Leistungselektronik, die etwa in Elektroautos eingesetzt wird, muss langfristig problemfrei arbeiten. Neuartige Tests sollen helfen, diese Zuverlässigkeit sicherzustellen.

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Elektroautos, Photovoltaikanlagen, Windräder: Die Energiewende erhöht den Bedarf an ausdauernder Leistungselektronik. Von der Zuverlässigkeit der in diesen Anlagen verbauten Wechselrichter, Steuergeräte, Generatoren oder Transformatoren hängt nicht nur die reibungslose Funktion der Energiesysteme ab, sondern auch zunehmend weitreichende wirtschaftliche Faktoren.

Wenn das Elektroauto nicht lädt und zur Reparatur muss, ist das schlimm genug. Wenn eine E-Lok aufgrund fehlerhafter Steuerelemente ausfällt oder wenn der Wechselrichter in den gigantischen Windkraftanlagen einer Offshoreanlage immer wieder ausgewechselt werden muss, hat das noch viel weitreichendere Auswirkungen. Autos sind dafür designt, zumindest etwa zehn Jahre durchzuhalten, bei Windrädern oder Lokomotiven sollte eine Funktionsdauer von bis zu 30 Jahren gewährleistet sein.

Minuten statt Monate

Um diese Langlebigkeit sicherzustellen, sind umfassende Test- und Prüfverfahren notwendig. Diese Prozeduren nehmen selbst oft Wochen und Monate in Anspruch – immerhin müssen dutzende Jahre Einsatzdauer komprimiert nachgestellt und simuliert werden.

Golta Khatibi, Materialwissenschafterin an der TU Wien.
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Eine Forschergruppe rund um Golta Khatibi vom Institut für Chemische Technologien und Analytik an der Technischen Universität Wien hat sich über Jahre hinweg eingehend mit diesem Problem einer effizienten Prüfung von Mikroelektronik auseinandergesetzt. Sie konnte eine neuartige Methode entwickeln, die die Testverfahren entscheidend verkürzt – im Extremfall auf wenige Minuten – und dennoch aussagekräftig genug ist, um die Belastungen eines ganzen Produktlebenszyklus’ vorwegzunehmen.

Diese anwendungsnahe Forschung wurde diesen Herbst mit dem renommierten Houskapreis ausgezeichnet, der von der B&C-Stiftung vergeben wird. Die Preise, die in den Kategorien "Forschung & Entwicklung in KMU" und "Hochschulforschung", in der Khatibi siegreich war, vergeben werden, sind mit insgesamt 500.000 Euro dotiert.

Auf engstem Raum

"Mikroelektronik besteht aus vielen verschiedenen Materialien, die auf engstem Raum zusammengepackt sind: Halbleiter- und Metallschichten in Mikro- oder sogar Nanometerdicke, Keramik, Kunststoff, Drähte und Lötstellen", zählt Khatibi auf. "Mit der zunehmenden technischen Entwicklung werden nicht nur die Bauteile kleiner, sondern auch die Anzahl dieser verschiedenen Materialien wird geringer." Umso wichtiger werden die Übergangsbereiche zwischen den Materialien, die langfristig gesehen oft zu Schwachstellen werden.

"Die verschiedenen Materialien haben unterschiedliche Eigenschaften. Vor allem dehnen sie sich bei thermischer Belastung in unterschiedlicher Weise aus", skizziert die Forscherin eine Problematik, die entscheidend zu einer verkürzten Haltbarkeit beiträgt. Beispielsweise verändert sich die Form von Aluminium durch Wärme zehnmal so stark wie jene von Silizium.

Tests müssen dieses Verhalten abbilden. Standardverfahren setzen die Bauteile etwa erhöhter Temperatur aus, um unter diesen Umständen tausende Funktionszyklen zu durchlaufen, oder man legt höhere elektrische Ströme an, um Belastungen zu simulieren. Doch auf diese Art ein Produktleben im Schnelldurchlauf zu absolvieren kann dennoch zumindest einige Monate dauern.

Khatibi und ihr Team gingen einen anderen Weg. "Wir haben die thermischen Spannungen der Materialien während ihres Einsatzes untersucht, um sie – in einem entsprechenden Ausmaß – durch mechanische Belastungen ersetzen zu können", sagt die Wissenschafterin.

Versagensmechanismen

Die Materialermüdung durch hohe Temperaturen wurde also in jene Schäden "umgerechnet", die mechanische Schwingungen verursachen. Ein Bauteil hochfrequent zu "schütteln" ist letztendlich viel zeitsparender, als es immer wieder aufzuheizen. "Dabei geht es nicht nur darum, abschätzen zu können, wie schnell etwas kaputtgeht, sondern auch, welcher konkrete Versagensmechanismus dahintersteckt", sagt Khatibi. Gleichzeitig ist aber auch ein zerstörungsfreier Test möglich, der unter einer schädigenden Intensität bleibt.

In der Praxis sieht das Verfahren so aus, dass ein zu prüfendes Bauteil auf ein "Shaking System" montiert wird – eine Art Pinzette, über die das Objekt in Schwingung versetzt wird. Bei einer Frequenz von bis zu 60 Kilohertz, also 60.000 Schwingungen pro Sekunde, wird das Materialgefüge systematisch "ermüdet".

Ganz auf die Erhitzung der Bauteile wird jedoch auch hier nicht verzichtet. Immerhin müssen auch die Materialveränderungen selbst mitberücksichtigt werden. "Um diesen Faktor zu inkludieren, werden die Proben im Ofen eine bestimmte Zeit gealtert und dann mechanisch geprüft", erklärt Khatibi. Letztendlich werden also die relevanten Belastungsfaktoren getrennt: die Veränderung der Mikrostruktur durch thermische Effekte und die resultierende mechanische Belastung.

Jahrelange Entwicklung

Die für die Entwicklung des Prüfverfahrens notwendigen Materialtests, Modellierungen und Simulationen wurden vor allem im Projekt Micromat durchgeführt, das im Rahmen des Comet-Programms mit Mitteln von Klimaschutz- und Wirtschaftsministerium von der Förderagentur FFG unterstützt wurde, sowie in einem Christian-Doppler-Labor, das zum Teil vom Wirtschaftsministerium finanziert wird. Wirtschaftspartner waren F&S Bondtec und Infineon, wo das Prüfsystem auch bereits eingesetzt wird.

Letztendlich soll die Technologie nicht nur die Qualitätsprüfung beschleunigen, sondern auch den Entwicklungsprozess eines neuen Produkts selbst unterstützen. "Man kann unsere Methode beispielsweise verwenden, um Unterschiede bei der Haltbarkeit verschiedener Materialkombinationen zu erforschen", sagt Khatibi. Dank der experimentellen Daten kann eine gezielte Vorauswahl von Materialien oder Parametern getroffen werden, die der Produktqualität zugutekommt und die Entwicklung beschleunigt. (Alois Pumhösel, 7.1.2022)