevölkerung, und schließlich entstand 1970 stattdessen der heutige Naturpark Ötscher-Tormäuer.

Neuen Schwung erhielt die Region mit der Niederösterreichischen Landesausstellung Ötscher:Reich 2015, für die unter anderem das Naturparkzentrum "Ötscher-Basis" neu errichtet wurde. Die Ausstellung lockte mehr als 280.000 Gäste an, doch nach dem Höhenflug stellte sich die Frage, wie es weitergehen sollte: Ein neues Konzept war gefragt.

Intensive Nutzung

Dabei ist es wichtig zu wissen, dass es bei Naturparks – im Unterschied zu Nationalparks – in erster Linie um den Schutz von Kulturlandschaften geht, also von Gebieten, die stark durch menschliche Tätigkeit geprägt sind. Dabei sollen auch die jeweils üblichen Landnutzungsformen und regionale Kreisläufe gefördert werden.

Außerdem dienen Naturparks der Erholung und gleichzeitig als Vorzeigemodelle dafür, wie alle diese Ansprüche unter einen Hut gebracht werden können. In ganz Österreich gibt es 45 Naturparks; Ötscher-Tormäuer ist Niederösterreichs größter. Für die Erstellung von dessen neuem Konzept wurden neben diversen Expertinnen und Experten auch rund 120 Anrainer um ihre Meinung gefragt.

Dabei wurde die Idee geboren, den klassischen vier Themen der Naturparks, nämlich Schutz, Bildung, Regionalentwicklung und Erholung, noch eine spezielles fünftes hinzuzufügen: Es sollte ein eigenes Forschungszentrum zu zwei derzeit äußerst aktuellen Themen entstehen, nämlich zu Klimawandel und Biodiversität. "Am Wassercluster Lunz beschäftigen sich die Wissenschafter mit Wasser und im Wildnisgebiet Dürrenstein mit Wald", erklärt Florian Schublach, der das Forschungszentrum-Projekt leitet, "da passen Klima und Artenvielfalt ausgezeichnet dazu."

Forschung und Vermittlung

Derzeit läuft eine vom Klimaministerium finanzierte Machbarkeitsstudie für das geplante Zentrum, die unter anderem dessen Standort klären soll. "Der wird sehr wahrscheinlich Lackenhof sein", sagt Schublach, wobei derzeit geprüft wird, ob es ein bestehendes ungenütztes Gebäude gibt, das man für diese Zwecke verwenden könnte. Außerdem wird mit zukünftigen Partnern erhoben, was für Infrastruktur ein solcher Bau zur Verfügung stellen muss, wie etwa Labore oder Seminarräume. Neben diesem Zentrum könnte es aber auch "dezentrale Forschungsstellen" geben, wie etwa lokale Landwirte, um "ein Netzwerk an Einrichtungen" zu schaffen.

Eines ist aber jetzt schon klar: "Das Ganze muss auf zwei Ebenen funktionieren: Forschung und Vermittlung", sagt Schublach. Dafür stehen zwei Partnerorganisationen, die ihre Teilnahme bereits fix zugesagt haben, nämlich die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), eine Forschungseinrichtung des Wissenschaftsministeriums, und die Donau-Universität Krems.

Zwei Klimazonen

Für die ZAMG ist das Ötscher-Gebiet sowohl wetter- als auch klimatechnisch von Interesse. "In dieser Region stoßen zwei Klimazonen zusammen – die feuchte atlantische und die eher trockene pannonisch-kontinentale", sagt Matthias Themeßl von der ZAMG. "Da ist es interessant zu sehen, ob sich diese Übergangszone durch den Klimawandel verschiebt."

Außerdem ist die ZAMG nach der Erstellung von Klimaszenarien daran interessiert, die konkreten Auswirkungen des Klimawandels auf Forstwirtschaft und Biodiversität zu beobachten, und "um den Ötscher herum gibt es sehr viel Wald, da können wir das gut erheben", sagt Themeßl.

Gleichzeitig ist der Ötscher ein markanter Berg in den Ausläufern der Ostalpen und daher spannend für Wettermessungen. Zwar ist das bestehende Radarmessnetz in Österreich schon gut ausgebaut, aber Niederschläge treten häufig auf sehr kleinem Raum auf – da könnte ein Radar auf dem Ötscher die Vorhersagen und Hochwasserwarnungen bis ins Wiener Becken verbessern, meint Themeßl. Zusätzlich zu den Forschungs- und Messmöglichkeiten ist die ZAMG auch prinzipiell an der Zusammenarbeit mit anderen Institutionen interessiert, denn, so Themeßl, "den Klimawandel kann man nicht allein bekämpfen."

Austausch auf Augenhöhe

Nicht zuletzt gehört dazu die Vermittlung des gewonnenen Wissens an eine breite Öffentlichkeit, für die die Donau-Uni Krems mit Gerald Steiner von der Fakultät für Wirtschaft und Globalisierung und seinen Mitarbeitern verantwortlich zeichnet. Wichtig ist dabei ein "Wissensaustausch auf Augenhöhe" zwischen Wissenschaft und lokaler Bevölkerung, wie Projektmitarbeiter Günther Schreder vom Department für Wissensmanagement erklärt.

Es sind unter anderem interaktive Ausstellungen, Lehrpfade und schulische Projekte angedacht. Die Menschen vor Ort sollen bei neuen Möglichkeiten der Regionalentwicklung ihre Ideen einbringen können.

Für die Donau-Uni Krems ist das Projekt auch wissenschaftlich bedeutsam: "Wir beschäftigen uns mit gekoppelten Mensch-Umwelt-Systemen", sagt Schreder, "da ist es interessant, sich eine Region im Detail anzusehen, denn oft fehlt es an kleinräumigem Wissen." Gleichzeitig sieht er die Möglichkeit, speziell jungen Leuten zu zeigen, wie dem Klimawandel durch entsprechende Gestaltung von Umweltprozessen begegnet werden kann. (Susanne Strnadl, 27.12.2021)